
Kaum einen Sektor hat die Corona-Pandemie so hart getroffen wie die Kultur. Auch auf den meisten Bühnen Bremens liegt Staub. Verschlossene Türen, abgesagte Veranstaltungen, kein Ende in Sicht. Eine ganze Branche im Stillstand? „Das sieht ja von außen nur so aus. Es passiert ordentlich was“, sagt Felix Büttner. Einer, der es wissen muss.
Der 28-Jährige hat auf vielen Feldern der Bremer Kulturlandschaft seine Finger im Spiel. Büttner ist Programmplaner im Kulturzentrum Lagerhaus, neuerdings auch Geschäftsführer der Musikschule Neue Pop im Viertel, er spielt in zwei Bands. Seit zwei Jahren ist er in der Genossenschaft, die die Eckkneipe Horner Eck übernommen hat. Und auch ungefähr genauso lange ist er Vorstand in dem Verein Clubverstärker. Corona hat ihn nicht ausgebremst, eher noch animiert. „Ich versuche, nicht in den Corona-Trott reinzukommen, sondern die Zeit zu nutzen.“
Vor der Pandemie wäre er nicht darauf gekommen, eine Musikschule zu betreiben, sagt er. Aber so könne er alles symbiotisch miteinander verknüpfen. Im Horner Eck nehme er zum Beispiel gerade mit der einen Band ein Album auf. Vor Corona undenkbar: Auf einmal wird die Kneipe zum Tonstudio.
Selbst im Kulturzentrum Lagerhaus gebe es für ihn, den Programmplaner ohne Programm, genug zu tun. Nicht stattgefundene Konzerte bekommen Ersatztermine, die verstreichen oder schon verstrichen sind und neue Ersatztermine brauchen. „Ob es letztendlich stattfindet oder nicht: Planen muss man, um was in der Hand zu haben“, sagt Büttner. Alles muss jedes Mal wieder mit den Bands abgesprochen und dem jeweiligen Tourplan abgeglichen werden. Eigentlich sei es also dreimal so viel Arbeit wie zuvor. Die Läden rüsten mit neuen Lüftern auf oder versuchen das Programm nach draußen zu verlagern. Stillstand sieht anders aus.
Natürlich merke auch er, dass sich langsam eine Müdigkeit breit mache, dass es immer wieder neue Ideen brauche, je länger das Virus grassiert. “Auf so eine Museumskneipe, wie wir sie am Anfang der Pandemie im Horner Eck gemacht haben, hätte ich jetzt auch keine Lust mehr.“ Damals sei das eine witzige Idee gewesen, man habe die neue Situation aufzeigen wollen. Die Eckkneipe wurde durch Plexiglasscheiben zum Museum und eine banale Szenerie wie der Tresen mit Gläsern wurde zum Exponat. „So konnte man die alte Normalität durch die neue erblicken.“
Eine dieser neuen Ideen ist der Club100, hervorgebracht vom Verein Clubverstärker und vom Unternehmen Sendefähig. Beim Club100 werden digitale Streaming-Konzerte angeboten. Mit einem Ticket kommt man durch einen Code zu einem exklusiven Livevideo eines Konzertes im Pier2. Dort sind in den letzten Wochen bereits Künstlerinnen und Künstler wie Pohlmann und Catt aufgetreten, das Programm geht noch bis Ende Mai. Durch so eine Aktion zeichne sich die Bremer Szene aus: „Das hat bundesweit Aufmerksamkeit bekommen, Bremen legt damit vor.“
Dennoch könne das virtuelle Format allenfalls Ablenkung sein, aber kein vollwertiger Ersatz. „Für viele marginalisierte Gruppen ist der Club auch ein Rückzugsort und ein Safespace. Gerade für schwarze Menschen, oder wenn ich zum Beispiel auf die LGTBQ-Community schaue.“ Da fehle viel mehr als das „Ich hab mal wieder Bock zu saufen“. Büttner findet daher, dass gerade die Menschen, die mit am Lautesten nach den Wiedereröffnung der Discos schreien, um dort tanzen gehen und Party machen zu können, nicht die sind, die es am meisten brauchen.
Der soziokulturelle Aspekt seiner Arbeit ist Büttner wichtig, das merkt man ihm an. Beispiel Lagerhaus: Dort kann man nicht nur Konzerte besuchen, sondern zum Beispiel auch Sprachkurse. Es gibt dort ein Café, eine Kneipe, Proberäume. „Da soll Kultur produziert werden.“ Deswegen spreche er auch nicht von Clubszene, sondern von Clubkultur. Und gerade vor diesem Hintergrund wünsche er sich, dass es bald wieder losgehen kann.
Doch selbst für den Fall einer baldigen Öffnung befürchtet Büttner, dass die Sorglosigkeit in der Kultur noch länger fehlen wird. Vor allem kleine Bands stünden vor einer schwierigen Zeit. „Die Clubs werden darauf angewiesen sein, erst einmal das Programm zu fahren, das sichere Einnahmen bringt.“ Das Risiko, dass man bei einer unbekannteren Band eventuell draufzahle, werden seiner Meinung nach nicht mehr viele Veranstalter eingehen. Und auch den einen oder anderen Club werde es nach Corona nicht mehr geben, meint Büttner. Bremen könne sich über alles freuen, was nach der Pandemie noch da ist.
Er setzt seine Hoffnung in die jüngere Generation: Es gebe viele junge Kollektive, die Flächen bespielen, auch junge Künstler, die auf der Bühne stehen. Das versuche er auch den Kindern in der Musikschule zu zeigen: „Sobald man auf der Bühne steht, hat man eine gewisse gesellschaftliche Relevanz.“ Dafür, findet er, tun das bei Bands noch zu wenige Frauen. Noch so eine Sache, die er in der Schule zu fördern versucht.
Gerade jetzt merke er auch, in was für einer privilegierten Position er sich befinde. Man müsse das anerkennen und gemeinsam versuchen, diese Ungleichheiten abzubauen. „Solange das nicht passiert, können wir nicht von einer offenen Gesellschaft reden. Auch nicht im Musikbereich.“
Unterkriegen lässt er sich aber auch davon nicht. Mit seinen Bands – Burnout Ostwest und Alltag – produziert er gerade neue Alben, mit Alltag plant er eine Parkplatz-Tour für den Sommer. Er will alles geben, was unter Corona-Bedingungen möglich ist. „Ich habe gar keine Lust auf Langeweile, das macht mich fertig, dafür bin ich zu jung.”
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