Wenn Politik soziale Ungleichheit bekämpfen will, muss sie die Tarifbindung erhöhen. Denn der Rückgang der Tarifbindung ist der wichtigste Grund für die seit Mitte der 1990er Jahre stark gestiegene Lohnungleichheit.
Tarifverträge regeln unter anderem Löhne, Arbeitszeiten, Urlaub und Sonderzahlungen in einer Branche oder in einem Unternehmen. Sie sorgen für faire und transparente Vergütungsstrukturen und stärken damit das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Regelmäßige Lohn- und Gehaltstarifverhandlungen sichern zudem eine angemessene Beteiligung der Beschäftigten an der wirtschaftlichen Entwicklung ihres Unternehmens.
Klare Regeln haben Vorteile für beide Seiten, denn sie reduzieren arbeitsrechtliche Streitigkeiten. Und Branchentarifverträge verhindern, dass der Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Tarifverträge sind deshalb ein elementarer Baustein der sozialen Marktwirtschaft.
Jeder Fünfte in Bremen wird nach Tarif bezahlt
Doch nur noch jeder fünfte Betrieb in Bremen bezahlt seine Beschäftigten nach Tarif, vor zehn Jahren waren es noch 40 Prozent. Grund für die Tarifflucht der Arbeitgeber kann nicht die wirtschaftliche Entwicklung sein – schließlich liegen Jahre guter Konjunktur hinter uns.
Die Leidtragenden sind die Beschäftigten. Sie verdienen in einem vergleichbaren Betrieb bei gleicher Qualifikation im Land Bremen im Durchschnitt fast neun Prozent weniger. Besonders betroffen sind die Beschäftigten mit geringem Einkommen, die noch seltener nach Tarif bezahlt werden und im Niedriglohnsektor gefangen sind. Ohne Tarifvertrag sind auch die Regelungen zur Arbeitszeit oder zum Urlaub meistens schlechter, Ansprüche auf Weihnachtsgeld oder betriebliche Altersvorsorge oft erst gar nicht vorhanden.
Der soziale Zusammenhalt kann nicht ohne neue Regelungen in der Tarifpolitik gestärkt werden. Daraus folgt: Die Behörden müssen Tarifverträge unter erleichterten gesetzlichen Bedingungen für allgemein verbindlich erklären können, damit alle Unternehmen einer Branche nach Tarif bezahlen. Die Vorteile für die Beschäftigten und die Unternehmen hat die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des Tarifvertrags in der Gastronomie im Land Bremen deutlich gemacht: die Löhne sind spürbar gestiegen und die Branche ist für Beschäftigte attraktiver geworden.
Darüber hinaus muss die öffentliche Hand ihre Position als Auftraggeber konsequent nutzen: Öffentliche Aufträge darf es nur noch für Unternehmen geben, die Tarifverträge anwenden.
Unser Gastautor
ist Hauptgeschäftsführer der Arbeitnehmerkammer des Landes Bremen.