
Den Hochhäusern Neuwieder Straße 1 und 3 eilt kein guter Ruf voraus. Zunächst waren die Mieter aus zahlreichen Nationen nicht gut angesehen, doch bereits seit geraumer Zeit stehen besonders die Vermieter in der Kritik. Denn es häufen sich zahlreiche Mängel: Von außen lässt derzeit ein Bauzaun um die Nummer 3 nur einen Gang zum Hauseingang frei. Er steht dort seit November zum Schutz, weil die Fassade bröckelt und herunterfallende Fassadenteile Passanten treffen könnten. Eine Information an die Mieter gibt es auch nach Monaten nicht – weder darüber, was passieren soll, noch wie lange das Areal ums Haus abgesperrt bleibt.
Beim Betreten des Hauses fällt die kaputte Haustür auf, die laut Mietern dazu geführt hat, dass Drogengeschäfte im Haus stattfinden und Wohnungslose in den Fluren Unterschlupf suchen. Die Kamera, die einst den Eingangsbereich überwachte, funktioniert seit Monaten nicht mehr, denn es hatte im achten Stock einen Wasserschaden gegeben. Das Wasser lief durch alle Etagen bis ins Erdgeschoss und in den Eingangsbereich, wo die Hausverwaltung als erste Maßnahme Eimer aufstellen ließ.
Als kurz danach große verschimmelte Flecken die Decke überzogen, ließ die Verwaltung die betroffenen Stellen aus den Deckenplatten herausschlagen. Mehr passierte nicht. Seither liegt die Decke mit Wasser- und Elektroleitungen offen da, erzählen die Mieter, die sich im Treppenhaus versammelt haben, aber aus Angst vor einer Kündigung ihrer Wohnung, weder auf ein Foto wollen noch ihren Namen in der Zeitung lesen möchten.
Von der offenen Decke geht der Blick zum Fahrstuhl: Der größere der beiden Lifte war vom 28. Dezember bis 9. Januar defekt, berichten Mieter. Hätte es in dieser Zeit einen Notfall gegeben, hätten Rettungskräfte durchs Treppenhaus in die oberen Stockwerke eilen müssen und mit dem Patienten auf der Trage wieder hinab – im schlimmsten Fall über 16 Stockwerke.
Drei Tage nach der Reparatur des Fahrstuhls am 12. Januar war er wieder defekt. Erneut dauerte es mehrere Tage bis zur Reparatur.
Auch die Mängelliste für die einzelnen Wohnungen scheint endlos. Ein Mieter berichtet, zwei deutlich unterschiedliche Nebenkostenabrechnung für 2018 bekommen zu haben. Zusätzlich wurde bei Nicht-Zahlung mit Kündigung gedroht. Aber seit Monaten bekommt er keine Antwort von der Verwaltung, welche Abrechnung nun gültig sei, gegen welche er widersprechen kann, denn beide sind nach seinem Urteil unstimmig.
Ein anderer Mieter zeigt die Folgen eines Wasserschadens, der bereits ein halbes Jahr zurück liegt. In seiner Küche ist seither ein fußballgroßes Loch zu sehen, das in einen Lüftungsschacht geschlagen wurde, um den Wasserschaden zu orten, der gar nicht in seiner Wohnung war. Seither bettele er um Reparatur. Notdürftig hat er das Loch mit Pappen überklebt.
Doch der Wind, der durch den Schacht fegt, drückt die Flicken immer wieder ab. Dann kommen Scharen von toten und lebendem Ungeziefer in seine Wohnung, berichtet er. Seine Angst gilt der Gesundheit seiner kleinen Tochter, die noch auf dem Boden krabbelt. Und so formiert sich erneut Widerstand gegen die Miet- und Wohnbedingungen bei den Mietern der Neuwieder Straße 3. Genau 16 Etagen und über 90 Wohnungen bietet das Haus. Aber wem gehört es derzeit? Wer ist eigentlich Vermieter?
Das Problem beginnt bereits auf den Mietverträgen. Dort ist als Besitzer und Verwalter eingetragen: BGP Otto 1 Sàrl & Co. KG., Grünwald: vertreten durch BGP Residential GP 4 Sàrl & Co. KG, Luxembourg, vertreten durch: BGP Investment Sàrl, Luxembourg vertreten durch Geschäftsführer Mark Dunstan vertreten durch BGP Immobilienservice GmbH, München, vertreten durch die alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer Thomas Drastik, Till Schmiedeknecht und Björn Krüger.
