Dem Bremer Fiskus ist bei einem großen Immobiliengeschäft vor wenigen Wochen ein Millionenbetrag durch die Lappen gegangen, weil mit der rechtlichen Form des Verkaufs die Grunderwerbssteuer vermieden wurde. Nach Ansicht von Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) unterstreicht der Vorgang die Notwendigkeit, sogenannte Share Deals gesetzlich neu zu regeln.
Wie berichtet, hatte die LEG Immobilien AG aus Nordrhein-Westfalen noch im alten Jahr ein Paket aus rund 2200 Wohnungen in Bremen, Oldenburg, Delmenhorst und Cuxhaven erworben, von denen sich etwa die Hälfte in der Hansestadt befindet. Nach unbestätigten, aber aus verlässlicher Quelle stammenden Informationen zahlte der Branchenriese für das Gesamtpaket rund 240 Millionen Euro.
Gekauft wurde aber offenbar indirekt. Die LEG erwarb nach Darstellung von Insidern nicht die Immobilien als solche, sondern die nahezu kompletten Anteile an einer Besitzgesellschaft, der die Wohnungen gehören. Dieses bei Großverkäufen inzwischen übliche Verfahren wird in der Immobilienwirtschaft als Share Deal bezeichnet. Da kein neuer Eigentümer ins Grundbuch eingetragen wird, fällt auch keine Grunderwerbssteuer an. Setzt man für die Bremer Wohnungen ungefähr die Hälfte des Gesamtkaufpreises an, also rund 120 Millionen Euro, hätte die LEG bei einem herkömmlichen Immobiliengeschäft rund sechs Millionen Euro an Grunderwerbssteuer an den Bremer Fiskus abführen müssen. Das ergibt sich aus dem aktuellen Steuersatz von fünf Prozent.
Bovenschulte: Neu regeln und begrenzen
Sechs Millionen Euro sind für ein armes Bundesland wie Bremen eine Menge Geld. Man könnte dafür zum Beispiel einen Kindergarten bauen – die 2019 eröffnete Kita an der Kapitän-Dallmann-Straße in Blumenthal kostete 4,5 Millionen Euro. Sechs Millionen Euro entsprechen auch der Hälfte des Jahresetats, den das Amt für Straßen und Verkehr für Erhaltungsmaßnahmen auf Bremens kommunalen Straßen zur Verfügung hat. Und so verwundert es nicht, dass der Bürgermeister an einer Schließung des Steuerschlupflochs großes Interesse hat.
Andreas Bovenschulte verfügt nach eigenen Worten über keine eigenen Informationen zu dem Bremer Immobiliendeal. „Aber sollte es sich so verhalten, wie berichtet, dann wäre das einmal mehr eine Begründung dafür, dass solche Share Deals neu geregelt und begrenzt werden müssen“, sagte Bovenschulte dem WESER-KURIER. Vor wenigen Tagen hatte bereits Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne) in der gleichen Richtung Druck gemacht. Nach der Finanzministerkonferenz von Bund und Ländern forderte Strehl, das Steuerschlupfloch bei den Share Deals müsse „schleunigst gestopft werden“.
Tatsächlich ist ein entsprechendes Gesetz auf Bundesebene bereits seit einiger Zeit in der Mache. Es sieht im Wesentlichen vor, dass in Zukunft der indirekte Erwerb von Grundstücken über Besitzgesellschaften nur dann grunderwerbssteuerfrei sein soll, wenn weniger als 90 Prozent der Gesellschaftsanteile erworben werden und die Haltefrist für die Anteile zehn Jahre beträgt. Bisher galten 95 Prozent und fünf Jahre. Das Gesetzgebungsverfahren ist nach einer Expertenanhörung im Finanzausschuss des Bundestages im Oktober 2019 allerdings ins Stocken geraten.
„Die Flügeltür bleibt offen“
Dort gab es Kritik an dem Gesetzentwurf – nicht nur von der Immobilienlobby, die gern alles beim Alten lassen würde, sondern auch aus der Wissenschaft. So erklärte etwa der Steuerrechtsexperte Henning Tappe von der Universität Trier, die Absenkung der maßgeblichen Beteiligungschwelle von 95 auf 90 Prozent sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber kaum ausreichend, um Steuervermeidung nachhaltig zu stoppen. Es werde zwar das Scheunentor geschlossen, „aber die Flügeltür bleibt offen“, so Tappe, der eine Reduzierung auf 75 Prozent für sinnvoll hält. Eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums sagte dem WESER-KURIER am Freitag, das Gesetzgebungsverfahren solle „in der ersten Jahreshälfte 2020 abgeschlossen werden“.
Zwischen 1999 bis 2016 sind in Deutschland nach Erhebungen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung rund 18 Prozent der Transaktionen von Immobilienpaketen ab 800 Wohnungen in Form von Share Deals abgewickelt worden. Schätzungen über die Gesamthöhe der Grunderwerbsteuer, die der Öffentlichen Hand dadurch entgeht, fallen sehr unterschiedlich aus. Die SPD-Bürgerschaftsfraktion hatte bereits vor zwei Jahren ein komplettes Aus für das Steuervermeidungsmodell gefordert. „Es ist unerträglich, dass normale Leute, die eine Eigentumswohnung oder ein kleines Haus kaufen, Grunderwerbssteuer zahlen sollen, große Investoren aber nicht, wenn sie über eine Grundstücksgesellschaft gleich 250 Wohnungen erwerben“, urteilte der damalige Fraktionschef Björn Tschöpe.