Die Evangelische Kirsche in Deutschland (EKD) will die Beteiligung Betroffener bei der Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs nach einem misslungenen Versuch neu organisieren. Dies kündigte Braunschweigs Landesbischof Christoph Meyns am Montag auf der EKD-Synode in Bremen an. „Wir brauchen ihre Perspektive und ihre Erfahrungen, um in Zukunft Menschen besser vor sexualisierter Gewalt schützen zu können und mit stattgefundenen Taten umzugehen“, sagte Meyns als Sprecher des kirchlichen Beauftragtenrates.
Allerdings hatte die Kirchenleitung die Arbeit eines Betroffenenbeirats, der erst vergangenes Jahr gegründet wurde, im Mai schon wieder ausgesetzt. In dem Rat gab es interne Konflikte sowie Konflikte mit der Kirche. Mehrere Mitglieder schieden aus. Dieses Scheitern solle nun mit Hilfe von Experten aufgearbeitet werden, kündigte Meyns an. Dann gebe es eine neue Form der Beteiligung.
Bei der Aussprache im Kirchenparlament kritisierten Mitglieder des Beirats, wie mit ihnen umgegangen worden sei. „In vielen Bereichen beweist die EKD Gestaltungswillen und Handlungskompetenz, etwa in der Flüchtlingshilfe oder in ihrem Engagement gegen Rechtsextremismus“, sagte Nancy Janz stellvertretend für mehrere Betroffene. „In Sachen sexueller Missbrauch existieren diese klare Haltung, der Konsens und der Handlungswille bis heute nicht.“ Gefordert wurde, die Aufklärung nicht der Kirche zu überlassen, sondern in staatliche Hände zu legen.
Meyns sagte zu den Fällen sexualisierter Gewalt: „Ich bin zutiefst betroffen über das Unrecht, das Menschen entgegen allem, wofür wir stehen, im Kontext von Kirche und Diakonie angetan wurde.“ Die Aufarbeitung sei „ein langer, ein harter und auch ein teurer, aber ein absolut notwendiger Prozess“.
„Die Wunden sind tief, der Vertrauensverlust lässt sich nicht mit schönen Worten kleinreden, und das will auch niemand“, sagte die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich. Prävention und Aufarbeitung seien nicht nur Thema für Synoden, sondern bleibende Aufgaben für die ganze Kirche „Präventionskonzepte dürfen nicht erarbeitet werden, um in Schubladen zu landen, sondern sie müssen im kirchlichen Handeln jeden Tag umgesetzt werden - in jeder Gemeinde, in jeder Jugendgruppe, in jeder Einrichtung. Und gleichzeitig brauchen wir ein höheres Tempo, mit dem wir Aufarbeitung und Prävention vorantreiben“, so Heinrich.
Geplant ist unter anderem eine Verschärfung des kirchlichen Disziplinarrechts. Dabei soll auch die Begleitung von Betroffenen verbessert und der Zugang zu Informationen für sie erleichtert werden. „Das Ziel ist: Null Toleranz für Täter, maximale Transparenz für Betroffene“, so Heinrich.
Zudem soll eine synodale Kommission eingerichtet werden, die die fortlaufende Vernetzung der Synode mit Betroffenen und einem Beauftragtenrat sicherstellt. Die Beteiligung von Betroffenen soll darüber hinaus durch die Unterstützung eines Betroffenennetzwerkes gestärkt werden.
„Es ist dringend notwendig, dass wir als Kirche nicht die Deutungshoheit darüber beanspruchen, was passiert ist“, so die Präses. „Ich bin dankbar, dass viele der ursprünglichen Mitglieder des Betroffenenbeirats uns angeboten haben, ihre Hilfe, ihre Expertise einzubringen. Unser Anspruch muss sein, ihre Anliegen bestmöglich aufzunehmen“, betonte Heinrich.
Landesbischof Christoph Meyns zog eine gemischte Bilanz der bisherigen Schritte zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt. „Ich möchte nicht verschweigen, dass trotz aller Fortschritte das letzte Jahr ein schwieriges war. Wir hatten uns mehr vorgenommen, als wir erreichen konnten. Wir haben erfahren, dass es auf unserem Weg harte Rückschläge geben kann, dass in bester Absicht Geplantes auch scheitern kann. Wir werden trotzdem nicht nachlassen“, so Meyns. „Ich bin zutiefst betroffen über das Unrecht, das Menschen entgegen allem, wofür wir stehen, im Kontext von Kirche und Diakonie angetan wurde“, sagte Meyns. Die Aufarbeitung sei „ein langer, ein harter und auch ein teurer, aber ein absolut notwendiger Prozess“.
Bedrückende Geschichten
Es waren bedrückende Geschichten, die die Kirchenparlamentarier bei der EKD-Synode von Betroffenen zu hören bekamen: Missbrauch durch einen Pastor, im Behindertenheim, bei den Pfadfindern. Hinweise auf sexuellen Missbrauch an Kindern in einer kirchlichen Kita, denen weder die Gemeinde, noch die Landeskirche oder die Justiz nachgingen.
Die evangelische Kirche ist mit Verzögerung nach der katholischen Kirche von dem Thema Missbrauch eingeholt worden. Hunderte Fälle sind in den vergangenen Jahren ans Licht gekommen. Seit 2018 versucht die EKD, das Vorgehen in ihren 20 einzelnen Landeskirchen anzugleichen. Eine wissenschaftliche Erforschung ist auf den Weg gebracht.
Am Mittwoch wird auf der Synode der Vorsitz im Rat der EKD neu vergeben. Gesucht wird ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin für den scheidenden Ratsvorsitzenden Heinrich Bedford-Strohm.
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