
Wenn es am 6. Dezember langsam dunkel wird, steht eine bei Kindern besonders beliebte Bremer Tradition an. Weihnachtlich verkleidet ziehen sie durch die Straßen und geben ein Gedicht oder Lied zum Besten. Wichtigstes Utensil: ein großer Beutel, in dem sie ihre süßen Belohnungen sammeln. „Bei einem Nachbarn gab es im Gartenhaus sogar heißen Kakao am Lagerfeuer für uns Kinder“, erzählt Elena Friedrich, die in Burgdamm aufwuchs. Die 26-Jährige verbindet viele schöne Erinnerungen mit dem Nikolauslaufen. „Wir haben uns richtig vorbereitet, verkleidet und Gedichte eingeübt. Später habe ich auf der Querflöte Weihnachtslieder gespielt und meine Freundinnen haben dazu gesungen.“ Geklingelt wurde vor allem in der Nachbarschaft. „Früher ging man von Haus zu Haus und nicht von Laden zu Laden. Alles war viel persönlicher. Heute werden oft direkt die großen Einkaufszentren angesteuert. Die Kinder stehen in einer Schlange, sagen kurz ihr Gedicht auf und kassieren eine Süßigkeit.“
Elena Friedrich findet es schade, dass sich der Bremer Brauch so kommerziell entwickelt hat. Gemeinsam mit Sarah Bade-Przesang hat sie deshalb eine Aktion ins Leben gerufen, um dem Nikolauslaufen wieder eine persönliche Note zu geben und die Menschen in den Kontakt zu bringen. „Wir möchten mehr Bewusstsein für die Tradition schaffen“, erklärt Sarah Bade-Przesang, die den Brauch erst von ihren Schülern der Integrierten Gesamtschule (IGS) Oyten kennenlernte. „Ich bin in Heidenau, in der Nähe von Hamburg, aufgewachsen. Da gibt es am Pfingstsonntag etwas Ähnliches, das sich Pingstbüdel nennt.“ Das Nikolauslaufen sei eine echte Bremer Besonderheit, betont Friedrich, das es so in keiner anderen Region Deutschlands gebe. Manche kennen es auch noch unter dem plattdeutschen Begriff „Sunnerklauslaufen“.
Namensgeber für den Bremer Brauch ist der heilige Nikolaus von Myra. Der griechische Bischof lebte im vierten Jahrhundert und war für seine Großzügigkeit und Menschenfreundlichkeit bekannt. Er gilt außerdem als Schutzpatron der Seeleute, Kaufmänner und vor allem der Kinder. Das Nikolauslaufen, so vermutet man, geht auf die Bischofsspiele der Dom- und Klosterschüler zurück. An besonderen Tagen wurde einer von ihnen zum Kinderbischof gewählt. Gemeinsam zogen die Kinder dann durch die Nachbarschaft und erhielten Essen und kleine Geschenke.
Heute ist das Nikolauslaufen in Bremen eine lebendige Tradition. Auch wenn die meist nicht so abläuft, wie es sich Friedrich und Bade-Przesang wünschen würden. „In den Internetforen fragen Eltern direkt nach, wo es sich lohnt, hinzugehen. Viele Geschäftsleute sind genervt von dem Andrang und ein persönlicher Austausch findet nicht mehr statt“, fasst Elena Friedrich zusammen und ihre Mitstreiterin fügt hinzu: „Es geht doch nicht darum, etwas zu bekommen, sondern darum, etwas zu geben und anderen eine Freude zu machen.“
Zusammen haben die Findorfferinnen eine Facebook-Seite gestaltet, auf der sie Gedichte und Lieder posten, Tipps für Verkleidungen und Bastelideen verraten oder Keksrezepte austauschen. Hauptsache abseits von Klischees und Standard, wie die beiden augenzwinkernd betonen. So finden Kreative hier auch eine Nähanleitung für einen Nikolausbeutel und ältere Semester erzählen davon, wie sie selbst früher von Haus zu Haus gelaufen sind. Außerdem haben die zwei einen Flyer mit ein paar Infos und Notfallgedichten angefertigt, den man herunterladen kann. „Unser Flyer richtet sich zum einen an die Kinder und Eltern, zum anderen aber auch an Geschäftsleute und vor allem an die Nachbarn“, erklärt Friedrich. „Wir haben uns überlegt, wie Privatpersonen sichtbar machen können, dass sie sich am Nikolauslaufen beteiligen. Den Flyer können sie an die Haustür oder ein Fenster kleben, sodass die Kinder wissen, dass sie hier willkommen sind und klingeln dürfen.“
Auch in Geschäften soll das Hilfsmittel zum Einsatz kommen. Marco Schöling von „Fairtauschen“ in der Münchner Straße in Findorff war einer der ersten, der den Flyer aufgehängt hat. „Das Nikolauslaufen ist in den vergangenen Jahren immer mehr zum Kommerz verkommen. Die Kinder grasen einen Laden nach dem anderen ab“, sagt Schöling. „Die Idee, den mitmenschlichen Kontakt wieder mehr in den Vordergrund zu rücken, finde ich gut. Ich würde mich freuen, wenn die Kinder einfach Spaß am Nikolaustreiben und nicht am Einsammeln von Süßigkeiten haben.“
Die beiden Initiatorinnen erwarten mit Spannung den 6. Dezember. „Wir hoffen, dass die kleinen und großen Menschen ins Gespräch kommen und sich vielleicht auch über den Nikolaus hinaus besser kennenlernen“, sagt Sarah Bade-Przesang. Elena Friedrich wird mit Nachbarn bei Kinderpunsch und Glühwein vor der Tür ihres Mehrfamilienhauses auf die kleinen Engel und Santas warten. Und vielleicht ist ja das eine oder andere Gedicht darunter, dass sie selbst noch gar nicht kennt.
Jede Menge Tipps und den Flyer gibt es auf facebook.com/bremernikolaus.
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