Bremen. Bereits zum sechsten Mal kommen Fachleute aus ganz Deutschland nach Bremen und sprechen darüber, wie man Rettungskräften im Umgang mit Extremsituationen helfen kann. Jochen Thaens, Landesbeauftragter für psychosoziale Notfallversorgung beim Roten Kreuz, erklärt im Interview warum auch Helfer immer öfter Hilfe brauchen.
In ihrem Symposium geht es um den Umgang von Rettungskräften mit Extremsituationen. Hat sich die Forschung in diesem Bereich in den letzten Jahren verstärkt?
Wir in Bremen haben selbst an einer Studie der teilgenommen, die die Stressbelastung im Rettungsdienst untersucht hat. Da sind Psychologen in den Rettungswagen mitgefahren, der Blutdruck der Rettungskräfte wurde laufend überprüft und anhand von Speichelproben wurden Stresshormone gemessen.
Was kommt bei der Forschung denn heraus?
In vielen Fällen ist das nicht ganz so einfach. Viele Ergebnisse sind nicht immer gleich eins zu eins umsetzbar. Das sind eher Mosaiksteine, die sich nach und nach zu einem ganzen Zusammenfügen. Das Makabre ist aber, dass Katastrophen oft der Motor für eine nähere Beschäftigung mit einem Problem oder Anlass für Verbesserungen sind. So war das zum Beispiel nach dem Zugunglück in Eschede. Hinterher hat man sich damit auseinandergesetzt, wie man Helfern dabei helfen kann, die Bilder zu verarbeiten.
Kann man etwas tun, um Rettungskräfte auf solche extrem belastenden Situationen vorzubereiten?
Ein erster Ansatzpunkt ist, dass die Einsatzkräfte ihr Handwerkszeug perfekt beherrschen. Wenn sie sich absolut sicher sind, was sie tun, ist ein großer Belastungsherd, eine Quelle für Unsicherheit schon einmal ausgeschaltet. Dann hilft es sicher auch, wenn man sie darüber informiert, was bei Belastungen mit ihnen passiert. Wenn sie wissen, was bei ihnen ausgelöst wird und wo es herkommt, können sie einfacher damit umgehen. Im konkreten Einsatz steht dann aber ein Helfer unter Umständen allein inmitten einer Menschenmasse und muss seine Arbeit tun. Darauf kann man ihn nur bedingt vorbereiten.
Haben sich die Belastungen für Rettungskräfte in den vergangenen Jahren verändert?
Das ist ein Stück weit sogar eine gesellschaftspolitische Frage. Der Umbau der Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten hat auch zu einem Umbau der Rettungskräfte geführt. Wir leben in anderen, deutlich behüteteren Lebensumständen als vor 30 oder 40 Jahren. Da sind wir solche Extremsituationen nicht mehr gewohnt. Und das macht auch die Belastung größer. Dafür muss man nicht mal die großen Katastrophen in den Blick nehmen. Schon die Soldaten in Afghanistan sind für den Einsatz, den sie leisten, eigentlich gar nicht mehr gemacht.
Waren denn Rettungskräfte, Polizisten und Feuerwehrleute früher härter?
Das glaube ich nicht. Wenn man heute Fernsehdokumentationen sieht, in denen die Rettungskräfte zu Wort kommen, die bei der „Wilhelm Gustloff“ im Einsatz waren, merkt man, dass die bis ins hohe Alter mit dieser extrem belastenden Situation kämpfen. Früher wurde das nur nicht thematisiert. Heute gibt es eine höhere Sensibilität bei den Einsatzleitern. Es gibt aber auch eine größere Zahl von Krankheiten, die durch Belastungen ausgelöst werden, wie zum Beispiel Burn Out Erkrankungen.
Beschäftigen sich die Rettungskräfte selbst auch mehr mit dem Thema?
Es gibt sicherlich immer noch einen gewissen Prozentsatz „Harte Kerls“, die Angst haben, sich mit ihren Problemen oder Belastungen zu outen, Schwächen zu zeigen. Sie befürchten Konsequenzen oder glauben, sie würden dann bei Beförderungen übergangen. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse können da vielleicht helfen, indem sie auch diesen Kollegen zeigen, dass ihre Reaktion nichts Schlimmes sondern etwas Normales ist. Auch deshalb ist der Austausch auf dem Symposium wichtig.
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