Offiziell gibt es in Bremen-Nord 74 Skulpturen, Brunnen, Wandgemälde, Reliefs, Objekte und Installationen im öffentlichen Raum. Viele Arbeiten sind beschmiert, ramponiert oder werden zwischen Gemäuern, Plakaten, Schildern und Masten gar nicht wahrgenommen. In der Serie „Guck mal: Kunst“ nimmt DIE NORDDEUTSCHE einige Nordbremer Exponate ins Visier. Zum Auftakt geht es allerdings um Kunstwerke, die nicht mehr da sind. Denn viele sind schlicht verschwunden.
Auch ohne Wissen der Kulturbehörde verschwinden Exponate. „Mitunter werden sie im Zuge von Bau- oder Umbaumaßnahmen sang- und klanglos demontiert und tauchen nie wieder auf“, bedauert Rose Pfister, Referatsleiterin für Kunst im öffentlichen Raum. „Wir wissen teilweise gar nicht, wo gerade gebaut wird. „Ich wünschte mir, die Bauherren würden das Kulturressort rechtzeitig informieren.“
Ein kleiner Skandal rankt sich beispielsweise um das Kunstwerk „Nubarron – Die Wolke“, das Renate Nöchel-Baum im Jahr 1981 geschaffen hat. Das Objekt aus elf Stangen, Metallplatten in Wolkenform und Betonsockeln stand fast zwei Jahrzehnte neben dem Fritz-Piaskowski-Bad, verschwand jedoch im Zuge des Parkplatz-Umbaus im Jahr 1999 und ist bis heute verschollen.
Über Monate blieb der Verlust unbemerkt, und das Objekt war auch danach nirgends auffindbar. Zwar hatte das Bauamt Bremen-Nord bei den Umbauarbeiten die Aufsicht, wies damals aber die Verantwortung weit von sich. Die Mitarbeiter der Kulturbehörde hatten indes gar nicht bemerkt, dass „Nubarron“ verschwunden war. Und die damalige Sprecherin der Bäder betonte im Sommer 2001: „Keiner weiß, wo die Installation geblieben ist. Wir sind auf alle Fälle sehr traurig, dass das Kunstwerk weg ist.“

„Nubarron ist wohl aus Unachtsamkeit verschwunden“, mutmaßt Rose Pfister. Manchmal werde das Material gestohlen oder auch als Bauschutt entsorgt. Frei nach dem Motto: Ist das Kunst oder kann das weg? Dafür trügen die Bauherren und Investoren die Verantwortung. Das gelte nicht nur für neue, sondern auch für bereits existierende Kunstwerke. „Viele Neubesitzer denken, dass auch die Skulptur neben dem Gebäude automatisch in ihren Besitz übergeht“, sagt Rose Pfister. „Dem ist aber nicht so.“
Trotzdem verschwand im Jahr 2015 in Lesum die Bronze-Skulptur „Seehund mit Heuler“, die vor der Sparkasse an der Hindenburgstraße platziert war. Das Tier-Ensemble von Carina Malischewski-Brandmüller stammt aus dem Jahr 1968 und ist seit dem Verkauf des ehemaligen Sparkassengebäudes nicht auffindbar. Das Haus übernahm seinerzeit die Firma Nord-Bau.



Die Sparkasse habe erklärt, dass sich die Seehund-Skulptur nicht in der Verkaufsmasse befunden habe, betont Rose Pfister. Nun werde nach der Bronzeplastik gefahndet. „Wir gehen davon aus, dass das Werk nicht eingeschmolzen wurde. Die Tiere sind schließlich eindeutig als Kunstwerk zu erkennen.“ Der Geschäftsführer der Firma Nord-Bau Olaf Mosel hat derweil betont, dass sich die Plastik durchaus in der Verkaufsmasse befunden habe. Über den Verbleib könne er jedoch nichts sagen.
Sang und klanglos wurde offenbar auch die Skulptur „Mutter und Kind“ aus dem Jahr 1988 abgebaut. Die gebürtige Türkin Azade Köker hatte die Plastik anlässlich der Eröffnung der neuen Frauenklinik für die Eingangshalle des Klinikums Nord gestaltet. Die raumgreifende Plastik aus gebranntem Ton war etwa 1,5 mal 1,2 Meter groß und eine Auftragsarbeit für das Krankenhaus. Sie steht nicht mehr dort und ist auch nicht auffindbar.
Azade Köker zeigt sich bei einem Anruf in der Türkei überrascht: „Ich wusste nicht, dass die Skulptur abgebaut ist.“ Der Eigentümer eines Kunstwerks dürfe die Arbeit ihres Erachtens zwar versetzen oder demontieren, „aber er darf sie nicht kaputt machen“, so die 69-Jährige.

