
Doch in das Mietshaus gegenüber dem Straßenbahndepot zog damals eine Gemeinschaft von Menschen ein, denen man das vorher nicht zugetraut und zugestanden hatte, dass sie selbstständig und unabhängig ihr eigenes Leben leben können. Seit 20 Jahren gibt das Team der „Initiative zur sozialen Rehabilitation“ (Izsr) ihnen ambulant genau die Unterstützung, die sie dabei brauchen. Das wurde gerade bei einer großen gemeinsamen Feier im Café Brand gefeiert. Vieles habe sich seit den Anfangsjahren verändert, doch manches müsste noch deutlich besser werden, sagte Geschäftsführer Sven Bechtolf.
Die Initiative kümmere sich um „Menschen, die nirgendwo richtig reinpassen“, so der Diplom-Sozialpädagoge: Es sind Menschen mit geistiger Behinderung, mit psychischen Erkrankungen, suchtkranke oder drogenabhängige Menschen. Die Jüngsten sind gerade volljährig, die Ältesten im Seniorenalter. Aus der ersten Wohngemeinschaft ist inzwischen eine Klientel von 60 Personen geworden, die über die ganze Stadt verteilt leben. Es gibt noch eine einzige Gemeinschaftswohnung, doch es habe sich erwiesen, dass Ein- oder Zweipersonenhaushalte den Bedürfnissen besser gerecht würden, erzählte Bechtolf.
Für die Bewohner sind insgesamt rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterwegs. „Betreutes Wohnen“ bedeutet: lebenspraktische, pädagogische und psychosoziale Unterstützung vor Ort. Im Einzelnen könne das ganz unterschiedlich aussehen und sei so individuell wie die betreuten Menschen selbst. Bei den Besuchen gehe es um ganz konkrete Alltagsfragen, um Arzttermine, um Konflikte im Privaten oder Probleme am Arbeitsplatz.
Seit Ende des 18. Jahrhunderts war das ehemalige Dominikanerinnenkloster Blankenburg am Stadtrand von Oldenburg als „Bewahr- und Pflegeanstalt“ genutzt worden. Ab den 1950er-Jahren brachte die Stadt Bremen dort psychisch kranke, geistig behinderte und suchtkranke Menschen unter – oft für den Rest ihres Lebens. Ab 1980 löste Bremen im Rahmen der Psychiatriereform die Anstalt mit damals 300 Patienten schrittweise auf, 1988 wurde sie endgültig geschlossen. Die „Initiative zur sozialen Rehabilitation“ wurde im Jahr 1982 von engagierten Medizinern und Sozialarbeitern gegründet. Zu den Arbeitsbereichen des gemeinnützigen Vereins gehören unter anderem auch die Zeitungsinitiative „Irrturm“, die Gesellschaft für integrative Beschäftigung, die Gesellschaft für ambulante psychiatrische Dienste (Gapsy) und der Drogenhilfeträger Comeback.
Antje Otte war in einem Heim tätig, bevor sie 2007 zum ambulanten Team der Izsr wechselte: „Eine Einrichtung für 800 Menschen auf dem platten Land“, erzählte sie im Café Brand. Sie erinnerte sich, wie sehr es sie berührte, dass sie dort einem 16-jährigen Jugendlichen nicht den Wunsch erfüllen konnte, einmal in die Stadt ins Kino zu fahren. Mitten im Leben und selbstbestimmt gebe es dagegen „die Freiheit, spätabends noch einen Spaziergang zu machen, wenn man die Lust dazu verspürt, oder sich mit Schuhen ins Bett zu legen“, erklärte die Behindertenpädagogin.
Sven Bechtold kritisierte, dass der Begriff „geistige Behinderung“ gemeinhin als angeboren und unveränderlich verstanden werde. Dabei seien in 90 Prozent der Fälle die sogenannten Störungen auf massive Vernachlässigung im Kindesalter, auf Gewalt oder Missbrauch zurückzuführen. „Wir haben in der Betreuungsarbeit die Erfahrung gemacht, dass erhebliche Veränderungen und Entwicklungen möglich sind“, betonte der Sozialpädagoge. In der aktuellen Versorgungssituation sieht er reichlich Potenzial zur Verbesserung: Mehr finanzielle und personelle Unterstützung sei für den Bereich traumatherapeutischer Angebote vonnöten. Außerdem fehle es in Bremen an qualifizierten Psychiatern, die auf psychische Erkrankungen und Krisen bei Menschen mit geistigen Behinderungen spezialisiert seien. Dringend erforderlich seien auch mehr offene und niedrigschwellige Arbeits- und Beschäftigungsangebote und Alternativen zur Werkstatt für behinderte Menschen.
„Ich könnte an dieser Stelle noch einiges mehr aufzählen“, schloss der Sozialpädagoge. Kritik übte Bechtolf auch am geplanten Bundesteilhabegesetz. Für Menschen, die von staatlichen Transferleistungen abhängig seien, bringe es keinerlei Verbesserungen. Weil Leistungen der Eingliederungshilfe in den Bereich der Pflegeversicherung verschoben würden, fürchte er vielmehr „massive Verschlechterungen.“
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.