Eine Jobbörse für Menschen mit geistiger Behinderung, die bei der Vermittlung in normale Jobs hilft und zudem bei den ersten Schritten in der neuen Firma begleitet. Ein Verleih von technischen Hilfsmitteln, die schwerhörigen Menschen ermöglichen, einer Konferenz zu folgen. Kleine Chips, die Sehbehinderten in den Fluren einer Behörde helfen, das richtige Büro zu finden. Studierende der Universität Bremen haben Ideen für Dienstleistungen entwickelt, die es leichter machen sollen, dass Menschen mit Behinderung in normalen Unternehmen arbeiten.
Was sie dabei in nur drei Tagen an konkreten Ideen entwickelt haben, ließ auch die Fachleute staunen, denen sie am Ende ihre Vorschläge vorstellten: Entstanden waren Präsentationen mit stimmigem Firmenlogo, Geschäftsmodell, Zielgruppe und Finanzierungsquellen. Spannende Beispiele für Angebote, die ein Bedürfnis erfüllen könnten, das sehr viele Menschen haben.
Im Rahmen des Blockseminars hatten Studierende verschiedener Fachrichtungen zuvor in sechs Arbeitsgruppen das Themenfeld „Inklusion in der Arbeitswelt“ beackert. Angehende Wirtschaftswissenschaftler, Soziologen und Gesundheitswissenschaftler entwickelten gemeinsam Ideen. Dabei bekamen sie Input von Experten und Praktikern: Fachleute aus der Inklusion berichteten von den größten Baustellen in diesem Bereich. Vertreter von Unternehmen, die gezielt mit behinderten Arbeitnehmern zusammenarbeiten, erzählten von ihren Erfahrungen. Dazu gehörten zum Beispiel der Geschäftsführer von Discovering Hands – eine Organisation, die Sehbehinderte und Blinde ausbildet, ihren Tastsinn zur Brustkrebsvorsorge zu schulen und eine Mitarbeiterin der Firma Auticon, die autistische Mitarbeiter als IT-Experten beschäftigt.
Firmen kalkulieren Strafzahlungen mit ein
Inklusion in der Arbeitswelt ist eine Großbaustelle: Die meisten Firmen kalkulieren lieber Strafzahlungen mit ein, als die vorgeschriebene Behindertenquote einzuhalten. In Bremen ergibt sich die paradoxe Situation, dass zwar die große Mehrheit der behinderten Jugendlichen eine normale Schule besuchen, danach aber die allermeisten in einer Behindertenwerkstatt und nicht in einer normalen Firma arbeiten. „Menschen mit geistiger Beeinträchtigung haben bei der Berufswahl meist keine Wahlfreiheit“, sagt auch BWL-Studentin Hannah Jans. „Das wollen wir ändern.“ Derzeit arbeiten bundesweit rund 300.000 behinderte Menschen in Werkstätten, ergänzt ihre Kommilitonin.
Zwei Einrichtungen hatten die Idee für das besondere Blockseminar an der Uni zusammen entwickelt: Die Hilfswerft als ein Bremer Start-up, das Unternehmertum mit sozialem Handeln verknüpfen will, und das Amt für Versorgung und Integration (AVIB), das Anlaufstelle für Menschen mit Behinderung bei der Sozialbehörde ist. „Wir wollen die Inklusion im Arbeitsleben verstärken, über alle möglichen Kanäle“, sagt David Geduldig, Leiter des AVIB. „Wenn Gründer beim Aufbau einer neuen Firma von Anfang an mitdenken, wie man Menschen mit Beeinträchtigung einbeziehen kann, dann ist das Inklusion, wie wir sie uns vorstellen.“ Die Hilfswerft-Gründer gaben praktische Tipps, was man beachten sollte, damit eine Firma nicht nur von Spenden und Fördermitteln lebt, sondern dauerhaft genügend zahlende Kunden hat.
Wenn man behinderte Menschen als Zielgruppe in den Blick nimmt, so wie es nun die Studierenden getan haben, dann scheint es noch große Marktlücken zu geben. „Wir wollen einen Verleih von technischen Geräten gründen, die helfen, einer Konferenz oder einem Vortrag zu folgen“, sagt zum Beispiel Soziologiestudentin Nadja Willy, die selbst schwerhörig ist, und sich als Betroffene und Expertin äußerte. „Viele solcher Geräte kosten 2000 Euro, doch Menschen mit Beeinträchtigung haben oft nicht viel Geld zur Verfügung.“ Bedarf gebe es auch für eine App mit Spracherkennung, die Gespräche trotz Nebengeräuschen zuverlässig in Text verwandelt.
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