
Als ich vor 20 Jahren als Taxifahrer angefangen habe, fuhr ich einen 123er-Mercedes – ein Klassiker, Baujahr 1979. Da war alles original, mit Schafsfellen, aber ohne ABS. Wenn bei dem Wagen mal die Wasserpumpe kaputt ging, habe ich Orangensaft reingekippt und mich damit noch bis zum Hof gerettet. Mein Chef damals war ein etwas ökologisch eingestellter Typ, der aus Bio-Sachen immer viel gebastelt und recycelt hat. Und beim 123er sollte ich dann statt Diesel gepresstes Sojaöl, also Speiseöl, tanken. Mein Chef hatte davon zehn Tonnen aus Hamburg mitgebracht. Das hat auch funktioniert, der Wagen fuhr. Es war irgendwann im Sommer. Um ein Uhr nachts stand ich mit dem Taxi an einer Schranke, der Motor lief und die Fenster waren offen. Meine Fahrgäste meinten dann: „Da hat wohl noch jemand Hunger“. Die dachten, irgendwer in der Nähe hätte mitten in der Nacht den Grill angeschmissen. Dabei war das mein Motor, der nach gebratenem Fleisch gerochen hat.
Irgendwann war mein Auto dann ein bisschen berühmt und viele Leute wollten gerne mal bei mir mitfahren. Das waren sehr gute Zeiten. Einmal habe ich sogar in einem Musikvideo mitgespielt. Der Regisseur hatte einen Taxifahrer gesucht und mich angesprochen. Die Kameraleute haben mir Anweisungen gegeben und ich bin ein paar Mal die Straße rauf und runter gefahren. Mein Chef wusste davon natürlich nichts. Das Video lief dann später im Fernsehen bei Viva oder MTV.
Natürlich habe ich in den 20 Jahren viele verrückte Sachen erlebt. Auf der Gröpelinger Heerstraße hat mich mal ein Mann rangewunken. Ich war frei und ließ ihn einsteigen. Der Typ trug einen langen Mantel und redete verwirrt, wollte anscheinend nach Findorff. „Alles klar, kein Problem“, habe ich gesagt, dann aber festgestellt, dass wir die Polizei im Schlepptau hatten. Im Rückspiegel sah ich dann, dass unter seinem Mantel überall Blut war. Und eine Machete. Der hatte wohl kurz zuvor einen Mann zermetzelt und war dann ausgerechnet bei mir im Taxi gelandet. Ich habe versucht, cool zu bleiben. Er wollte dann aussteigen und hat gesagt: „Du hast mich nicht gesehen.“
Ein anderes Mal wurde ein Kollege von mir überfallen. Wir haben uns koordiniert und den Täter mit 20 oder 30 Taxis verfolgt. Die Verfolgung endete dann an der Polizeiwache in Walle. Als die Polizisten rauskamen, hatten sie eher damit zu tun, den Typen vor uns zu schützen, anstatt ihn zu verhaften. Wir Taxifahrer sind da schon sehr solidarisch – gerade weil es kein einfacher Job ist. Zum Beispiel arbeitet man oft nachts und sitzt die meiste Zeit. Viele rauchen dann aus Langweile und ernähren sich ungesund. Außerdem wird es immer schwieriger, alleine vom Taxifahren zu leben. Ich habe auch mal eine Zeit lang studiert und da war Taxifahrer ein guter Nebenjob. Aber eine Familie kann man davon kaum ernähren. Ich habe Frau und Kinder, die müssen ja auch vernünftig leben. Momentan fahre ich nur noch die Hälfte der Woche Taxi und an den restlichen Tagen LKW. Ewig werde ich das aber nicht machen.
Ich habe meine eigenen Probleme, spiele aber als Taxifahrer auch sehr oft den Psychologen für fremde Menschen. Wenn zum Beispiel Leute mit ihren Partnern Streit haben oder sich in einer Trennung befinden, fragen die mich häufig nach meiner Meinung. Ich tröste dann und verteile Taschentücher. Manche Leute, vor allem Ältere, wollen sich häufig einfach nur unterhalten und ein bisschen durch die Gegend fahren. Das kann manchmal schon etwas bedrückend sein.
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch viele positive Erlebnisse. Ich habe mal ein älteres Ehepaar bei sich im Reihenhaus abgeholt. Die Frau war 98 und der Mann 103, beide total fit, ohne Gehstock oder Rollator. Das war schon mal recht außergewöhnlich. Die beiden wollten zum Altersheim in der Kornstraße und haben mich gebeten, sie nach einer Stunde wieder abzuholen. Ich kam also zurück und habe sie gefragt: „Na, alles erledigt?“ Die meinten nur: „Ja, war nicht so wichtig. Wir haben nur unseren Sohn im Altersheim besucht.“ Da musste ich ziemlich lachen.
Aufgezeichnet von Felix Wendler.
Akin Sahin ist 42 Jahre alt und fast die Hälfte davon als Taxifahrer in Bremen unterwegs. In der Zeit vor den Navigationsgeräten kannte er sich in der Stadt besser aus. Betrunkene sind für ihn kein Problem, solange sie nicht in sein Auto kotzen. Wenn Sahin irgendwann mal kein Taxi mehr fährt, möchte er in der Gastronomie arbeiten.
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