Das Kürzel Sàrl steht dabei für Société à responsabilité limitée – die luxemburgische Variante einer GmbH. Bohrt man weiter, wird das verschachtelte Gefüge noch komplizierter: Die luxemburgische BGP Holdings Europe hat demnach ihr deutsches Immobilienportfolio mit rund 16 000 Wohnungen bereits 2016 komplett an einen ausländischen Investor verkauft. Dabei handelt es sich vornehmlich um Immobilien aus dem Bestand des Fonds „BGP Investment Sàrl“, also jener Firmenteil, der im Vertrag noch als als Vermieter auftritt. Damaligen Berichten zufolge handelt es sich bei dem Käufer um den chinesischen Staatsfonds CIC.
Welche Immobilien zu dem seinerzeit verkauften Paket gehören, hat das Unternehmen nie mitgeteilt – gut möglich also, dass die beiden Osterholzer Hochhäuser eigentlich dem chinesischen Staat gehören.
Jedenfalls derzeit noch, denn im Februar dieses Jahres haben Fachblätter der Immobilienbranche vermeldet, ein Konsortium aus dem deutschen Immobilienunternehmen ZBI und der Fondsgesellschaft Union Investment will den Wohnimmobilienspezialisten BGP übernehmen, der dem chinesischen Staatsfonds CIC zuzurechnen sei. Ausdrücklich wird wieder besagtes Immobilienportfolio mit insgesamt rund 16 000 Wohn- und Gewerbeeinheiten genannt.
Vor diesem Hintergrund erleben die Mieter, dass ihre Mängelanzeigen wenig Beachtung finden. Im Treppenhaus kündigt ein Aushang an drei Wochentagen Sprech- und Telefonzeiten einer Mitarbeiterin der Verwaltung an. Die Mieter berichten, sie hätten die Dame nur an einem der Tage für eine kurze Zeit erreicht. Die Auskunft habe stets gelautet, dass sie die Angelegenheit weitergebe. Danach folgte auf Mieterseite häufig monatelanges Warten, ohne Auskunft und ohne Mängelbeseitigung.
Auf Anfrage des Stadtteil-Kuriers äußert sich nur Holger Friedrichs von der Berliner Firma PB3C GmbH, die für die Unternehmenskommunikation des Wohnungsverwalters sorgt. Danach gehe man Hinweisen von Mietern schnell und zügig nach. Im Detail bedeute dies: An der Beseitigung der Wasserschäden sei man dran. Die derzeit laufenden Arbeiten würden jedoch einige Wochen dauern. Die Fassade des Objekts sei im November 2018 abgesichert worden und gelte aktuell als verkehrssicher. Weitere Maßnahmen seien in Abstimmung.
Die Mieter würden zu gegebenem Zeitpunkt informiert. Die Probleme mit beiden Aufzügen in der Vergangenheit seien ebenfalls bekannt. Für die Zukunft habe man bundesweit entsprechende Wartungsverträge abgeschlossen um den Betrieb sicherzustellen. Was Kritik an Betriebskostenabrechnung betreffe: Aus Datenschutzgründen könne man sich zu mieterbezogenen Angaben nicht äußern. Hinsichtlich der offenstehenden Eingangstür heißt es, notwendige Reparaturen erfolgten nach Bekanntwerden möglichst zeitnah.
Die Möglichkeit, bei Mängeln die Miete zu mindern, haben die meisten Mieter in den Häusern nicht. Viele leben von Grundsicherung. Ihre Mietzahlungen überweist das Amt zuverlässig, ungeachtet erheblicher Mängel. „Bremen zahlt bestimmt über die Hälfte der Mieten“, schätzt ein Mieter. Für die Eigentümer sind die Blöcke an der Neuwieder Straße damit eine sichere Einnahmequelle – auch ohne allzu große Bemühungen für die Instandhaltung. „Mehr können die gar nicht verdienen“, kommentiert ein Mitarbeiter einer großen Wohnungsverwaltung in Bremen.
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