Die Stadt und ihr Dienstleister Immobilien Bremen tun sich oft schwer mit der Vermarktung ihrer Gebäude und Grundstücke. Warum ist das so?
Wenn Gebäude leer stehen, obwohl der Wohnungsmarkt so eng ist wie lange nicht, dann stellen sich Fragen. Etwa, warum ein großes Altbremer Haus und eine Osterdeich-Villa, beide im Besitz der Stadt, schon ein Jahr ungenutzt sind. Oder warum aufgegebene Schul- und Amtsgebäude vor sich hingammeln, während Behörden neue Räume anmieten und die Stadt nach Grundstücken für Kitas und Schulen sucht. Auch Privatbesitz steht oft jahrelang leer, verlassene Gewerbe- und Büroimmobilien belasten die Ortsteile. Eine Online-Plattform zeigt, wo was in Bremen verwaist ist: Der „Leerstandsmelder. de“ will einen Überblick schaffen, den die Stadt nicht bietet.
In Sebaldsbrück warten viele Immobilien seit Langem auf neue Nutzer, auch städtische wie die ehemalige Grundschule Beim Sattelhof und das benachbarte frühere Berufsfortbildungswerk. Still ist es dort, die heruntergekommenen Gebäude ohne Leben, in einigen Ecken modert Müll. Eine Sporthalle und Mobilbauten für Flüchtlinge stehen am Rand des Grundstücks. Rund 15 000 Quadratmeter gehören zu dieser Liegenschaft von Immobilien Bremen (IB). Pläne zur Neugestaltung der Flächen gibt es offenbar nicht. Dazu sei ein „städtebauliches Gesamtkonzept“ zu erarbeiten, erklärt IB auf Nachfrage. Das kann dauern.
Häuser in bester Lage verfallen
Weitergekommen ist der Dienstleister bei einer anderen städtischen Liegenschaft. Nach einjährigem Leerstand soll die Villa am Osterdeich 6 verkauft werden: Mindestens 800 000 Euro will Immobilien Bremen für das sogenannte Korczak-Haus haben, einst Sitz der Landeszentrale für politische Bildung und der Deutsch-Polnischen Gesellschaft. Warum so viel Zeit bis zur Ausschreibung verging? Laut IB wollte der Beirat dem Verkauf nur zustimmen, wenn die Denkmalpfleger die Schutzwürdigkeit des Hauses prüfen. Das ist inzwischen geschehen, die Villa steht unter Denkmalschutz.
Kritzeleien an einer Wand, Papier flattert herum, eine Bierflasche liegt im Weg – das Reihenhaus an der Humboldtstraße kennt bessere Zeiten. Zuletzt hatte das Gesundheitsamt das städtische Gebäude gemietet, hatte dort Büros, Akten im Keller und oben eine Hausmeisterwohnung. Seit März 2016 steht alles leer, das einst schöne Haus in bester Wohnlage verfällt. Lange hatte Immobilien Bremen geprüft, ob andere Behörden als Mieter infrage kommen. Nun will IB das Haus für eine Neuvermietung herrichten lassen. Termine werden nicht mitgeteilt, nur so viel: „Die Arbeiten befinden sich zurzeit in Vorbereitung.“
Warum tun sich die Stadt und ihr Dienstleister oft so schwer mit der Vermarktung ihrer Gebäude und Grundstücke? Ein Teil davon solle als „behördlicher Vorrat“ gehalten werden, erklärt IB. Vor Verkauf oder Vermietung müsse man deshalb gründlich analysieren, ob öffentliche Einrichtungen Bedarf an diesen Immobilien haben und die Kosten im Rahmen bleiben. Das nehme viel Zeit in Anspruch. Gehe es um große, komplexe Liegenschaften wie Schulen, sei meist ein neues Planungsrecht nötig, wenn Wohnraum entstehen soll. Bis zum Verkauf könnten Jahre ins Land gehen. Das hat seinen Preis: Die Unterhaltungskosten für ungenutzte öffentliche Gebäude und Flächen beziffert IB mit rund 400 000 Euro für 2016.
Quote ungenutzter Flächen in den vergangenen Jahren konstant
IB hat eine Leerstandsquote von zwei bis drei Prozent in den von ihr verwalteten Mietflächen ausgerechnet. Demnach gab es 2016 in 176 städtischen Gebäuden ungenutzte Flächen. Die Quote sei in den vergangenen fünf Jahren konstant geblieben; bereinigt wurde sie jeweils um die zum Abriss vorgesehenen Gebäude. Wie lange der Leerstand im Durchschnitt dauert, will Immobilien Bremen nicht sagen. Das hänge unter anderem von der Art der Liegenschaft ab und der Verwertung. Relativ schnell gehe es bei ehemaligen Dienstwohnungen, bei denen das Baurecht geklärt sei. Allerdings besitzt Bremen nicht mehr viele solcher Wohnungen. Die meisten leeren städtischen Liegenschaften sind größer und schwerer zu vermarkten.
