
Schwachhausen. Neinsagen. Sich dagegen stellen. Nicht immer bringen die Menschen in entscheidenden Situation den Mut dazu auf und zeigen Zivilcourage. Diether Koch, Jahrgang 1929, hatte diesen Mut. Seine Autobiografie "Auf der Suche nach Verständigung und Frieden" wurde jetzt im Forum Kirche an der Hollerallee vorgestellt. Der ehemalige Pädagoge und Historiker aus Schwachhausen schrieb unter anderem eine Biografie über Gustav Heinemann und setzte sich jahrzehntelang gegen die Militarisierung und für den Frieden ein.
Drei kleine Episoden aus seinem Leben hatte er ausgewählt, um sie an diesem Abend vorzutragen. Episoden, die nicht nur Zeugnis von seinem Leben, sondern auch von bremischer und deutscher Geschichte ablegen.
Den Entschluss, die eigenen Erinnerungen aufzuzeichnen, fasste der Zeithistoriker nach einer schweren Krankheit. Diether Koch: "Ich hatte eine Herz-OP und zwei Schlaganfälle und hatte mir während der Reha Gedanken gemacht, dass ich, wenn ich meine Sinne wieder zusammen- habe, meine Erinnerungen aufschreiben möchte." Nun ist es so, dass vieles in Vergessenheit gerät, oder im Rückblick anders wahrgenommen wird. Gut nur, dass Diether Koch ein fleißiger Sammler ist. "Ich musste mich nicht alleine auf mein Gedächtnis verlassen, sondern habe gesammelt, was ich gesagt, geschrieben, gedacht und gefühlt habe." Darunter viele Briefe, unter anderem aus seiner Jugendzeit.
Einer dieser Briefe ist Teil einer frühen Episode aus Diether Kochs Leben gewesen. Die Authentizität dieses Briefes, die Gedanken eines Jugendlichen, der sich mit seinen Eltern und seiner Großmutter austauscht, lässt die Ereignisse in den letzten Wochen des Zweiten Weltkriegs bedrückend nah erscheinen. Gleichzeitig versprühen sie aber auch etwas Tröstliches und Hoffnung: Es ist möglich "Nein!" zu sagen und sich gegen ein verbrecherisches Regime zu stellen.
"Es war im März 1945 und der Jahrgang 1929 sollte zur Waffen-SS eingezogen werden", sagt Diether Koch. Die Jungen sollten zu einer "freiwilligen" Meldung zum Volkssturm gezwungen werden. Eindrücklich schildert der damals sechzehnjährige Diether Koch in dem Brief an seine Großmutter, wie perfide der Bannführer vorgegangen ist, um die Jungen dazu zu bringen, sich freiwillig für die Waffen-SS zu melden. Diether Koch und ein anderer Junge waren die einzigen, die sich nicht in irgendeiner Form beim Appell im Bannausbildungslager beim Bannführer kriegsfreiwillig gemeldet hatten. "Nun schnob er vor Wut. Er sagte, wir wären die ersten, auf die die anderen nachher mal schießen müssten." Ein Hinweis, dass der Vater es nicht wolle und er zurückgestellt sei, genügte, um der Waffen-SS zu entrinnnen. "Ich sagte natürlich auch als wir aufgeschrieben wurden: Nein, wie ich es versprochen habe", schrieb er in seinem Brief. Die anderen Jungs dagegen wurden für den Einsatz registriert. Sein Fazit: "Die Stimmung war nicht begeistert, es erkannten alle, dass sie erpresst wurden."
Diether Kochs Erinnerungen sind gewissermaßen auch die Erinnergung seiner Frau Käte Koch. "Ein Großteil des Buches habe ich miterlebt." Dreimal hätte sie das Buch Korrektur gelesen. "Und dabei habe ich gedacht, was hätte ich verpasst, wenn ich nicht Gustav Heinemann gewählt hätte." Zur Erklärung: In den fünfziger Jahren trafen sich die beiden späteren Eheleute bei einer Studienseminarfahrt in den Teuteburger Wald und entdeckten, dass sie beide Gustav Heinemann gewählt hatten. Aber auch der Glaube bereitete den Weg für eine langjährige Beziehung. "Wir waren gemeinsam auf Langerooge und kamen auf das Thema Tischgebet und fanden es beide wichtig und nötig. Gustav Heinemann und Tischgebet – damit waren die Weichen gestellt", sagt sie mit einem Augenzwinkern.
Diether Koch arbeitete nach seiner Lehrerausbildung als Lehrer am Gymnasium am Barkhof. Es waren die Sechzigerjahre: Vietnamkrieg, Kalter Krieg – weltpolitische Themen, die damals die Bremer Schülerschaft bewegten. All das erlebte Koch als Lehrer. Es sei nicht einfach für ihn gewesen, zwischen Kollegium und Schülerschaft die eigene Glaubwürdigkeit zu behalten. Letztlich bekannte er sich zu seiner Glaubensüberzeugung. Dies betonte auch sein Verleger Helmut Donat in der Laudatio: "Sie haben sich die Utopie des Friedens zu Ihrer Angelegenheit gemacht, aber Sie waren kein Phantast und sie haben etwas, was vielen mangelt: Zivilcourage!"
Diether Koch:"Auf der Suche nach Verständigung und Frieden – Erinnerung eines politischen Christen. 384 Seiten, 55 Abbildungen, 19,80 Euro, Donat-Verlag.
Das Neinsagen ist ihm wichtig
Lehrer Diether Koch aus Schwachhausen hat seine Erinnerungen gesammelt und sie zu einem Buch verarbeitet
Zitat:
"Gustav Heinemann und
Tischgebet – damit waren
die Weichen gestellt."
Ehefrau Käte Koch
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