Lehe. Die Tomatenzucht im Weltall weckt Interesse. Immer wieder bleiben die Besucher der kleinen Raumfahrt-Sonderausstellung im Universum Bremen an dem eher unscheinbaren Satellitenmodell hängen und studieren interessiert, was das Institut für Raumfahrtsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Eu.CROPIS – so der offizielle Namen des Projekts – bezweckt. Das Namens-Kürzel steht für „Euglena Combined Regenerative Organic Food Production in Space“. Das heißt soviel wie: „Erneuerbare natürliche Nahrungsproduktion im Weltall in Kombination mit Augentierchen.“ Letztgenanntes sind Einzeller, die mit der wichtigen Aufgabe betraut sind, das komplett abgeschlossene kleine Ökosystem an Bord des Satelliten mit Sauerstoff zu beliefern. Das ganze Vorhaben soll mit Blick auf künftige langjährige, bemannte Raumfahrtmissionen testen, ob es möglich ist, Nahrung im All, auf dem Mond oder dem Mars zu züchten. Erdacht und konzipiert wurde der Satellit, der noch in diesem Jahr starten soll, nur ein paar Hundert Meter vom Universum entfernt. Und das gilt auch für fast alle übrigen Exponate der kleinen Sonderschau „Highlights aus der Bremer Weltraumforschung“, die noch bis 26. März im Universum zu sehen ist.
Experimente im freien Fall
Aufgebaut wurde sie anlässlich und parallel zur Frühjahrstagung der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG), die in diesem Jahr in Bremen Station macht. Und ähnlich wie vielen Besuchern im Universum ging es auch den angereisten Experten für Umwelt- und Plasmaphysik, Gravitation und die Relativitätstheorie von Albert Einstein. „Viele haben gesagt, sie hätten gar nicht gewusst, dass Bremen so ein Zentrum der Raumfahrt sei“, berichtet Professor Claus Lämmerzahl, einer der wissenschaftlichen Direktoren am Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen. Das Zentrum ist an seinem 146 Meter hohen Fallturm weithin erkennbar. In diesem Fallturm sind physikalische Experimente im freien Fall, sprich in der Schwerelosigkeit, hier auf der Erde möglich. Ein Eins-zu-eins-Modell der dafür notwendigen Fallkapsel ist ebenfalls Teil der Universum-Ausstellung, zu der Lämmerzahl die Idee hatte. Er sammelte auch höchstselbst die Exponate von den wissenschaftlichen Einrichtungen zusammen, die mehr oder wenige allesamt im Umkreis des Universums zu Hause sind.
Weltbild im Wanken?
Gezeigt und erläutert wird etwa das europäische Navigationssystem Galileo, dessen Satelliten hier bei OHB zusammengebaut werden, oder das französische Projekt Microscope, bei dem das ZARM Partner ist. Das Modell des vor rund einem Jahr gestarteten Microscope-Satelliten steht direkt neben der Tomatenzucht und ist wissenschaftlich gesehen eigentlich wesentlich spektakulärer: Es geht darum, das Äquivalenzprinzip nachzuweisen oder zu widerlegen. Das berührt eine der Grundlagen der Theorien Einsteins und könnte im Fall des Widerlegens das physikalische Weltbild des 20. Jahrhunderts nahezu komplett zertrümmern. Aber das ist eben für die zahlreichen Besucher schwerer vorstell- und vermittelbar als die Tomatenzucht im All. „Im Grunde geht es um die Tatsache, dass Körper unabhängig von ihrer Masse im Vakuum immer gleichschnell nach unten fallen, die Gravitation also auf alles gleich wirkt“, erläutert Lämmerzahl. Es ist das berühmte Experiment, bei dem ein schwerer Hammer genauso schnell zu Boden fällt wie eine Feder. Das umgangssprachliche „genauso schnell“ heißt wissenschaftlich aktuell, dass man bis zur 13. Stelle hinterm Komma nur Nullen gemessen hat. Aber sind auch Nummer 14 und 15 noch Nullen? Microscope soll das in einer Umlaufbahn um die Sonne und mit zwei unterschiedlichen Massen klären. „Alles andere wäre natürlich eine Überraschung, aber wir haben es bislang eben noch nicht nachmessen können“, erklärt Lämmerzahl.
Das ist Grundlagenforschung, liefert aber nebenbei auch Erkenntnisse für die immer genauere Vermessung des Schwerefeldes der Erde. Und da wird es dann ganz praktisch: „Mit präziseren Messungen des Schwerefeldes können wir zum Beispiel den Anstieg des Meeresspiegels genauer bestimmen“, sagt Lämmerzahl. Überhaupt sieht der Physiker in der Weltraumforschung immer eine Mischung aus dem „Drang des Menschen zur Erkenntnis“ und praktischem Nutzen. „Wenn Sie sämtliche Satelliten um unseren Globus herum abschalten würden, bräche hier unten sehr viel in wenigen Minuten zusammen.“ Satelliten lotsten den Verkehr, übertrügen Telefonate oder Fernsehsendungen und koordinierten weltweit Finanztransaktionen.
Perfekt eingebunden
Die Ausstellung im Universum soll daher zum einen helfen, diese Zusammenhänge zu verstehen und gliedert sich mit ihrem fachübergreifenden Ansatz nach den Worten von Universum-Pressesprecher Bastian Bullwinkel damit perfekt in das Gesamtkonzept des Hauses ein. Zum zweiten soll aber auch die Bedeutung Bremens als, so Lämmerzahl, „Deutschlands Raumfahrtzentrum“ ins Bewusstsein gerückt werden. „Wir haben hier in der Stadt alle Bereiche: Industrie und Satellitenbau, zahlreiche Forschungsinstitute und mit den zwei neuen internationen Master-Studiengängen Weltraumforschung und -technologie sowie Space Engineering auch die zugehörigen Ausbildungsgänze“, betont er.