„Ich war damals eine sehr bekannte Künstlerin und habe 40 000 Mark bekommen“, sagt sie. Juristische Schritte kündigt sie an, sollte das Werk zerstört worden sein. Leider gebe es aber immer Gesetzeslücken beispielsweise, wenn das Material im Nachhinein als ungeeignet bezeichnet werde. „Aber meine Skulptur war sehr groß. Sie hat zwei Räume optisch verknüpft und gleichzeitig getrennt. Sie war sehr fest montiert.“
Zum Verbleib der Plastik sagt Stefanie Beckröge, Sprecherin des Klinikverbundes der Gesundheit Nord: „Die Skulptur steht leider nicht mehr in der Eingangshalle, weil sie kaputt ist. Sie stand lange dort, ist aber von einem Essenswagen schwer beschädigt worden. Nach mehreren Reparaturen ist sie nach Umbauarbeiten in der Eingangshalle dann nicht mehr aufgestellt worden, weil sie zu instabil war.“ Ein Mitarbeiter des Klinikums, der seinen Namen nicht nennen möchte, meint, dass das Kunstwerk im Zuge der Umbaumaßnahmen im Jahr 1998 verschwunden ist. Die Kulturbehörde hatte bis dato keine Ahnung von der Demontage. Inzwischen untersucht eine Mitarbeiterin die Umstände des Verschwindens. „Denn das Kunstwerk gehört der Stadt“, betont Sprecherin Alexandra Albrecht.
Einem Dieb dürften die stilisierten Bronze-Reiher von Alice Peters-Jonescu in die Hände gefallen sein. Das Werk aus dem Jahr 1964 stand früher auf dem Pausenhof der Schule Burgdamm in Burglesum. „Ich vermute, die sind gestohlen worden“, sagt Rose Pfister. Vielleicht stehe das Werk jetzt in irgendeinem Garten. Wir haben von dem Verschwinden erst später durch einen Zufall erfahren.“ Möglich sei auch, dass Metalldiebe die Tiere abgebaut haben.
Mutwillig zerstört wurde offenbar die „Libelle“ von Norbert Radermacher. Im Rahmen des Nordbremer Bildhauersymposiums „Strandgut“ hatte der Berliner Künstler im Jahr 1992 eine Wasserwaage in den Handlauf des Geländers am Vegesacker Weserufer eingefügt. Irgendwo zwischen der Signalstation und der Gläsernen Werft. Die „Libelle“ fristete ein beabsichtigtes Schattendasein. Ebenso wie andere Arbeiten des Künstlers, die er unter dem Titel „Stücke für Städte“ auf Brücken, Rampen oder Verkehrsinseln platziert hat. Seit Langem ist die Wasserwaage verschwunden. Seit wann, ist nicht bekannt.
„Es gehörte zum Konzept des Künstlers, dass der Standort der Libelle nicht verraten wird. Das Kunstwerk war nur wenige Zentimeter groß und sollte beim Spazierengehen entdeckt werden“, sagt Alexandra Albrecht, Sprecherin der Kulturbehörde. Offenbar hat es ein Kulturbanause entdeckt und mutwillig zerstört. Bestätigt hat dies eine Galeristin des Künstlers. Die Kulturbehörde hält für möglich, dass die Libelle verschwunden ist, „weil das Geländer erneuert wurde“. Rose Pfister will nun aber Kontakt zum Künstler aufnehmen „und ihn bitten, die Libelle noch einmal zu fertigen“.
Noch erhalten, aber demontiert ist das kinetische Windspiel „Yarmak“, das Klaus Boehm 1987 geschaffen hat. Ursprünglich stand es direkt am Vegesacker Hafen.“Es musste dann aber der Treppenanlage vom Haven Hööft weichen“, erklärt Pfister. Dort steht seit 2001 ein Ensemble aus fünf Bronzefiguren von Thomas Recker.
Das blau-weiße Kunstwerk „Yarmak“ sollte nun neben dem Schlepper Regina am anderen Ende der Maritimen Meile platziert werden. Daraus wurde aber nichts, weil das Wasser- und Schifffahrtsamt seine Zusage verweigerte. Zu groß sei die Gefahr, dass Kapitäne es mit einem Seefahrtssignal verwechseln könnten. So lagert „Yarmak“ bis heute auf dem Bauhof in Aumund. „Es ist in einem guten Zustand, das haben wir kontrolliert“, so die Referatsleiterin.
Leider habe das Vegesacker Bauamt noch keinen alternativen Standort gefunden. Aber das sei auch nicht einfach, weiß Rose Pfister. Das 14 Meter hohe Windspiel aus drei gleichschenkligen Rhomben benötige Weite und Raum. Das Hin und Her störe den inzwischen betagten Künstler Klaus Boehm nicht, betont die Expertin. Er habe den Abbau seines Werkes akzeptiert. „Er ist nicht ärgerlich.“
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In unserer morgigen Ausgabe wird diese
Artikelserie mit einem Bericht über die Geschichte und Finanzierung von Kunst im öffentlichen Raum fortgesetzt.
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