Die Videokameras der Polizei am Hauptbahnhof werden technisch nachgerüstet. Mindestens 260.000 Euro wird dies kosten. Grund dafür ist ein Gerichtsurteil aus Nordrhein-Westfalen.
Keine zwei Jahre ist her, seit Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) im Mai 2019 die neue Anlage voller Stolz präsentierte. Modernste Technik vom Feinsten. 52 hochauflösende Kameras, die gestochen scharfe Bilder vom Treiben auf dem Bahnhofsvorplatz liefern. Doch genau hier liegt das Problem: Der Bahnhofsvorplatz ist einer von Bremens Kriminalitätsschwerpunkten – die Videoaufzeichnungen sollen Straftäter abschrecken oder überführen. Doch auch friedliebende Demonstranten könnten von den Kameras eingeschüchtert werden. „Kein Problem, schalten wir sie während Demonstrationen halt aus“, sagt die Polizei. Worauf sogar Schilder im Umfeld des Bahnhofes hinweisen. „Reicht nicht“, meint das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen.
Die Richter sehen die Versammlungsfreiheit gefährdet. Zum einen könne bei einer Ausrichtung der Kameras auf eine Versammlung nicht ausgeschlossen werden, dass es bewusst oder fehlerhaft zur Erfassung der Teilnehmer kommt. Zum anderen sollten die teilnehmenden Personen bereits beim Anblick der jeweiligen Kameras erkennen können, dass diese nicht aufzeichnen.
Die Richter aus Nordrhein-Westfalen hatten natürlich nicht den Bremer Bahnhofsvorplatz im Blick, sie urteilten über vergleichbare Überwachungstechnik in ihrem Bundesland. Doch die Entscheidung erzielte auch über die Landesgrenzen hinaus Wirkung. „Das Urteil bindet uns nicht unmittelbar, wir können es aber auch nicht außer Acht lassen“, sagt Innensenator Mäurer. Zwar gebe es in Bremen noch keine entsprechende Klage. Doch sollte die kommen, wäre sie wohl erfolgreich. „Im Grunde haben wir keine Chance und würden vor Gericht Schiffbruch erleiden“, so Mäurer unlängst in der Innendeputation auf eine Anfrage der Grünen.
Sukzessive nachrüsten
Zumal sich das OVG mit seinem Urteil in Entscheidungen anderer Gerichte einreihe und sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur „Einschüchterungswirkung“ von Kameras auf Versammlungsteilnehmer stütze. „Obwohl es uns nicht überzeugt, kapitulieren wir vor dieser Rechtsauffassung und setzen sie um“, erklärte Mäurer. „Wir werden sukzessive nachrüsten.“ Im Haushalt 22/23 sollen Mittel dafür angemeldet werden. Bislang wurden für die Kameras inklusive Installation, Datenleitungen und Videoleitstelle bei der Polizei 2,3 Millionen Euro investiert.
Damit alle Teilnehmer an einer Versammlung vor dem Hauptbahnhof bereits beim Anblick der jeweiligen Kameras erkennen können, dass diese nicht aufzeichnen, müssen sie umgerüstet oder ausgewechselt werden. Insgesamt nutzt die Polizei derzeit 67 Kameras zur Videoüberwachung am Bahnhofsvorplatz, am Nordausgang des Bahnhofs, an der Discomeile sowie am Vegesacker Bahnhofsplatz. 28 davon sind Panorama-Kameras, die mit einem „Privacy Shield“ der Herstellerfirma nachgerüstet werden könnten, ein Rollo, das vor das Kameraobjektiv heruntergefahren wird. Zudem zeigt eine durchgestrichene Kamera an, dass nicht aufgenommen wird. Die Kosten für Beschaffung und Installation der Nachrüstung beziffert die Polizei auf etwa 90.000 Euro.
Von den sogenannten Dome-Kameras, erkennbar an den durchsichtigen Halbkugeln, gibt es an Hauptbahnhof und Discomeile 31 Stück. Sie können laut Innenbehörde nicht technisch nachgerüstet werden. Erforderlich wäre ein neues, ähnlich ausgerüstetes Modell, bei dem die Kameraoptik per Knopfdruck von außen erkennbar in das Innere des Gehäuses ausgerichtet würde. Auch hier zeigt dann ein Symbol auf der Rückseite der Kamera an, dass sie nicht aufnimmt. Kosten für 31 Kameras dieses Typs inklusive Montage: rund 170.000 Euro. Allerdings sind diese Kameras größer als die bisherigen und benötigen deshalb mehr Platz. Nicht auszuschließen deshalb, dass einige der heutigen Standorte umgebaut oder sogar neue Standorte gefunden werden müssten, was für zusätzliche Kosten sorgen würde.
Bleiben acht weitere Kameras – drei sogenannte Bullet-Kameras, die an einem Arm installiert sind, sowie fünf PTZ-Kameras (die Abkürzung steht für die englischen Begriffe für schwenken, neigen und zoomen, die Objektiv dieser Kameras sind steuerbar). Auch für sie gibt es keine technische Umbaulösung. Sie bei jeder Demo mithilfe eines Hubwagens abzuhängen, scheidet für die Innenbehörde aus. Zu aufwendig und aus Zeitgründen ohnehin nicht praktikabel. Diese acht Kameras müssen daher ausgetauscht werden.