Diese Bauten eigneten sich oft auch nicht für Büroarbeitsplätze, sagt IB – und mietete trotz Leerstands neue Gebäude an für Dienststellen. Das sei nötig, wenn zum Beispiel alte Mietverträge ausliefen oder gekündigt wurden, heißt es. Oder weil der Flächenbedarf stieg, zuletzt wegen der Flüchtlinge. Bei deren Unterbringung habe Immobilien Bremen viel geleistet, lobt Kai-Ole Hausen von der Arbeitnehmerkammer. IB-Mitarbeiter hätten dafür unter Hochdruck gearbeitet. Hausen schließt nicht aus, dass wegen dieser Belastung und möglicher Personalengpässe andere IB-Projekte nicht die Priorität bekommen, die ihnen eigentlich gebührt.
Kai-Ole Hausen ist bei der Arbeitnehmerkammer Referent für Infrastrukturpolitik und schätzt den Wohnraumleerstand in Bremen auf unter ein Prozent. Er kann nur schätzen, denn Statistiken zu leer stehenden Privathäusern, Büro- oder Gewerbeflächen gibt es nicht. Nur im Bereich Sozialwohnungen werde Leerstand erfasst, und der sei in Bremen nicht nennenswert, sagt der Senat. Hausens Schätzung bezieht sich auf den freien Wohnraum, der sofort oder in bis zu sechs Monaten vermietbar wäre. Nicht berücksichtigt sind also extrem sanierungsbedürftige Flächen oder solche, die vor dem Abriss stehen. Auf „Leerstandsmelder.de“ sind auch sie zu finden.
Seite soll dem Leerstand ein Gesicht geben
Leer, leer, leer – jedes rote Schild auf der Bremen-Karte markiert ein ungenutztes Gebäude, veröffentlicht von den Nutzern der Internetplattform. So viele rote Punkte, dass man es kaum glauben mag. 800 Leerstände – private wie öffentliche – seien auf der Seite dokumentiert, sagt Daniel Schnier vom Autonomen Architekten Atelier. Bremen-Nord hat besonders viele. Schnier und Oliver Hasemann betreiben den „Leerstandsmelder“ ehrenamtlich. Jeder kann dort verwaiste Immobilien melden, ein Bild dazustellen, kommentieren und darüber mit anderen Nutzern diskutieren. Das Motto: Dem Leerstand ein Gesicht geben.
„Die Seite ist auch ein Gedächtnis der Stadt“, sagt Schnier. Jede zusätzliche Information bedeute mehr Transparenz, besseren Überblick und weiteres Wissen über die Geschichte der Gebäude. Graue Punkte informieren über Abrisse. Schnier und Hasemann prüfen die Einträge der Nutzer; die Veröffentlichung sei datenschutzrechtlich abgesichert, betonen sie. Namen würden nicht genannt, Eigentümer nicht angeprangert. Zumal diese die eigenen Häuser nicht immer aus Spekulationsgründen verfallen ließen, sagt Schnier. Oftmals seien ältere Besitzer überfordert mit einer Sanierung. Oder größere Erbengemeinschaften könnten sich nicht einigen.
Nicht immer sind die Einträge auf dem neuesten Stand. Sehr aufwendig sei die Pflege der Seite, räumt Schnier ein. Aber für ihn und Hasemann lohnt sich der Aufwand, sind die beiden doch stets auf der Pirsch nach verlassenen Objekten: ZZZ– Zwischenzeitzentrale heißt ihr Projekt, sie vermitteln leer stehende Gebäude befristet an experimentierfreudige Menschen.
Und das klappt. In das Verwaltungsgebäude der früheren Könecke-Wurstfabrik sind schon viele Zwischennutzer gezogen. Auch Immobilien Bremen, einer der Träger der ZZZ, vermietet Leeres auf Zeit. 2016 gab es IB zufolge 20 Zwischennutzungen städtischer Liegenschaften – von Kunstinitiativen etwa oder Vereinen, die sich in der Jugendarbeit engagieren. Und manchmal wird eine echte Erfolgsgeschichte draus: In der Neustadt wollen Zwischenmieter jetzt die Räume kaufen, in denen sie mit großem Erfolg den Kultur-Treffpunkt „Kukoon“ betreiben.
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