
Die beiden Wirtschaftsstrafkammern am Landgericht Bremen haben genug zu tun: 22 Verfahren sind anhängig, die ältesten seit 2011. Im vergangenen Jahr wurde neben zwei umfangreichen Verfahren, die seit 2016 verhandelt werden, ein weiterer Prozess eröffnet und beendet. Das geht aus einer Antwort des Senats auf eine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsfraktion hervor. Deren Reaktion: „Wenn der Justizsenator den funktionierenden Rechtsstaat nicht weiter ad absurdum führen will, dann muss er endlich entschlossen handeln“, so Oğuzhan Yazici, justizpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion.
Als ein Grund für die Zahl der anhängigen Verfahren gilt, dass die Richter der Wirtschaftsstrafkammern auch andere Fälle verhandeln müssen, wenn die sonstigen Strafkammern ihre Anzahl nicht alleine bewältigen können, insbesondere Haftsachen. Für sie gilt laut Bundesverfassungsgericht „im besonderen Maße ein Beschleunigungsgebot“, um Menschen nicht ungerechtfertigt länger als unbedingt nötig die Freiheit zu entziehen.
Die Anzahl solcher Haftsachen ist in Bremen gestiegen: Für 2017 bilanziert Karen Buse, die als Präsidentin des Oberlandesgerichts auch für das Landgericht zuständig ist, 97 Haftsachen, im Jahr zuvor waren es 72. Im Januar 2018 lagen bereits zehn Fälle vor. Die Verfahrenseingänge beim Landgericht insgesamt seien ebenfalls angewachsen, so Helmut Kellermann, Richter und Sprecher des Landgerichts, von knapp 130 vor zehn Jahren auf 235 im Jahr 2017. Wenn sich diese Entwicklung manifestiere, „wird es ausgesprochen schwierig, dieses Pensum überhaupt zu bewältigen, dafür Kammern zu bilden und Räume bereitzustellen. Das brennt uns auf den Nägeln.“
Tatsächlich sei die Situation an den Wirtschaftsstrafkammern derzeit auffällig, räumt Karen Buse ein. Bis etwa 2011 hätten die Kammern die Eingänge bewältigen können. Doch Wirtschaftsstrafsachen seien oft besonders aufwendig – für den Prozess gegen Verantwortliche der Reederei Beluga war eine der beiden Kammern monatelang von allen anderen Aufgaben entbunden worden; er erstreckt sich inklusive der Vorbereitungen der Kammer bald über vier Jahre. Ihr sei noch keine Wirtschaftsstrafsache bekannt, bei der die Verjährungsfrist überschritten worden sei, so Karen Buse.
Damit müsse man aber über kurz oder lang rechnen, wenn sich personell nichts tue, prophezeit Christdemokrat Yazici. „Es ist zudem ein fatales Signal, wenn Wirtschaftskriminalität in Bremen Tür und Tor geöffnet werden, weil faktisch die Strafsachen jahrelang in der Warteschleife bleiben. Der Senat riskiert mit dieser Laissez-faire-Haltung auch, dass erheblich Einnahmen für den Haushalt verloren gehen, zum Beispiel durch Vermögensabschöpfung.“ Das Landgerichtspräsidium werde sich in Zukunft bemühen, die Wirtschaftsstrafkammern von anderen Fällen freizustellen, sagt Kellermann. „Das hat für uns hohe Priorität.“ Allerdings müssten die Umstände das auch zulassen. „Sobald zwei, drei Haftsachen größeren Kalibers auf dem Tisch liegen, wird es schwierig.“
Nicht nur in Bremen klagen Wirtschaftsstrafkammern über viele Altfälle. An Landgerichten in anderen Bundesländern, wie beispielsweise in Hamburg, zeigt sich ein ähnliches Bild. Das Land Niedersachsen hat unlängst beschlossen, in den nächsten fünf Jahren 250 neue Richter und Staatsanwälte einzustellen. In Bremen wurden die Strafkammern ebenfalls personell aufgestockt, auch durch Versetzungen von Richtern von Zivilkammern. Von 2015 bis 2017 kamen laut Sebastian Schulenberg, Sprecher des Justizressorts, 8,69 weitere Richter und drei neue Strafkammern hinzu.
Für Andreas Helberg, Vorsitzender des Bremischen Richterbunds, reicht das nicht. Die Lage der Wirtschaftsstrafkammern sei „eine Verengung der Probleme, die wir insgesamt in der Justiz in Bremen haben. Wir haben strukturelle Probleme in allen Bereichen und hecheln der Entwicklung weiter hinterher“. Bewältigt werden könne sie nur, „wenn man zügig personell nachsteuert“.
Die SPD ist grundsätzlich bereit, über weitere Richterstellen zu reden. „Wirtschaftsstrafsachen sind keine Kavaliersdelikte. Sie betreffen das gesamte Gemeinwesen. Deshalb ist diese Situation nicht hinnehmbar“, sagt Sascha Aulepp, rechtspolitische Sprecherin und Vorsitzende des Rechtsausschusses. Eine „externe Beratung“ analysiere derzeit die Strukturen des Landgerichts. Komme die Expertise zu dem Urteil, dass die Zahl der Richter den Anforderungen nicht gerecht werde, „werden wir ganz klar nachsteuern müssen“.
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