Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) wird der Landesregierung nach der Bürgerschaftswahl 2019 nicht mehr angehören. Dem WESER-KURIER erklärte der 59-Jährige seinen Verzicht auf eine erneute Kandidatur für das Landesparlament. Auch für das Senatorenamt werde er nicht mehr zur Verfügung stehen. Lohse ist seit 2011 Mitglied der Landesregierung. „Ich möchte mich nach dann acht Jahren in der Bremer Regierung noch einmal einer neuen beruflichen Herausforderung stellen“, sagte Lohse.
Lohse hat den Zeitpunkt für seine Ankündigung mit Bedacht gewählt. Die Grünen stellen sich in diesen Wochen für den Bürgerschaftswahlkampf im kommenden Jahr auf. Es geht um die Platzierung der Spitzenleute auf der Liste, und Lohse war dabei als amtierender Senator ein wichtiger Faktor. Dass er sich nun selbst aus dem Rennen nimmt, schafft Raum für neue Konstellationen. In Lohses Worten: „Es stehen jetzt Personalentscheidungen an, für die ich, bezogen auf meine Person, Klarheit herbeiführen möchte.“
Joachim Lohse wurde erst mit Anfang 50 Berufspolitiker. Der promovierte Chemiker verfolgte zunächst eine wissenschaftliche Laufbahn. Er verfasste zahl-reiche Fachgutachten und wissenschaftliche Stellungnahmen, unter anderem zur Umweltverträglichkeit von Produkten. Lohse war Gründungsgesellschafter und bis 2003 einer der Geschäftsführer des Hamburger Instituts Ökopol, danach leitete er das Freiburger Öko-Institut.
Mit Politikberatung hatte er also schon einige Erfahrung, als er 2010 zum Verkehrs- und Umweltdezernenten der Stadt Kassel berufen wurde. Im Frühjahr 2011 suchten die Bremer Grünen kurzfristigen Ersatz für den damaligen Umwelt-, Bau- und Verkehrssenator Reinhard Loske, der zwar noch zur Bürgerschaftswahl am 22. Mai angetreten war, drei Tage später aber überraschend seinen Rückzug aus der Politik ankündigte. Die Wahl fiel auf den gebürtigen Hamburger Lohse.
Was hat der 59-Jährige bisher auf der Habenseite? In seiner Amtszeit wurde der Flächennutzungsplan – das städtebauliche Grobraster Bremens – grundlegend überarbeitet. Lohse kurbelte auch den Wohnungsbau an. Mehrere Förderprogramme für private Bauherren und die Ausweisung neuer Baugebiete haben die Zahl der fertiggestellten Wohneinheiten in den vergangenen Jahren deutlich nach oben schnellen lassen. Der unter Lohses Leitung erarbeitete Verkehrsentwicklungsplan 2025 brachte der Bremer Baubehörde den europäischen Preis für nachhaltige Verkehrsentwicklungsplanung in Städten ein.
Lohses Bilanz
Joachim Lohse eckte jedoch auch an. Bei umstrittenen Projekten wie dem Hochwasserschutz am Neustädter Weserufer, dem 136 Platanen zum Opfer fallen sollen, hat sich der Senator auch aus Sicht mancher Parteifreunde als taktisch nicht sonderlich geschmeidig erwiesen. Sie lasten ihm an, dass bei der Bürgerschaftswahl 2019 voraussichtlich eine Liste von Bürgerinitiativen antreten wird, die es auf das Wählerreservoir der Grünen abgesehen hat.
Lohse will nach eigenen Worten seine verbleibende Amtszeit „mit vollem Einsatz“ angehen. Der Umstand, dass er keine Wiederwahl anstrebt, verschaffe ihm „ein Stück Beinfreiheit“, sagte der Senator. Wie er die zu nutzen gedenkt, verriet er nicht. Lohse trat aber dem Eindruck entgegen, er fühle sich von der Parteibasis nicht ausreichend unterstützt. Sein Rückzug habe ausschließlich persönliche Gründe. Mit knapp 60 Jahren sei es an der Zeit, etwas Neues anzufangen. „Da gibt es aber noch nichts Konkretes zu vermelden“, so Lohse.
Bei den Grünen könnte die Personalie einiges in Bewegung bringen. Noch hat die Öko-Partei nicht geklärt, mit welcher Spitzenkandidatin sie 2019 in die Wahlaus-einandersetzung ziehen wird. Ursprünglich war eine Entscheidung bis Ostern angepeilt. Als Anwärterinnen auf das Ticket gelten Finanzsenatorin Karoline Linnert (Grüne) und die Vorsitzende der Bürgerschaftsfraktion, Maike Schaefer. Letztere müsste als Spitzenkandidatin auch ein Senatorenamt anstreben.
Aufgrund ihres umweltpolitischen Profils käme für Schaefer idealerweise das Umwelt-, Bau- und Verkehrsressort in Betracht. Solche Ambitionen hätten bisher bedeutet, dass Schaefer Lohse verdrängen müsste. Das wäre nun nicht mehr nötig. Lohse wollte dem WESER-KURIER nicht sagen, ob sein Rückzug vor diesem Hintergrund zu sehen ist. Wie aus Parteikreisen zu hören ist, sollen in der Frage der Spitzenkandidatur möglicherweise in der kommenden Woche die Würfel fallen.