Parkgebühren für Auswärtige und Ausweise für die Bewohner: Der erste Schritt gegen zugeparkte Straßen und Bürgersteige in den Wohnvierteln ist mit den beiden Modellquartieren in der östlichen Vorstadt und in Findorff getan. Die Strategie von Rot-Grün-Rot ist klar – langfristig sollen so wenig Autos wie möglich in der Bremer Innenstadt unterwegs sein. Das bedeutet, dass nicht nur ein Umdenken bei Konzepten für Mobilitätsangebote an sich stattfinden muss – die Bremerinnen und Bremer sollen ja nach wie vor von A nach B kommen, nur nicht mehr unbedingt mit dem eigenen Auto. Wenn das Auto als zentrales Leitbild in der Stadtplanung verschwindet, wird das auch Auswirkungen auf andere Bereiche haben, nicht zuletzt auf den Wohnungsbau.
Keine Garagen mehr als Pflichtanhängsel, wenn neue Wohnprojekte entstehen, dafür andere und neue Formen von Mobilität: Wo das bereits passiert und was die ersten Erfahrungen sind, war das zentrale Thema am zweiten Tag der internationalen Konferenz der Experten für Carsharing. In Köln-Nippes zum Beispiel wurde das Projekt „Stellwerk 60“ autofrei geplant, auf etwa 1500 Einwohner kommen nur 80 Stellplätze – und es funktioniert. Im Münchener Domagkpark können sich die Bewohner der insgesamt 74 Wohneinheiten nicht nur Werkzeuge, Videobeamer oder Fensterreiniger ausleihen, sondern an drei Stationen auch Elektro- und Lastenräder sowie Autos, oder eine der übertragbaren Monatskarten für die öffentlichen Verkehrsmittel, die man wie ein Leihauto reservieren kann.
„Es gibt viele tolle Ideen, auch bei unseren europäischen Nachbarn“, sagt Michael Glotz-Richter, Referent für nachhaltige Mobilität im Verkehrsressort. Autostellplätze nicht zu bauen, oder, wie es Glotz-Richter formuliert, „den Muff der Reichsgaragenordnung“ hinter sich zu lassen, bedeutet auch geringere Baukosten. Der Mobilitätsexperte: „Wenn man Tiefgaragen baut, kann das leicht bis 15 Prozent der Baukosten ausmachen.“
Grundsätzlich gebe es bereits Überlegungen zusammen mit der Gewoba, wie sich auch in Bremen neue Formen von Mobilität in Wohnprojekte integrieren lassen. „Wenn der Wohnungsbau künftig von einem neuen Mobilitätsgedanken geleitet werden soll, müssen verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein.“ Dazu gehöre einerseits der Ausbau von Carsharing-Angeboten sowie des ÖPNV, andererseits fußgängerfreundlich geplante Wegeverbindungen aber auch Möglichkeiten für die Lieferverkehre wie zum Beispiel Warendepots.
Bremen als internationales Vorbild
Dass sich die rund 100 Experten für Carsharing zusammen mit Fachleuten der Wohnungsbauwirtschaft, Städteplanern und Vertreter der Automobilindustrie ausgerechnet in Bremen für die Abschlusskonferenz des über die EU geförderten Forschungsprojekts „Stars“ getroffen hatten, war kein Zufall. Was die Entwicklung des Leihauto-Systems angeht, gilt die Hansestadt mit ihrem Anbieter Cambio international als vorbildlich. Gerd-Axel Ahrens, emeritierter Verkehrsforscher der TU Dresden und in den 90er-Jahren Abteilungsleiter Verkehr beim Bausenator in Bremen, sagt: „Was das angeht, gehört Bremen zu den Musterschülern. Auch, weil das Thema seit Jahren, und auch über Parteigrenzen hinweg, von der Politik unterstützt wird.“
Was Größe, Besiedelungsgrad und Verkehrsaufkommen angeht, spielt Singapur mit seinen rund fünf Millionen Einwohnern in einer völlig anderen Liga als Bremen. Trotzdem könne man gegenseitig viel voneinander lernen, sagt Lewis Chen, Gründer der Carsharing Association of Singapore: „Auch, wenn es unterschiedliche Voraussetzungen gibt. Unsere gemeinsame Idee ist es ja, die Menschen von einem Lebensstil zu überzeugen, in dem das eigene Auto nicht die Nummer Eins ist.“ Die Brasilianerin Luisiana Paganelli Silva arbeitet für die RMIT-University von Melbourne an einer globalen Studie über Carsharing. Auch sie betont die Bedeutung des Austauschs auf internationaler Ebene. „Städte, die nun damit beginnen, können von den Erfahrungen profitieren, müssen nicht bei Null beginnen.“