Die Tür öffnet sich, die Besucher betreten ein Labyrinth. Die Wände sind mit dünnen, sanft wehenden Plastikfolien bespannt. Flirrendes Licht fällt darauf, es erinnert an Sonnenstrahlen, die im Wald von dicht stehenden Bäumen gebrochen werden. Aus einem nicht sichtbaren Raum ertönt eine abgehackte Stimme: „Wo-kommst-Du-her?“, dann ein trotziges „Selbstverständlich!“
Als die Besucher sich dem Raum, aus dem die Stimme kommt, nähern, sitzt dort eine junge Frau auf dem Boden. Sie versucht, das immer schneller werdende Gebrabbel aus einem Lautsprecher nachzusprechen, das unvermittelt in scheckernde Stimmen übergeht, die an Elstern erinnern. „Was mach' ich hier eigentlich?“ fragt die junge Frau und fängt an, hysterisch zu lachen. Weiter geht der Irrweg der Besucher in den nächsten Raum, wo das Gesicht derselben Frau in Großaufnahme erscheint. Die Besucher drängen sich zusammen, bis sie die Stimme in den nächsten Raum lockt: „Kommt alle hierher!“ War das eine Falle? Eng zusammenstehend kommt bei einigen Besuchern offenbar Beklommenheit auf, sie verlassen eilig das Labyrinth.
Die Ausharrenden sehen, wie die Frau ihre Hände gegen die Folie drückt, dazu ertönt ein erschrockenes „He?“ und „Hallo?“. Blaues und rotes Licht im Wechsel, die Stimme der Frau wird immer schneller, und als sie in Stöhnen übergeht, kommt von einem der männlichen Besucher ein gespanntes „Oha!“. Dann ist nur hektisches Hin- und Herrennen hörbar, die Performance endet.
„Synaptikum“ ist die erste Arbeit des frisch gegründeten Kollektivs „Prego“, das in der Villa Sponte sein Debüt gab. Die vier Studenten Lea Peters, Lena Neckel, Lukas Bleyer und Kelvin Scharnhorst von der Hochschule für Künste in Ottersberg luden das Publikum auf ihrer Performance dazu ein, ein Problem zu lösen. Deshalb führten sie ihr Publikum in das Labyrinth.
Hochgradig abstrakte Anleitung
Doch was war das Problem? Es wird nicht näher konkretisiert. Doch wenn nicht klar ist, was eigentlich das Problem ist, wird dessen Lösung um so schwieriger. Der Begleittext zur Performance, den die vier Studenten verfasst haben, versucht einen Hinweis zu geben, wie das Problem gelöst werden kann: „Künstlerisch ermöglicht wird dies durch die interdisziplinär gehaltene Verwandlung des Raumes in eine Spiel- und Erfahrungsfläche, in welcher es Raum und Freiheit für durch die Besucher selbst gestaltete Lösungs- und Erfahrungsprozesse gibt.“
Der hochgradig abstrakte Text hilft wenig weiter. Klar ist: Synaptikum leistet sich ab von den Synapsen, jenen Nerven-Endungen, die Signale von Neuron zu Neuron vermitteln oder auch blockieren. „Ergeben sich aus dem Problem für Sie Hindernisse oder Neuverknüpfungen?“ fragt also auch Student Kelvin Scharnhorst einleitend das Publikum, wobei er offenbar an die Synapsen-Arbeit anknüpfen möchte.
„Interdisziplinär heißt für uns, Kunst, Theater, Musik und Kreatives Schreiben zusammenzubringen“, erklärt Lukas Bleyer, der vielleicht Richard Wagners Anspruch, Gesamtkunstwerke zu schaffen, avantgardistisch einlösen möchte. Ob eine Zusammenstellung aus Videosequenzen, einer hin und her hastenden Schauspielerin, Stimmen-Wirrwarr und atomisierter Sprache dies leistet, bleibt allerdings fraglich. „Wir haben keine Vorbilder, und wir haben unser Projekt auch mit keinem unserer Professoren besprochen“, sagt Bleyer. Hätten sie es getan, dann wäre vielleicht wirklich ein Problem entstanden.
„Nach einiger Zeit tauchten in dem labyrinthischem Raum bei mir innere Bilder auf“, sagt die Besucherin Martina Paulini, „sie sind den Lichtmustern auf den Folienwänden entsprungen.“ Ein solcher Phantasie-Auslöser war die Performance bei anderen Besuchern offenbar nicht: Bei ihnen wurden stattdessen schnell Fluchtreflexe ausgelöst.
Ida Büssing, Mit-Iniatorin des Bremer Kulturvereins Villa Sponte, hat bewundernd miterlebt, mit welchem Engagement die vier jungen Leute acht bis zehn Stunden pro Tag an der Raum-Installation gearbeitet haben – fast eine ganze Woche lang. „Ich würde Ähnliches gern noch einmal machen“, sagt sie. "Immer im Sommer stellen wir Studenten in der Villa Sponte für derartige Projekte gern Raum zur Verfügung.“
Wer Lust hatte, konnte nach der Perfomance eine Fotoserie mit dem mit Farbspritzern bekleckerten Gesicht von Lena Neckel, die die Stimme im Labyrinth war, erwerben – gegen einen Spendenvorschlag von fünf Euro. Man konnte darauf allerdings auch verzichten.