
Weidedamm. Seit mehr als 50 Jahren steht sie unbeweglich da, ein liebenswert nostalgisches Relikt der Vergangenheit. Doch nun macht die historische Jan-Reiners-Lok ihren Hütern immer mehr Sorgen. Trotz regelmäßiger Pflege hat der Zahn der Zeit unübersehbar an dem guten Stück genagt. Die Alterserscheinungen sind beileibe nicht nur optisch unschön, erklären Birgit Busch und Otto Bremicker aus dem Vorstand des Findorffer Bürgervereins. Wenn es so weitergeht, könne der Verein Sicherheit und Standfestigkeit nicht mehr garantieren. Nun gibt es nur zwei Optionen. Erstens: Die alte Dampflokomotive wird aufwendig saniert. Die andere mögen sich die Findorffer gar nicht vorstellen.
„Man kann der Lok jetzt beim Rosten zusehen“, sagt Otto Bremicker und zeigt stirnrunzelnd auf die maroden Stellen. Vor allem in den vergangenen beiden Wintern habe das Material zusehends gelitten, erzählt der zweite Vorsitzende des Bürgervereins. Nun sei der Handlungsbedarf zwingend. Die letzte aufwendige Generalüberholung ist fast dreißig Jahre her. Ein erstes Angebot für eine fachgerechte Sanierung hat sich der Verein bereits eingeholt. Die geschätzten Kosten belaufen sich auf 36 000 Euro. „Wir können das nicht alleine leisten“, erklärt die Vereinsvorsitzende Birgit Busch. In den kommenden Monaten muss der Verein daher mit Hochdruck auf Sponsorensuche für den Rettungseinsatz gehen.
Findorff und die Jan-Reiners-Lok: Das ist die Geschichte einer 118-jährigen Beziehung. Zwischen 1900 und 1952 dampfte die Kleinbahn pfeifend und fauchend durch den Stadtteil, verband den Parkbahnhof auf der Bürgerweide mit den Moorgemeinden. Bis dahin waren die Verbindungswege mangelhaft bis nicht existent. Außer einigen holprigen Landstraßen gab es nur den Wasserweg über Hamme, Lesum, Wümme und Torfkanal. Was vorher nahezu eine Tagesreise war, verkürzte die Kleinbahn mit ihrer Höchstgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern – oder 500 Metern in der Minute, wie die Originalplakette neben dem Führerhaus stolz verkündet – auf gerade einmal ein bis zwei Stunden. Die Einrichtung der Kleinbahnstrecke hatte Johann Reiners, der Vorsitzende des Landwirtschaftlichen Vereins Lilienthal. Ihm zu Ehren wurde die Bimmelbahn im Volksmund daher zur „Jan Reiners“-Bahn.
Die Kleinbahn lieferte Kunstdünger, Kohle und Baumaterial in die eine Richtung, und kam mit Torf, Getreide und anderen landwirtschaftlichen Produkten zurück. In den Hungerjahren nach den beiden Weltkriegen wurden Hamstertouren mit dem Moorexpress für viele Bremerinnen und Bremer überlebenswichtig. Doch mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, dem Rückgang des Hamsterverkehrs und der zunehmenden Bedeutung anderer Verkehrsmittel wie Pkw, Lkw und Omnibus fiel die wirtschaftliche Grundlage weg. Die Zahl der Passagiere und der Transportgüter schrumpfte, die Bahn wurde zum Zuschussbetrieb und war auch den Findorffern irgendwann ziemlich lästig. 1952 stand „Jan Reiners“ kurz vor dem Konkurs und die Bahngesellschaft entschloss sich zur Stilllegung.
Insgesamt waren es fünf Lokomotiven, die Personen-, Pack- und Güterwaggons 50 Jahre lang nach Tarmstedt und wieder zurück gezogen hatten, und die nun ausrangiert wurden. Nur Lok Nr. 1, Baujahr 1899, verließ Findorff nie wieder. In der Armaturenfabrik von Gustav F. Gerdts – heute Gestra – tat sie als Dampfmaschine zum Manometerprüfen ein paar Jahre lang guten Dienst. Danach überließ das Findorffer Unternehmen die historische Lok dem Bürgerverein, der sie auf dem früheren Standort des Hemmstraßen-Bahnhofs aufstellte. Die regelmäßige Reinigung, Pflege und Wartung – inklusive kleinerer Schweißarbeiten und neuer Farbanstriche – übernehmen seither ehrenamtlich und kostenlos Mitglieder des Findorffer Bürgervereins.
„Wir hoffen, dass ganz Findorff dazu beiträgt, dass uns die Jan-Reiners-Lok erhalten bleibt“, sagt Birgit Busch. Konkret stellt sich der Bürgerverein die Finanzierung folgendermaßen vor: Rund ein Drittel könne aus Vereinsmitteln getragen werden. Außerdem setzt der Verein auf die Unterstützung des Findorffer Beirats. Der Rest müsse durch Spenden von Privatleuten und Unternehmen aufgebracht werden. „Wie haben dafür bereits 500 Findorffer Firmen angeschrieben“, erzählt die Vorsitzende. „Unsere Mitglieder haben die Briefe persönlich in den Briefkästen verteilt, um Porto zu sparen.“ Der Verein hoffe vor allem auf das Engagement lokaler Geschäftsleute. „Schließlich gibt es darunter ja einige, die mit der Lok oder dem Namen Jan Reiners im Firmenlogo werben“, so Busch. Aber auch private Spenden sowie Sammelaktionen etwa von Kindergärten und Schulen seien sehr willkommen.
Der Deutsche Eisenbahn-Verein habe dem Bürgerverein nach einer Inspektion vor Ort bereits signalisiert, dass er sich den Transport und die Sanierung der Lok zutraue. „Der Kontakt war ein schöner Zufall, denn der Vereinsvorsitzende ist ein Findorffer“, erklärt Birgit Busch. Die erfahrenen Eisenbahn-Spezialisten, die die Museumseisenbahn in Bruchhausen-Vilsen betreiben, verfügen über das technische Know-How und eine geeignete Werkstatt, weiß Otto Bremicker. Für den Fall, dass die Findorffer das Geld nicht aufbringen können, haben die Niedersachsen bereits angeboten, die Lok zu übernehmen, zu restaurieren, fahrtüchtig zu machen - und auf der eigenen Trasse in Betrieb zu nehmen. Doch der Bürgerverein hofft, dass sich die Findorffer ihr Wahrzeichen nicht nehmen lassen.
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