Es ist ein ergreifendes Bild, das sich da am Samstagmorgen den Menschen an den Weserufern auf der Höhe des Osterdeichs bietet. Ruderboote gleiten langsam über das Wasser, es sind Achter und Vierer dabei, begleitet werden sie von einem kleinen Motorboot. Sie alle stoppen vor dem Café Sand, genau jener Stelle, an der es vor einer Woche zu dem tragischen Unfall gekommen war, der so viele Menschen aufgewühlt hat. Ein Ruderboot war mit einem Binnenschiff kollidiert, drei Ruderer schwammen an Land, ein 64-Jähriger aber war zunächst als vermisst gemeldet und zwei Tage später tot in der Weser gefunden worden.
An diesem sonnigen Morgen haben sich viele Bremer Ruderer zusammen gefunden, um Abschied zu nehmen von einem Freund. Sogar aus Kiel sind Ruderer angereist, alle tragen einen Trauerflor am Arm. „Trauerfahrt“ nennen sie das kurze Stück, das sie von den verschiedenen Ruder-Vereinen aus, die auf der linken Weserseite ihre Heimat haben, bis zum Café Sand zurücklegen. Organisiert hat sie Klaus Hartstock, seit 2006 aktiv beim Bremer Ruderverein von 1882. Aber er legt Wert darauf, dass es nicht seine Idee war. Die sei von einer Ruder-Kollegin gekommen.
Hartstock aber hat die Kontakte zum Wasserschifffahrtsamt und der Wasserschutzpolizei, er organisiert das jährliche Firmen-Rudern auf der Weser. Das sollte am 20. September stattfinden. Aber Hartstock hat die Veranstaltung längst abgesagt. „Wir Ruderer befinden uns noch immer in einem Ausnahme-Zustand“, sagt er. Zu groß, zu tragisch, zu schlimm sei das gewesen, was sich am 1. August auf der Weser ereignet hatte. An Alltag ist da nicht zu denken.
Die Trauerfahrt ist nicht lang, aber emotional. Auch am Weserufer hat sich eine Trauergruppe zu Fuß von den Rudervereinen aus in Richtung Café Sand aufgemacht. Es gibt eine Schweigeminute, dann ertönt ein Trompetenlied, Blüten treiben auf der Weser, schließlich fahren die Boote wieder zurück. Nach einer knappen Stunden ist die Trauerfeier beendet, das war so mit dem Schifffahrtsamt besprochen, die Weser darf nicht über einen längeren Zeitraum blockiert werden.

Die Ruderer verteilten in der Weser Blumen und Blüten an der Stelle, an der es am 1. August zu der Kollision zwischen Ruderboot und Binnenschiff gekommen war.
Umstände des Unfalls klären
Wie es zu diesem schrecklichen Unfall kommen konnte, wer wen womöglich übersehen oder überhört hat – all das ist weiter völlig ungeklärt. Die GPS-Tracker, die an Bord des Ruderbootes waren, werden noch ausgewertet. Und auch der Funkverkehr auf der Weser wird überprüft. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen, es könnte eine fahrlässige Tötung im Raum stehen, heißt es. Es werde versucht, die Umstände des Unfalls zu klären. Da wird auch die Wasserschutzpolizei eine wichtige Rolle spielen, sie ist ja spezialisiert auf Unfälle auf dem Wasser.
Dass dabei ein Ruderboot involviert war, kann Klaus Hartstock noch immer nicht verstehen. „Seit 138 Jahren gibt es unseren Ruderverein jetzt, aber solch einen Vorfall hat es noch nie gegeben.“ Natürlich sei es schon mal zu Kollisionen gekommen, aber nie zu einem ernsthaften Unfall. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Zusammenstoß ein Mensch zu Tode komme, liege „bei etwas über null Prozent“. Die Ruderer seien ja das ganze Jahr über auf der Weser, es gebe unzählige Fahrten und nie sei etwas Schlimmes passiert.
Dass die Weser aber für Ruderer durchaus Gefahren birgt, ist nicht neu. Jedes Kind, jeder Jugendliche, eigentlich alle, die mit dem Rudern beginnen, müssen Lehrgänge absolvieren. Dazu gehört das Steuern eines Bootes, aber auch das Lesen von Karten oder das Wissen um die Bedeutung von Schifffahrtszeichen. Selbst die Wasserschutzpolizei klärt auf. „Die Ruderer sind mit den Gefahren der Weser vertraut“, sagt Hartstock. Es gibt unkalkulierbare Strömungen, deshalb werden oft Kenterübungen trainiert. Denn wer ins Wasser fällt, muss einige wichtige Dinge beachten. „Auf der Weser darf man niemals vom Boot weg schwimmen, sondern muss immer am Boot bleiben, die Strömung ist zu massiv.“ Auch das Tauchen sei zu unterlassen, die Unterwasserströmung viel zu gefährlich.
Überhaupt habe es bei der Weser in den vergangenen Jahren eine massive Strömungsveränderung gegeben. „Früher standen die Wiesen am Ufer ab und an unter Wasser. Aber jetzt sind kommt das ja ständig vor“, sagt Hartstock. Er plädiert seit Jahren dafür, dass auf der Weser keine Ruderboote mehr ohne Steuermann unterwegs sind. „Das ist meine persönliche Sicht“, meint er. Wer als Ruderer in einem Boot ohne Steuermann fährt, sieht nicht, was sich in seinem Rücken abspielt, er fährt ja rückwärts. Diese Boote, findet er, sollten auf dem nahe gelegenen Werdersee fahren. „Und wer einen Steuermann hat, darf auf die Weser, da gibt es dann ja keine Gefahrenlage.“