Osterholz. Nach der Vier-Elemente-Lehre besteht alles Sein aus den vier Grundelementen Feuer, Wasser, Luft und Erde. Es würde daher verwundern, bei einer Ausstellung mit dem Titel „Wasserwelten“ an der Gesamtschule Ost, Kleinteiliges bescheiden vorzufinden, der riesige Umfang an Bildern, Skulpturen, Collagen, Performance oder Lyrik wird erwartet. In der großen Masse geht dabei schon mal der Sinn fürs Detail verloren, zumal aufgeregter Betrieb herrscht, und sich Jugendliche ohne Mikrofon um die Rezitation von Lyrik bemühen. Die GSO präsentiert ihre Frühjahrsausstellung.
An der Freitreppe am Eingang ist durchsichtig Plastikfolie hinaufgerollt, die einen Wasserlauf darstellen soll, und auf dessen Plastikfalten Papierschiffchen kleben. Im Ganzen ist das noch nicht zu betrachten, denn oben führt Wolfgang Russek, Kunstlehrender, in die „Wasserwelten“ ein. „Es ist hier ein bisschen wie an einer Schule, weil es nicht ruhig werden will“, sagt Russek, der für mehr als einen bloßen Tusch an die Bläserschaft aus Schülern übergibt, die sich heute Strandgut nennen.
Wolfgang Russek zeigt sich munter gewillt, noch ein wenig zu moderieren, bis Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz eintrifft, die sich (angekündigt) etwas verspäten wird. Das ist mutig angesichts der aufgeregten Schülerschaft.
Flüssiger als Wasser?
„Was ist flüssiger als Wasser?“, fragt Russek in die Runde, und wird durch Schüler unterbrochen, die den Reim „Wasser ist zum Waschen da“ in einigen Abwandlungen immer wieder ausrufen, um auf ihre Lyrikrezitationen aufmerksam zu machen. „Kunst, die ist überflüssig“, beantwortet Russek selbst die gestellte Scherzfrage.
Russek und nun auch Schulleiter Hans-Martin Utz gehen auf das Fächerübergreifende des Projektes Wasserwelten ein. Wasser sei Luxus, habe religiöse Bedeutung, Wasser erstarre bei Kälte, während anderes bei Hitze fest werde. Die Schülerschaft verläuft sich unterdessen, schaut sich um, muss zu ihren Aktionsplätzen, noch bevor die Kulturstaatsrätin ihre geschätzten Worte abliefern kann.
Sharanka aus der 16E und Rebecka aus der 16C gehen zu ihren Kreidebildern. Adrian und Dennis aus der 5.2 zu Seepferdchen, die sie mit Wachsstiften gezeichnet und mit flüssigen Farben überträufelt haben. „Kunst ist die kleine Schwester der Freiheit“ zitiert Wolfgang Russek unterdessen Friedrich Schiller, um noch Heinz Erhardt mit dem Berg anzuhängen: „Hätte man sämtliche Berge der ganzen Welt zusammengetragen und übereinandergestellt und wäre zu Füßen dieses Massivs ein riesiges Meer, ein breites und tiefes.
Spritzschutz auf dem Kopf
Und stürzte nun, unter Donnern und Blitzen der Berg in dieses Meer – na, das würd’ spritzen!“ Genau aus dem Grund des Spritzens trägt Russek, wie andere Lehrer und Ordner, einen transparenten Plastikhaarschutz. Als Filmszene wäre diese Situation Kunst, reinste Unterhaltungskunst. Eine Staatsrätin lässt auf sich warten und lässt damit einen Kunstlehrer vor großer Schülerschaft grotesk mit Plastikhaube auf dem Haupt verzweifelt Schiller bis Erhardt zitieren. Doch wer denkt sich sowas aus? Das Schöne: Russek spielt sich selbst humorig, mit Lust, Laune und Freude über das große Tohuwabohu dieser Wasserwelten.
Ein Fischschwarm, schwach erkennbar, weil fast kontrastlos, Wasser als vielfacher Kontrast, Fotos von Unterwasserwelten neben gemalten Aquariumszenen, fast spirituelle Darstellungen von Fisch und Fänger, ein schöner Leuchtturm und Seifenblasen sind zu entdecken, nebenan Schülerinnen und Schüler der Kunstkurse und der Streicherklasse. Lara, Kimberly, Josephin und Elakkia, die selbst drei Geigen und eine Bratsche besetzen, aber auch Cello und Kontrabass haben, erzählen frisch und warm von drei Wochen, in denen sie mit Wasserfarben und Wirkungen von Salz auf dreierlei Papier experimentierten. Auf rauem, sehr glattem und eher gewöhnlichem Papier. Aquarellfarbe in Blau aber auch Grün, Rot und Orange war es, dessen Wirkungen von Salz auf Papier sie fasziniert erprobten. Kunst oder forschen? An den Wänden wirken ihre Bilder in Massen gleich, ihr erlerntes Wissen ist Lohn für den Spaß. Jedes Bild für sich könnte intensiveres Betrachten lohnen, auch im Lärmpegel komponierter Unterwassergeräusche, die ununterbrochen aus Ghettoblastern schallen. „Wasserwelten“ – an der GSO fordern sie, überraschen, sind vielfältig und gewaltig.