
Vahr. Bremen hat Theodor Lassen einiges zu verdanken. Als er 1945 – im heutigen Tschechien – in amerikanische Gefangenschaft geriet, lautete der Befehl: "Bremer rechts raus". Die Norddeutschen wurden zu Hause für den Wiederaufbau gebraucht. Theodor Lassen ist geblieben und begeht morgen seinen 100. Geburtstag.
Theodor Lassen war Zimmermann. Der gebürtige Hamburger reiste 1945 zu seiner Frau und zu den Schwiegereltern nach Hastedt am Weserdamm, doch das Haus war zerstört. Seinem Auftrag folgend meldete er sich beim Bremer Kanalbauamt. Dort arbeiteten Maurer, die das Kanalsystem instand setzten. Was sollte ein Zimmermann beim Kanalbau? Lassen blickte während des Vorstellungsgesprächs in den Hof mit den eingebrochenen Garagen und dem zerstörten Fuhrpark der Kanalreinigung. "Verstehen Sie etwas davon?", wurde er gefragt. Oh ja, Lassen verstand jede Menge davon, Fahrzeuge instandzusetzen.
1935 hatte sich Lassen, der in Hamburg Barmbeck Dachstühle der Jarrestadt mitgebaut hatte, für zwölf Jahre bei der Landespolizei verpflichtet, um dem Beitritt zu den Nationalsozialisten auszuweichen. Bald wurde seine Polizeikompanie, die in Waffenkunde ausgebildet war, nach Bremen versetzt. Dort sollten Soldaten an Waffen geschult werden. Mit Kriegsbeginn kam Lassen, der bei der Polizei Schnellkurse in Kraftfahrzeugtechnik absolviert und alle Führerscheinprüfungen bestanden hatte, zur motorisierten Truppe für den Munitions -und Geschütztransport. Theodor Lassen fuhr seiner Kompanie mit dem Motorrad hinterher und war für die Instandhaltung der Fahrzeuge zuständig, oft ohne Ersatzteile, sondern mit dem, was zu finden ist. Ein anstrengender Posten, denn überall blieben Fahrzeuge liegen. Als er die BMW R 66 fuhr, seien die Zündkerzenstecker nicht gegen Feuchtigkeit abgedichtet gewesen und durch außen liegende Zylinder sei es an jeder nassen Wiese zu Ausfällen gekommen.
Feldpostfreundin geheiratet
Theodor Lassen fuhr fünfeinhalb Jahre durch den Krieg. Nach Polen, zurück nach Freiburg, nach Frankreich und ins Elsass, nach Schlesien und im Russland-Feldzug, er erlebte die Winterniederlage vor Moskau, den Rückzug zum Kaukasus und bis Tiflis, Stalingrad und den Rückzug bis zum Dnepr. Briefe aus Bremen ließen Theodor Lassen durchhalten. An ein Mädchen beim Bäcker hatte er sich erinnert, und die Bäckerin hatte ihm mit der Frontpost den Namen und die Adresse verraten. Die jungen Frauen in der Heimat waren aufgerufen, Soldaten an die Kriegsschauplätze zu schreiben.
Im Februar 1944 bekam Lassen Heimaturlaub um seine Feldpostfreundin zu heiraten. Die Ehe hielt 60 Jahre bis zum Tod seiner Frau im Alter von 83 Jahren.
Theodor Lassen musste noch wieder in den Krieg, in die Normandie. Während der fünfeinhalb Kriegsjahre traf ihn ein Streifschuss an der Wade, eine Kugel zerfetzte sein Jackenrevers. Über 12000 Kilometer legte er zwischen den Fronten zurück, wie er erzählt.
1945 war der Betriebsleiter der Abteilung Kraftfahrzeuge des Kanal-Bauamtes wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit entlassen worden, Lassen trat die neue Position an. Zügig setzte er die Sonderfahrzeuge der Kanalreinigung instaand. Bald verfügte Bremen über 80 Fahrzeuge unter Lassens Obhut. Lassen entwickelte Schwellblech für Tanks, damit Tankwagen nicht mehr umkippten. Er entwickelte Schlauchverbindungen und Kanalanschlusssysteme, die die Schläuche glatt über die Kanalwände fahren lassen, und er nimmt 1962 das erste Hochdruckspülfahrzeug in Betrieb. Neugierige kommen aus deutschen Städten, um das Bremer System kennenzulernen. 1976 geht Lassen mit 64 Jahren in den Ruhestand.
Neben dem Wiederaufbau des Bremer Kanalsystems und der technischen Modernisierung bis zum Vorzeigestatus erfreute sich Theodor Lassen mit Frau und Tochter am Leben. Baute das Haus der Schwiegereltern wieder mit auf und half bei so manchem Dachstuhlaufbau in der Nachbarschaft auf Gegenseitigkeit. Als sein Schwager mit der Familie nach Bremen zog, schenkte der Schwiegervater Lassens ein Grundstück auf der gegenüberliegenden Straßenseite, und Theodor Lassen baute ein neues Haus. Später baute der Jubilar noch einmal in der Neuen Vahr, wo er heute lebt.
In der Zeit vom Renteneintritt bis zum hundertsten Geburtstag hat Lassen mit seinem Enkel einige Kreuzfahrten unternommen. "Lassens kommen von Sylt", sagt Lassen, "und waren raue Gesellen und Seeräuberkapitäne."
Theodor Lassen belegt das gerne mit einem antiquarischen Buch. Der Rentner fühlt sich pudelwohl, wenn der Enkel ihm Pfannkuchen brutzelt, mit Apfelmus vom Boskop aus dem Garten. Lassen spielt Mundharmonika und begann 1977 in einem Volkshochschulkursus zu malen. Später zog er mit der Bremer Palette mit Ausstellungen durch Europa und verkaufte Bilder gegen Spenden für wohltätige Zwecke. Mittlerweile hängen seine Bilder in 17 Ländern Europas, und er malt heute noch. Etwa 2000 Werke seien entstanden, sagt Lassen.
Immer aktiv, hat er zwischen seinem sechzigsten und fünfundsechzigsten Lebensjahr jährlich die Prüfung für das Sportabzeichen abgelegt und danach 28 Jahre lang Gymnastik im Verein betrieben, bis er 93 war. Nun tragen die Beine ihn nicht immer verlässlich, und er benutzt den Treppenlift, wenn er im Obergeschoss malen möchte. Sein Haus ist altersgerecht umgestellt, damit er im Erdgeschoss alles Nötige erreichen kann, und Tochter Christa Gerken und ihr Mann erledigen seine Einkäufe für den täglichen Bedarf.
Der Krieg bleibt seine stärkste Erinnerung: "Wenn man beim Vormarsch durch Staub fährt, da ist die Brille voll, da siehst du nichts. Und erst bei Frost." Über die prägenden, oft grausamen Erlebnisse hat Lassen sich seinen Humor und seinen Glauben bewahrt. "Gott segne unser Tun und Lassen, und dieser Lassen das bin ich", sagt er schmunzelnd und: "Zur Kirche gehe ich nicht, aber ich bete abends."
Knapp 60 Gäste erwartet Theodor Lassen morgen zu seinem 100. Geburtstag.
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
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