
Erinnert sich noch jemand an das Fräulein Bünz mit den kastanienbraunen Locken? Nach ihrem Anerkennungsjahr im Kindergarten der Martin-Luther-Gemeinde wollte die junge Erzieherin eigentlich sofort zurück in ihre schleswig-holsteinische Heimat. Das hat überhaupt nicht geklappt. 42 Jahre später entlässt dieselbe Kindertagesstätte dieselbe Mitarbeiterin in den Ruhestand – genauer gesagt, in die passive Phase der Altersteilzeit. Generationen von Findorffer Kindern und deren Familien ist sie viel besser bekannt als ihre Dietlind. Und sie würden sie wohl überall auf der Welt wiedererkennen.
Dieser leuchtend weiße Schopf, der beerenfarbene Lippenstift und das ansteckend fröhliche „Hallöchen“ sind eben einfach unverwechselbar – das erlebte sie zuletzt im Skilift im alpinen Urlaubsort, als es aufgeregt aus der Distanz herüberwinkte: Eine Findorffer Familie hatte sie von Weitem erspäht.
Bereits mit Anfang Dreißig hatte sich ihre Haarfarbe plötzlich verändert, erzählt Dietlind Schöppner – und sie ist seither zu ihrem zeit- und alterslosen Markenzeichen geworden. Der Nachname wechselte schon viel früher: Gleich im ersten Jahr im fremden Bremen hatte sie einen jungen Polizeibeamten aus dem Findorffer Revier kennengelernt, und die Rückkehr in den Norden wurde abgesagt. 1980 wurde geheiratet, 1996 kam Tochter Paula auf die Welt, 1998 bezogen die Schöppners ihr Findorffer Reihenhaus. Die Frage nach einer örtlichen oder beruflichen Veränderung erledigte sich damit endgültig. Besser ließen sich Arbeit und Familie nicht vereinbaren. Auch, wenn es mal kompliziert wurde: „Ich wusste immer: Hier werde ich auch mit dem kleinen Kind getragen.“
Wie viele andere kleine Kinder sie in ihren 42 Berufsjahren beim Größerwerden begleitet hat – das müsste mal jemand nachrechnen. Sicher sei, dass darunter mittlerweile etliche Kinder der ersten Kinder sind. „Ich staune immer, wie viele meiner ehemaligen Kinder ich heute noch in Findorff treffe“, erzählt sie. Manche seien in besonderer Erinnerung geblieben, wie der kleine Junge mit türkischen Wurzeln aus ihrer ersten eigenen Gruppe im Jahr 1978: Trotz intensivster Betüdelung war er hartnäckig acht Wochen lang in stundenlanges Wehklagen verfallen, nachdem ihn Vater, Mutter oder Oma im Kindergarten abgeliefert hatten. Im vergangenen Jahr meldete eine junge Findorfferin ihr Kind in der Gemeinde-Kita an und konnte gar nicht glauben, was sie hier vorfand. „Als sie mich sah, rief sie: „Frau Bünzi! Dass es dich immer noch gibt!“. Wie sich herausstellte, handelte es sich um die jüngere Schwester des besagten kleinen Schreihalses, der anfangs kein Wort Deutsch sprach, und mittlerweile ein erfolgreicher Londoner Banker geworden ist. „Sie machte ein Foto von mir, schickte es an die fast 100-jährige Großmutter, und erzählte, die alte Dame habe vor Rührung den ganzen Tag geweint.“
„Etwas Besseres, als in dieser Kita zu arbeiten, konnte mir gar nicht passieren“, sagt Dietlind Schöppner. Und nun steht ihr noch der 25. September bevor. An den Tag der offiziellen Verabschiedung „mag ich gar nicht denken“, gesteht die 61-Jährige. „Schließlich habe ich hier mehr als zwei Drittel meines Lebens verbracht.“ Doch wer sie kennt, weiß: Ruhig und passiv wird es auch in ihrem Ruhestand nicht zugehen. Sie wird Ehemann Wolfgang und den jüngsten Familienzuwachs – den wuscheligen Havaneser-Malteser-Mix Paule – auf Trab halten. Sie wird Sport treiben, Musik machen. Vor allem aber wird sie sich einem ganz anderen Lebensthema widmen. Zehn Jahre lang hatte sie ihre demenzkranke Mutter begleitet. Diese Erinnerungen und Erfahrungen möchte sie in einem Buch festhalten, das anderen Betroffenen die Angst nehmen und Mut machen soll. „Ich hatte in diesen Jahren noch so viel Spaß mit meiner Mutter“, erzählt Dietlind Schöppner. „Man kann lernen, die Dinge zu akzeptieren, so wie sie sind.“
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