Abwasser zu beseitigen, ist eine energieintensive und daher teure Angelegenheit. Auf seinem Betriebshof in Findorff dreht der Umweltdienstleister Hansewasser den Spieß jetzt um: Er produziert die Energie zur Beheizung seiner sechs Gebäude selbst – mit Hilfe des Abwassers. Gestern wurde die Anlage zur Abwasserwärmenutzung offiziell in Betrieb genommen.
Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen will das Unternehmen Hansewasser mit seinem Pilotprojekt zur Wärmegewinnung: Höhere Wirtschaftlichkeit durch Senkung der Energiekosten (um 33 Prozent) und zugleich einen Beitrag leisten zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes (8000 Tonnen weniger im Jahr). Ermöglicht wird dies durch etwas, wovon es reichlich gibt auf dem Betriebsgelände des Pumpwerks in Findorff: das Abwasser von rund 300 000 Bremern.
Bei der offiziellen Inbetriebnahme der Anlage gestern Vormittag erläuterte Swen Pfister, Bereichsleiter für das Kanalnetz von Hansewasser, wie die Abwasserwärmenutzung funktioniert: Das zwölf Grad warme Wasser wird aus sechs Meter Tiefe in einen Wärmetauscher gepumpt. Acht Wärmepumpen erhitzen es auf 55 Grad Celsius. Dann wird das Abwasser in ein Nah-Wärmenetz abgegeben, das heißt: via 630 Meter Leitungen auf dem Betriebshof verteilt. Resultat ist die komplette Beheizung der sechs Gebäude des Pumpwerkes, wo 70 Beschäftigte arbeiten.
33 Prozent weniger Energiekosten
Viel Geld habe man dafür in die Hand genommen, sagte Jörg Broll-Brickhardt, technischer Geschäftsführer des Unternehmens: 950000 Euro waren für das Pilotprojekt zu zahlen. „Aber wir rechnen mit deutlichen Einsparungen bei den laufenden Energiekosten in Höhe von etwa 33 Prozent.“ 15 Jahre müsse die Anlage in Findorff laufen, so Brickhardt, dann habe sie sich amortisiert.
Nicht zu vergessen sei der ökologische Aspekt durch die CO2-Reduzierung, ergänzte der kaufmännische Geschäftsführer der Hansewasser, Uwe Dahl. Er bezeichnete die Anlage als einen weiteren Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität des Unternehmens. Sie ist für 2015 geplant.
Die Pilotanlage bietet nach Dahls Worten auch neue Möglichkeiten für die Stadt Bremen. „Perspektivisch könnte die Wärmegewinnung aus Abwasser im gesamten Stadtgebiet erfolgen.“ Benötigt werde dafür lediglich ein entsprechend großer und konstanter Abwasserstrom von mindestens zehn Litern pro Sekunde. Eine Voraussetzung, die in der Regel in den Innenstadtbereichen innerhalb der Einzugsgebiete der großen Abwasserkanäle gegeben sei.
Dies treffe auf etwa 100 der insgesamt 2300 Kilometer des Kanalnetzes zu, präzisierte Ingenieur Swen Pfister. Etwa zehn Prozent des Stadtgebietes könne man auf diese Weise theoretisch mit Wärme versorgen, schätzt er. Theoretisch. Denn tatsächlich müssten mehrere Faktoren zusammenkommen, damit sich eine Anlage wie die auf dem Betriebshof in Findorff rechne, so Pfister. Neben den Investitionen im Kanalnetz seien vor allem die Ausgaben auf Seiten der Nutzer zu bedenken. Für einzelne Privathäuser würde sich diese Art der Energiegewinnung nicht lohnen. Denkbar sei sie eher für größere Gebäudekomplexe wie Krankenhäuser, Schulen oder Verwaltungseinrichtungen, eventuell auch für zusammenhängende Wohnsiedlungen.
Am günstigsten wäre eine Umstellung, wenn auf der einen Seite ohnehin Kanalsanierungsarbeiten anstünden und zeitgleich auf der anderen Seite über energetische Sanierungen nachgedacht werde, erklärte Pfister. So sei einer der Anlässe für die Anlage in Findorff gewesen, dass die Gasheizung auf dem Betriebshof ohnehin hätte ersetzt werden müssen.
In diesem Sinne sieht auch Umweltsenator Joachim Lohse (Grüne) das Pilotprojekt, das die Stadt Bremen mit 80000 Euro gefördert hat. „Abwasserleitungen gibt es überall in der Stadt. Die Pionierarbeit von Hansewasser eröffnet uns deshalb neue Chancen für effiziente Energienutzung und den Klimaschutz“, betonte Lohse, der die Anlage gestern gemeinsam mit Jörg Broll-Bickhardt und Uwe Dahl per symbolischem Knopfdruck in Betrieb setzte. Dies gelte besonders dort, wo Kanalarbeiten anstünden oder zum Beispiel neue Wohnquartiere entwickelt würden, so Lohse. „Wir werden das weiterverfolgen“, kündigte der Umweltsenator an.