Anderthalb Stunden. So lange wartet ein Mann auf Nachfrage im Vegesacker Stadtamt. Ungewöhnlich lang ist das nicht. Alltag in einem Amt, das mehr Kunden als Termine hat.
Anderthalb Stunden. Der Mann sagt das so, als könnte er es selbst kaum glauben. Seit anderthalb Stunden steht er mittlerweile im Vegesacker Stadtamt und wartet. Seine Frau nickt. Er hat eine Tüte mit Nummernschildern in der Hand, sie wie zum Protest die Arme vor der Brust verschränkt. Ihre Gesichter sind gerötet. Im Wartebereich des Bürger-Service-Centers ist es so warm, dass sich Frauen und Kinder Luft zufächeln. Rund 80 Menschen sitzen in drei Stuhlreihen oder stehen wie der Mann und die Frau. Alltag in einem Amt, das mehr Kunden als Termine hat.
Vor allem an diesem Vormittag ist es voll. Es ist Montag. Und montags ist der Tag für Spontankunden. Amtsleiterin Marita Wessel-Niepel nennt so die Leute, die unangemeldet kommen. Und davon, sagt sie, gibt es immer mehr. Anders als Mitarbeiter. Ihre Zahl steigt nicht. Deshalb, meint Wessel-Niepel, geschieht es immer öfter, dass Menschen länger warten müssen. Und darum passiert es, dass das Kontingent für Spontankunden – rund 200 Leute können ohne Termin ins Bürger-Service-Center kommen – nach wenigen Stunden ausgereizt ist. Die Amtsleiterin schaut in ihrem Computer nach: An diesem Montag ist die 200er-Marke um halb elf überschritten. Das Amt öffnet um halb acht.
Der Mann mit den Nummernschildern und seine Frau haben es nicht so gemacht, wie es mittlerweile viele machen: vor dem Bürger-Service-Center Schlange stehen, ehe es überhaupt aufmacht. Das Ehepaar, das namentlich nicht genannt werden will, wartet seit kurz nach neun darauf, aufgerufen zu werden. Der Mann schüttelt den Kopf: „Dass man Geduld im Stadtamt haben muss, habe ich ja gewusst – aber gleich so viel Geduld, nur um sein Auto umzumelden, das ist für mich nicht mehr nachvollziehbar.“
Termine gibt es erst in einigen Wochen
Dabei warten andere noch länger. Wie der Mann neben dem Ehepaar. Zwei Stunden, sagt er. So lange ist es her, dass er sich beim Empfang angemeldet hat. Dort, meint der Kunde, hat ihm eine Frau mitgeteilt, etwa 60 Minuten warten zu müssen, wenn er seinen Wagen ummelden will. Der Mann schaut auf die Uhr, dann zum Monitor an der Wand. Ein Signalton ruft gerade den nächsten Kunden auf. Sein Nachbar, ein Autoschlosser im Blaumann, steht auf. Er sagt, dass es heute bei ihm vergleichsweise schnell geht. Schneller als in der vergangenen Woche, als er zweieinhalb Stunden gewartet hatte. An diesem Montag kommt er nach einer halben Stunde dran. Der Mann strahlt.
Die anderen Leute strahlen nicht. Marita Wessel-Niepel sagt, dass sie die Wartezeiten bedauert, aber nicht ändern kann. Nicht mit dem Personal, das sie hat. Fürs Vegesacker Stadtamt kommt sie auf knapp 20 Vollzeitstellen und auf immer mehr Anträge, die zu bearbeiten sind. „Die Zahl der An- und Ummeldungen von Autos ist bremenweit ebenso gestiegen, wie die An- und Ummeldung von Wohnsitzen.“ Deshalb muss nicht nur lange warten, wer unangemeldet kommt, sondern auch, wer einen Termin haben will: Die Wartezeiten bei der Kraftfahrzeug-Zulassung betragen ihr zufolge derzeit drei, bei der Wohnungsanmeldung sieben Wochen. Termine für Trauungen gibt es voraussichtlich erst ab September wieder.
Personelle Engpässe oder Personalnot?
Marita Wessel-Niepel spricht von personellen Engpässen, andere sprechen mittlerweile von einer Personalnot. Zum Beispiel Politiker. Sieben Standesbeamte sind ausgefallen, sodass die Nordbremer Kollegen in Bremen-Mitte aushelfen müssen. Wie die Lücke kurzfristig geschlossen werden kann, will der Senat an diesem Dienstag beraten. Dabei denkt Rot-Grün offenbar über ein verkürztes Verfahren nach, um die neuen Kräfte schneller einsetzen zu können: Sie sollen eventuell bereits nach einem zweiwöchigen Lehrgang Ehen schließen dürfen und nicht erst am Ende ihrer Ausbildung.
Ob der Senat auch über zusätzliches Personal für die Stadtämter allgemein sprechen wird, kann Wessel-Niepel nicht sagen. Dafür erklärt sie, was sie schon oft erklärt hat: „Wenn sich die Wartezeiten verkürzen sollen, muss die Zahl der Mitarbeiter erhöht werden.“ Zumal der Krankenstand höher ist als in anderen Behörden. Nach ihrer Rechnung fällt das Personal in den Bürger-Service-Centern im Schnitt 30 Tage pro Jahr aus. Wie viele Kollegen sie am liebsten mehr hätte, lässt Wessel-Niepel offen. Rund 500 Frauen und Männer arbeiten in den Bremer Stadtämtern.