
Es gab eine Zeit, da schrieb man sich noch Briefe. Man nahm sich Zeit, viel Zeit, um seine Gedanken zu ordnen und dann mit Feder und Tinte zu Papier zu bringen. Man mailte nicht mit Kürzeln gespickte Kurzmitteilungen an den Adressaten, man schrieb ausführlich, formulierte sorgfältig und bediente sich einer allgemein verständlichen Sprache.
Briefwechsel besaßen eine literarische Qualität. Sie gehören seit dem 16. Jahrhundert zu den intimsten Zeugnissen bürgerlicher Kultur. Und so bemerkt auch Goethe, der sich jahrelang mit Charlotte von Stein schrieb, es sei ein „großes Glück, wenn man korrespondiert.“ Eigentlich sind Briefe nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Es sind verschriftete Denkmale einzelner Menschen, in denen sie ihre Wünsche offenlegen und ihre Gedanken ausbreiten. Briefe werfen ein bezeichnendes Licht sowohl auf die Schreiber und ihr Leben als auch auf die Adressaten. Zugleich spiegeln sie die gesellschaftlichen Verhältnisse der jeweiligen Zeit wider.
Und gerade deshalb sind sie für uns interessant. 17 Jahre lang schrieben sich die beiden Worpsweder Maler Otto Modersohn (1865-1943) und Fritz Overbeck (1869-1909) Briefe. Von 1892 an bis zum überraschenden Tod Overbecks im Jahre 1909 tauschten sich die Freunde aus, berichteten über ihre künstlerischen Vorstellungen und Bildmotive, über persönliche Schicksalsschläge und Glücksmomente. Diese mehr als 100 Briefe haben die Enkelinnen der Maler, Antje Modersohn und Gertrud Overbeck, gemeinsam mit der Leiterin des Overbeck-Museums, Katja Pourshirazi, jüngst in einem Buch veröffentlicht.
Am Donnerstagabend sollte Lorenz Meyboden im Overbeck-Museum Auszüge aus diesem Briefwechsel lesen. Er musste aber krankheitsbedingt absagen, und so sprang Katja Pourshirazi kurzfristig ein. Eingestimmt wurden die Gäste der gut besuchten Veranstaltung durch das Violoncello-Duo Ralph und Angelica Jerzewski, das die Lesung mit zeitgenössischen Kompositionen aus ihrem Programm „Zwiesprache“ untermalte.
Der Briefwechsel zwischen Modersohn und Overbeck begann 1892, als beide noch an der Düsseldorfer Kunstakademie Landschaftsmalerei studierten, mit dem staubigen Akademiebetrieb aber höchst unzufrieden waren und Worpswede als Malerparadies entdeckten. Studentischer Übermut blitzt aus Overbecks Brief, der den Freund mit Lutherscher Bibelsprache im „Hoffnungsort Worpswede“ erwartet. Gefühlsschwanger schwärmt er von der „zauberhaften Worpsweder Luft“, während Modersohn sich in Berlin aufhält, einer „Wüste aus Ziegelsteinen und Zeitungen“.
Ihr Gedankenaustausch zeigt, dass beide Künstler nach Frische und Unmittelbarkeit in der Malerei und der Darstellung der Naturkräfte streben. Sie lieben Menschen mit einem einfachen, ungekünstelten Wesen. Und beide versichern sich immer wieder ihrer tiefen Freundschaft. Zuweilen sprudelt ihre Lebensfreude über in lustigen Knittelversen. Und Overbeck rügt wiederholt die unleserliche Klaue seines Briefpartners. Während seines einjährigen Militärdienstes in Bückeburg (1894) sehnt Fritz Overbeck das Ende dieses „öden Lebens“ herbei: „Gnade Gott der Farbe und Leinwand, die mir dann in die Hände fallen.“ In der Korrespondenz spiegeln sich auch Aufblühen und Niedergang der Worpsweder Künstlerkolonie wider. Otto Modersohn berichtet angewidert von Hans am Endes „charakterlos geschwätziger Art“ und Fritz Mackensens Unzuverlässigkeit. Und als zwei „bayrische Bierphilister“ die stille Atmosphäre des Künstlerdorfes stören, fordert Overbeck den Freund auf, endlich einmal rücksichtslos zu sein und das „hereingeplatzte Künstlerproletariat“ hinauszuekeln. Wenig später verlässt er die als „Zwangsjacke“ empfundene Künstlervereinigung auf dem Weyerberg. 1899 löst sich die Künstlergemeinschaft auf. Auch als sich ein größerer Erfolg der beiden Malerfreunde durch Ausstellungen im Münchner Glaspalast einstellt, setzen sie sich selbstkritisch mit ihrer Kunst auseinander, um ihren Idealen noch näher zu kommen. Zugleich warnt Overbeck den Freund, sich nicht unter Wert zu verkaufen und rät ihm zu einer „klügeren Preisgestaltung“. 1898 gesteht er Modersohn, eine Zeit lang neidisch auf dessen Erfolg gewesen zu sein. Ein „hässliches Gefühl“, gibt er im Nachhinein zu.
Nach einer Zeit der Entfremdung nehmen die Briefe wieder einen unbefangenen Ton an. Die Korrespondenz bricht abrupt ab, als Overbeck 1909 einem Schlaganfall erliegt. Die Zuhörer im Overbeck-Museum zeigten sich tief beeindruckt von den ehrlichen Lebenszeugnissen.
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