
„Das hier ist eine sehr aktive, lebendige Gemeinde“ zieht Andreas Hamburg eine Bilanz seiner ersten Erfahrungen, denn seit Oktober 2018 ist er der neue Pastor der St.- Markus-Gemeinde in Arsten.
Dass der 1973 in der Ukraine geborene Hamburg mal in Bremen Pastor ist, war kaum vorherzusehen. Ursprünglich hat er Maschinenbau studiert und war bereits im Alter von 22 Jahren Diplom-Ingenieur. „In der Ukraine war ich damals in einer Kulturgesellschaft der Russlanddeutschen, die ,Wiedergeburt’ hieß, dort haben sich die Deutschen ihrer Kultur besonnen“, erinnert er sich. Da war er gerade mal 20 Jahre alt. „Und da kam eine Einladung zum Priesterseminar. Das hat mich interessiert und ich bin spontan hingefahren.“ Das Seminar sei von ein paar Pastoren aus Deutschland und der Ukraine geleitet worden, verschiedene theologische Einsichten seien da aufeinandergeprallt. „Man fuhr da immer wieder mal hin, das war so eine Art Ferienpredigerseminar“, sagt er und zählt auf: Bibelkunde habe es dort gegeben, Altes und Neues Testament wurden behandelt und Kirchenlehre. Er sei dort 1993 der jüngste Teilnehmer gewesen, der Älteste war um die 80 Jahre alt. „Das war im Grunde eine Vorstufe, um sich zum Prediger ausbilden zu lassen.“
Doch vor der Ausbildung zum Prediger kam 1995 die Ausreise mit den Eltern nach Deutschland. Zwar wurde sein Maschinenbau-Studium in Deutschland anerkannt, doch Andreas Hamburg wollte noch einmal studieren. Und so ging er 1996 nach Hermannsburg, eine kleine Ortschaft in der Nähe von Celle, um im Missionsseminar Theologie zu studieren. „Mit dem Ziel, danach nach Sibirien zu gehen“, doch es kam anders: Er lernte im Seminar seine jetzige Frau kennen, nach dem Ende seines Studiums im Jahre 2003 kam die Anfrage der bayerischen Landeskirche: „Die Landeskirche fragte uns, ob wir nicht für sie in die Ukraine gehen möchten.“ Für ihn habe es gepasst „wie die Faust aufs Auge“, wie er sagt, doch seine Frau habe „mit dem Osten so gar nichts am Hut gehabt“: Denn sie wollte in Zentralafrika wirken und habe eigens dafür Französisch gelernt.
Und doch ging es nach seiner Ordination 2006 zunächst nach Charkiw in die Ukraine, wo sie bis 2009 blieben. Danach waren sie weitere fünf Jahre bis 2014 in Odessa tätig. „Bereits 2013 habe ich jedoch schon überlegt, nach Deutschland zurückzugehen. Damals hatten wir vier Kinder und unser Einsatz in der ukrainischen Landeskirche war beendet.“ Die bayerische Landeskirche hat ihn und seine Familie dann zurückgeholt, ins oberfränkische Höchstädt im Fichtelgebirge. „Dort war ich Dorfpfarrer, das war eine schöne Zeit“, erinnert er sich. „Die Oberfranken sind ein wenig die ,Bremer des Südens’, was ich aber nicht negativ gedeutet haben möchte: Da ist eine Herzlichkeit, die erst später entsteht.“ Fast vier Jahre sei er dort tätig gewesen. „Aber die Sprache! Dagegen ist Plattdeutsch ein Kinderspiel.“
Die sprachlichen Eigenheiten des Oberfränkischen seien aber nicht der Grund gewesen, warum die Familie Hamburg weggegangen sei: „Beide Elternteile leben ebenfalls im Norden.“ Außerdem habe ihnen die Bremische Kirche gefallen: „Die Vielfalt von konservativ bis liberal, wenn man diese Vielfalt als kreative Spannung wahrnimmt, kann das ein Segen sein.“ Die vakante Stelle des Pastors der St.-Markus-Gemeinde sei ihm übrigens erst nach Bewerbungsschluss ins Auge gefallen. „Das war kein Spaziergang“, sagt er. „Ich habe eine zweistündige Bibelstunde gehabt und eine Probepredigt. Und danach habe ich zwei Stunden mit allen Gottesdienstbesuchern gesprochen.“ Der Konvent habe dann mit über 80 Prozent für ihn gestimmt und am 25. September kam der Umzugswagen. „Die Kinder waren immer für den Umzug. Und bei aller Liebe für die Menschen in Oberfranken: das war die richtige Entscheidung.“
Andreas Hamburg wohnt nun in Hemelingen, das Haus des Vorgängers sei für die Familie mit nunmehr sechs Kindern zu klein gewesen. Die Evangelische Kirche habe ihm dann ein Haus zur Verfügung gestellt, das groß genug war. Und das Leben im Bremen gefällt ihm: „Ich war auch angetan davon, dass die Menschen in Bremen frei entscheiden können, in welche Gemeinde sie sein wollen, das ist in anderen Landeskirchen deutlich schwieriger. In Bremen ist auch alles sehr informell, gelassen, nahezu gemütlich. Das ist die Seite der Bremer Kirche, die mir richtig gut gefällt.“
2500 Mitglieder hat seine Gemeinde. „Das ist eine sehr aktive und lebendige Gemeinde. Die Christen reden oft von der Ernsthaftigkeit des Glaubens, hier jedoch spürt man eher die Freude am Glauben. Das Authentische finde ich hier sehr gut.“ Und auch die Jugendarbeit laufe dank des Diakons gut und das musikalische Angebot sei regelrecht „gewaltig.“ Insgesamt gebe es in der St.-Markus-Gemeinde eine gute Mischung, auch wenn sie sich selbst als evangelikal bezeichnen würde, meint Andreas Hamburg: „Sie nehmen den Glauben zwar ernst, doch sie vergessen auch nicht, am Glauben Freude zu empfinden. Das finde ich das Reizvolle hier.“ Seinem Vorgänger Matthias Jander sei es gelungen, Tradition und Moderne zusammenzubekommen: „Tradition trifft Frische, ein Miteinander von Jugendlichen und Älteren, das gefällt mir.“
Unterm Strich sieht er darum eine reizvolle Tätigkeit in einer lebendigen Gemeinde – Andreas Hamburg ist sich daher schon nach wenigen Monaten sicher: „Ich werde in Bremen alt. In meinem Leben bin ich bereits zwanzig Mal umgezogen, das reicht.“