
Die Schlachthofkneipe segelt unter neuer Flagge. Mit Jahresbeginn haben Stefan Gräfe, Björn Ladehoff und Matthias Mecking die Brücke des altehrwürdigen Gastro-Schiffs auf der Bürgerweide übernommen. Die drei Kapitäne können sich genügend Zeit zum Auftakeln nehmen. Im April – so hoffen alle Beteiligten – soll das Lugger Fahrt aufnehmen. Der neue Name ist Programm: Das maritime Flair soll sich sowohl im Ambiente als auch auf der Speisekarte wiederfinden. Bewusst hat das Pächtertrio damit den metaphorischen Anker in Richtung Findorff ausgeworfen. Lugger ist die Bezeichnung für einen speziellen Segeltyp, der auch für die traditionellen Torfkähne typisch ist.
Zurzeit ist der Gastraum komplett leer geräumt. Auf dem Boden liegt Malervlies, auf dem Gerüst an der Stirnseite des Restaurants turnt Olaf Kock herum: Die neuen Betreiber haben den Künstlerfreund aus den Pusdorf-Studios mit einer großen Wandinstallation beauftragt. Links neben der noch turmlosen Schlachthof-Silhouette wird als nächstes ein überdimensionaler Krake auftauchen, erklärt der Künstler. Das Motiv kommt nicht von ungefähr. Der Krake ist das Wappentier des Vereins Kulturkraken, der unter anderem den alternativen Weihnachtsmarkt „Lichter der Neustadt“ organisiert und zu dessen Gründungsmitgliedern Stefan „Kimbo“ Gräfe gehört.
Auch die übrigen Wände sollen nicht nackt bleiben: Sie sollen als Galerie für Wechselausstellungen lokaler Künstler dienen. Die Kunst – und den gesamten Raum mit seinen zwei Ebenen – mit einem neuen Beleuchtungskonzept besser in Szene zu setzen, war „Buddle“ Ladehoff besonders wichtig, erzählt er. Unverkennbar maritim müsse man sich auch die Einrichtung vorstellen, erklärt Ladehoff – zum Beispiel mit Theke und Tischplatten im Schiffsplanken-Design. Die Aufträge für die Sonderanfertigungen gingen an die Werkstätten befreundeter Handwerker.
Völlig neu gestaltet und eingerichtet wird auch das Außengelände. Als Raumplaner und Designer haben die Betreiber mit Immo Wischhusen alias Flowin’ Immo einen weiteren guten Bekannten engagiert. Der Bremer Musiker und Organisator des sommerlichen Kultur-Treffpunkts „Die komplette Palette“ am Hemelinger Weserstrand hat sich für den „Bierhaven“ eine gesellige Aufteilung mit so genannten „Hafenbecken“ – U-förmigen Sitzgruppen – ausgedacht. Dort können sich die Betreiber Frühschoppen, Auftritte wechselnder DJs oder auch eine Märchen-Jurte für Kinder vorstellen.
Kulinarisch darf das maritime Thema im weitesten Sinne verstanden werden. „Ein Fischrestaurant werden wir nicht“, betont Gräfe. Vielmehr werde die Küche im Jahresverlauf diverse internationale Häfen ansteuern, deren Gerichte und Weine dann Abwechslung auf die Speisekarte bringen. „Raffiniert, nachhaltig und bodenständig“ lautet das Kommando der Brücke an die Kombüse. Dafür sollen die Zutaten möglichst aus der Region kommen und am liebsten bei kleinen Produzenten bezogen, auf Fertigware verzichtet, und auf vegetarische und vegane Alternativen geachtet werden. „Der ökologische Fußabdruck ist uns wichtig“ sagt Gräfe.
Der 45-jährige Restaurantleiter bringt fast 20 Jahre Berufserfahrung und viele Kontakte aus der bremischen Gastro-Szene mit: Seine früheren Stationen waren das Fehrfeld im Bremer Viertel, das Papp in der Neustadt und zuletzt das Café Sylvette in der Bremer Kunsthalle. Seine beiden Kompagnons stammen aus beruflich ganz anderen Gefilden und werden im Hintergrund wirken. Dafür steuern sie betriebswirtschaftliche und technische Kompetenzen bei. „Madde“ Mecking – Gräfes Schulfreund aus Bremerhavener Kindertagen – leitet seit einiger Zeit ein mittelständisches Unternehmen. Ladehoff ist Meister der Veranstaltungstechnik mit Berufsjahren in Südafrika. Bereits seit vielen Jahren spielten die drei Freunde mit dem Gedanken, gemeinsam ein Lokal zu betreiben, erzählt er.
Der Pächterwechsel hat eine längere Vorgeschichte. Seit 2014 hatte das Team um Geschäftsführer Oliver Trey die Schlachthofkneipe betrieben und in dieser Zeit unter anderem Veranstaltungen wie Findorffer Winterdorf oder Open-Air-Kino und Fußballübertragungen in der Arena eingeführt. Im Januar 2020 war bekannt geworden, dass der Vorstand des Kulturzentrums Schlachthof die Zusammenarbeit nicht über das Vertragsende hinaus fortführen wollte.
Die nachweisliche Affinität zur Stadtkultur und die gute Vernetzung in der Bremer Szene dürften Gründe dafür sein, dass der Vorstand des Kulturzentrums sich für die Lugger-Crew und ihr Konzept entschieden hat, vermutet Gräfe. Der Name Lugger sei Zeichen für den Neuanfang, und stehe auch für die enge Verbundenheit mit Findorff, erklärt Gräfe, der im Stadtteil zu Hause ist und sich als „begeisterter Findorffer“ fühlt. Überall zittern Gastronomen und ihre Gäste, ob ihre Restaurants, Kneipen und Bars die monatelange Schließung überstehen können. Ein bisschen verrückt ist es wahrscheinlich schon: So etwas zu wagen, mitten im Lockdown, von dem niemand ganz genau weiß, wann er nun enden wird, sagt Gräfe.
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