An der Wilhelm-Kaisen-Brücke hat ein alternativer Markt Platz gefunden Weihnachtsbaum aus Euro-Paletten

Neustadt. Marie van Hövell ist überaus angetan. „So etwas wie einen Weihnachtsmarkt haben wir in meinem Heimatland nicht“, verrät die Niederländerin, die gerade bei ihrer Freundin Stella zu Besuch in Bremen ist.
17.12.2015, 00:00 Uhr
Lesedauer: 3 Min
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Von Christian Markwort

Marie van Hövell ist überaus angetan. „So etwas wie einen Weihnachtsmarkt haben wir in meinem Heimatland nicht“, verrät die Niederländerin, die gerade bei ihrer Freundin Stella zu Besuch in Bremen ist. Gemeinsam mit vier weiteren Freunden sitzen die beiden jungen Frauen in einer Jurte nahe der Wilhelm-Kaisen-Brücke und genießen ein Gläschen Glühwein. Die Jurte gehört zum alternativen Weihnachtsmarkt, der noch bis Mittwoch, 23. Dezember, in der Neustadt aufgebaut bleibt.

Initiiert hat ihn Nicholas Hirschmann, Betreiber der Kneipen „Papp“ und „Karton“. Gemeinsam mit zahlreichen Mitstreitern hat Hirschmann über das Kultur-Netzwerk „Vis-à-Vis“ der Neustadt jede Menge Neustädter Künstler, Kulturschaffende sowie Studierende der Hochschule Bremen zusammengetrommelt, „um einen bunten Kontrapunkt zu den konventionellen Weihnachtsmärkten zu schaffen“, wie er sagt. Diese stünden im Zeichen des Konsums und seien in erster Linie rein auf Profit ausgerichtet.

Der alternative Weihnachtsmarkt sei anders. Zwar werden auch hier Standgebühren erhoben, die später einem guten Zweck zugeführt werden sollen. Auch die Getränke und Speisen würden – genauso wie auf den konventionellen Markt – gegen Geld angeboten. „Aber im Mittelpunkt steht bei uns der Mensch“, versichert Hirschmann. Sein Weihnachtsmarkt solle lediglich einen bunten Rahmen bilden, den Künstlerinnen und Künstler aus der Neustadt ebenso mit Leben füllen sollen wie auch „Otto oder Ottilie Normalverbraucher“, wie Hirschmann lächelnd erklärt.

Zwischen den einzelnen Buden, die zum größten Teil aus einfachen Euro-Paletten hergestellt worden sind, herrscht reges Treiben. Zahllose Besucher tummeln sich zwischen Glühwein- und Würstchenbuden, nehmen an den vielen Veranstaltungen im kleinen Kinderzelt oder der großen Jurte teil und vergnügen sich bei veganer Grillwurst und selbst gebrauten Getränken. Das Programm an den einzelnen Tagen ist ebenso vielfältig wie überraschend. „An einer Tafel werden jeden Tag aufs Neue die einzelnen Programmpunkte angekündigt“, erklärt Hirschmann, der selbst gar nicht immer weiß, was wann stattfindet. „Das entscheiden die Künstlerinnen und Künstler ganz spontan“, betont der Organisator, „ich selbst habe darauf nur wenig Einfluss.“

Ein grobes Konzept

Selbst die Idee zu dem alternativen Weihnachtsmarkt sei spontan entstanden: „Wir saßen eines Tages in meinem Musikimbiss zusammen und haben uns überlegt, wie wir den kommerziellen Märkten entgegentreten könnten“, blickt Hirschmann auf die Anfänge zurück. Nachdem ein grobes Konzept entwickelt worden sei, hätten die Initiatoren beim Stadtamt eine Lizenz beantragt, die ihnen umgehend erteilt wurde. Seit dem Auftakt am 28. November fänden pro Tag mindestens zwei Veranstaltungen statt, die zahlreichen Buden würden immer abwechselnd von verschiedenen Verkäufern betrieben. „Wir haben in der Regel fünf Aussteller am Start“, erklärt Hirschmann. Immer wieder kommen Aussteller, Künstler oder Besucher herein, die nach weiteren Stromanschlüssen, Sitzgelegenheiten oder Europaletten für ihre Stände fragen.

Einer der Fragenden ist Armin Schmid, Mitarbeiter der Stadtgarteninitiative „Ab geht die Lucie“. Er benötigt einen Schraubendreher, um dem hölzernen Weihnachtsbaum – natürlich aus Euro-Paletten hergestellt – einen sicheren Stand zu verschaffen. Seit Juni 2013 ist die „Lucie“ auf dem Lucie-Flechtmann-Platz aktiv, wo ein Garten für alle und ein Ort des Handelns entstanden ist. Begegnungen, Austausch und eine gelebte Nachbarschaft werden dafür genutzt, das Stadtbild und den eigenen Lebensraum selbst mitzugestalten. „Passt einfach perfekt zu unserem Konzept“, versichert Nicholas Hirschmann, der den alternativen Weihnachtsbaum „einfach klasse“ findet. Die Initiatoren der „Lucie“ laden Menschen dazu ein, umzudenken und selbst aktiv zu werden – „genau wie wir auch“, so Hirschmann. Und das Konzept geht offensichtlich auf: Sowohl die Besucher als auch die umliegenden Nachbarn hätten sich äußerst angetan von dem Gegenstück zum konventionellen Weihnachtsmarkt gezeigt, auch die gesellige Gruppe in der großen Jurte ist begeistert. „Ich finde diese ganz einfachen Buden aus Euro-Paletten reizvoll“, meint beispielsweise Elmar Schroers aus dem Viertel. Torben Söhnke aus Walle ist eher durch Zufall auf diesen Weihnachtsmarkt gestoßen: „Ich war in der City einkaufen“, erzählt der Lehramtsstudent, „aus der Ferne sah ich hier viele Lichter und war neugierig, was es damit auf sich haben könnte.“

Er wolle „auf jeden Fall“ noch einmal wiederkommen – und dann auch seine Freunde mitbringen. „Eine außergewöhnlich harmonische und fröhliche Atmosphäre“, findet auch Jenny Kelke aus Aachen, die ihre Freundin Stella im Viertel besucht wie auch die Niederländerin Marie van Hövel. Die fröhliche Truppe genießt selbst gemachten Glühwein – „und nicht den aus dem Tetrapack“, heben die sechs Besucher beinahe einstimmig hervor.

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