
Gröpelingen. „Da haben wir doch getanzt, jeden Sommer!“ – „Das war der Fischladen.“ –„Fisch, wo gibt es denn heute noch Fisch hier?“ – „Das war schön, der Laden für Bastelbedarf.“ – „Da hab ich viel gekauft damals.“ So kommentieren die anwesenden Gröpelinger an die Wand projizierte Bilder. In bunt und schwarz-weiß, Zeichnungen und Fotos, Gröpelingen jetzt und in vergangenen Zeiten.
Am Montagabend lud die Geschichtswerkstatt Gröpelingen zum Thema „Selfmade in Gröpelingen“ ins Nachbarschaftshaus Helene Kaisen. Die Begleitveranstaltung zur Ausstellung in der Galerie „Roten Hahn“ beschäftigt sich mit lokaler Unternehmerschaft im Wandel. Noch bis Freitag zeigt „Kultur vor Ort“ in Kooperation mit dem Focke-Museum Fotos, Videos und Berichte.
Am Abend im Nachbarschaftshaus scheinen sich viele der rund dreißig Anwesenden zu kennen. Freundliches Klönen an den Tischen, Anekdoten aus längst vergangenen Jahren („Ich kannte ja schon deinen Großvater im Laden“) und Spritzgebäck auf den Tischen. Das Publikum kommt aus Gröpelingen und kennt sich aus. Und das oft schon seit Generationen. Die Referentin Christina Vogelsang von „Kultur vor Ort“ ist auch eine von hier, aufgewachsen und zur Schule gegangen im Bremer Westen. Sie berichtet von den verschwindenden Traditionsgeschäften in der sogenannten „T-Zone“ rund um Lindenhofstraße und Gröpelinger Heerstraße.
Die Neugründungen vieler Neubremer als Leistung zu würdigen, ist ihr Anliegen. „Manche erleben den Wandel auch als etwas Negatives. Viele sind hier geboren und aufgewachsen. Manche vermissen ein bisschen das Leben von früher. Aber bemerkenswert ist: das Geschäftsleben ist so lebendig. Manchmal höre ich die Leute sagen: „Schon wieder ein neuer Friseur? Aber als ich die alten Fotos gesehen habe – was meinen Sie, wie viele Friseure es gab?“ Vogelsang weiß von acht Friseurgeschäften, die in den 1950er-Jahren auf der Gröpelinger Heerstraße gewesen sein sollen, im Gegensatz zu nur fünf im Jahre 1996. Das habe der Kulturladen Halmer Weg in den 90ern für eine Ausstellung in alten Adressbüchern recherchiert. Sie und Jan Werquet vom Focke-Museum bemühen sich zu zeigen: Gröpelingen hat sich immer gewandelt, zu jeder Zeit sind Menschen hier angekommen. Und dazu hat der Einzelhandel beigetragen.
Werquet erzählt von dörflichen Strukturen Gröpelingens bis ins 19. Jahrhundert. „Gröpelingen war der Stadt vorgelagert.“ Er berichtet von der Industrialisierung, der AG Weser und der Ansiedlung der Arbeiter und Arbeiterinnen im Stadtteil. Dadurch seien viele Wohnhäuser, Geschäfte, Ausflugslokale entstanden.
Seit den 70er-Jahren hätten sich auch verstärkt Menschen aus dem Mittelmeerraum in Gröpelingen angesiedelt, die als Arbeiter nach Deutschland gekommen seien. Neue Einzelhandelsgeschäfte seien gegründet worden, weil die Menschen auch in kleinteiliger Struktur ihren täglichen Bedarf decken wollten. Auch der Niedergang der Werft habe den Stadtteil weiter verändert. Vogelsang von „Kultur vor Ort“ findet: „Wir nennen den Stadtteil heute Ankommensstadtteil. Man darf nicht vergessen, dass viele hier mal angekommen sind.“ Sie sagt: „Wir sehen es auch als gewisse Normalität an, dass Menschen hierherkommen und eine Möglichkeit suchen ihr Geld zu verdienen, ein Geschäft zu eröffnen und ein Unternehmen zu gründen.“ Wann ein Mensch zum Bremer wird, diese Frage taucht häufiger in Wortbeiträgen auf. Es geht um in dritter Generation in Bremen Geborene, Pässe und wie lange die Migrationsgeschichte der Familie für Zählungen wichtig bleibt.
Aus den beginnenden 1970er-Jahren zeigen die Veranstalter ein Video einer Gewerbeschau auf der Gröpelinger Heerstraße. Die anwesenden Gröpelinger erkennen Einzelhändler von früher wieder. Einer sogar sich selbst: „Ich war da wohl 16!“. Die Fotos von Geschäften aus der Lindenhofstraße – damals und heute – werden freudig kommentiert und um weitere Informationen ergänzt. Die Gröpelinger aus dem Publikum können Namen und Jahreszahlen beisteuern. Dazu wurden sie von Werquet vom Focke-Museum auch aufgefordert: „Wir müssen mit den Menschen, die hier leben, in einen Dialog treten und ihr Wissen nutzen. Dazu können Sie sehr gerne beitragen.“
Das heutige Gröpelingen bestehe aus einer superdiversen Bevölkerung, sagt die Stadtsoziologin und Kuratorin Vogelsang. „Das ist eine Bevölkerung mit einem hohen Migrationsanteil. Inzwischen besteht diese Superdiversität auch darin, dass türkeistämmige aus der dritten Generation mit einem deutschen Pass neben einem syrischen Geflüchteten mit Aufenthaltstitel leben. Und es ist einer der Stadtteile mit der jüngsten Bevölkerung.“ Auch Vertreter der heute verbreiteteren Einzelhandelsstruktur wurden für die Ausstellung interviewt. Vogelsang sagt: „Der Kiosk spielt heute eine wichtige Rolle. Er ist wie ein kleiner Nahversorgungsbetrieb. Kioske sind auch Treffpunkte.“
Die Ausstellung „Selfmade in Gröpelingen“ soll möglicherweise in die Bremische Vertretung nach Berlin gehen, sagt Vogelsang. Werquet vom Focke-Museum hofft, die Ausstellung in der Innenstadt oder im Focke-Museum zeigen zu können.
Ob Bahnhof, Marktplatz, Weserstadion oder Schlachte: Das Bremer Stadtbild hat sich im Laufe der Zeit erheblich verändert. Wir berichten über vergessene Bauten, alte Geschichten und historische Ereignisse.
Welcher Verein wann in Bremen oder der Region spielt und wie die Begegnung ausgegangen ist, erfahren Sie in unserem Tabellenbereich. Auch die Ergebnisse der Spiele der höheren Ligen finden Sie dort.
job4u ist die regionale Plattform, wenn es um Lehren und Lernen geht. Neben dem WESER-KURIER, der Handelskammer und der Handwerkskammer Bremen machen sich hiesige Firmen für junge Leute stark.