Umso später es wird, desto voller ist es am Deich. Menschenmassen drängeln sich nicht mehr nur in die Zelte und vor die Bühnen, sondern nehmen zwischen Bierbänken und Imbissbuden jeden Quadratmeter Breminale in Beschlag. Der asphaltierte Weg am Wasser wird schleichend zur Hauptverkehrsader einer mittelgroßen Stadt – allerdings ohne die Ordnung des öffentlichen Straßenverkehrs. Manche Gäste flanieren ohne erkennbares System durch die Gegend, andere bleiben einfach im Weg stehen, als wäre das ihr liebstes Hobby.
Das macht es Johannes und seinen Kollegen nicht gerade einfacher. Er gehört zum Team, das die Getränkewagen mit Nachschub versorgt. Johannes ist schon seit elf Jahren dabei und schleppt Fässer und Kisten über den Rasen. „Viele von uns machen das schon seit vielen Jahren. Die Atmosphäre ist sehr familiär“, erzählt er. Das Festivalgelände ist in Bereiche aufgeteilt. Johannes zieht also regelmäßig Runden durch sein Gebiet und fragt bei den Ständen nach dem Rechten.
Spießrutenlauf durch die Menge
Er schlägt Haken wie ein Hase und weicht dem unvorhersehbar durch die Gegend laufenden Partypublikum aus. Meistens würden sich die Leute kooperativ zeigen, wenn er mit einer Ladung Bierkästen durch die Menge drängelt. „Es ist ja in Jedermanns Sinn, dass kalte Getränke ankommen.“ In den vergangenen Jahren habe er gelernt, mit den Festivalgängern umzugehen. „Mit zwei Fässern Bier auf der Sackkarre wird man eher durchgelassen als mit einer Kiste Cola“, erzählt er. Das Funkgerät auf seiner Schulter rauscht immer wieder. Er lauscht aufmerksam. Das Team kommuniziert untereinander per Funk, um sich abzusprechen – eine Sackkarre hat einen platten Reifen, an einem Bierstand mangelt es an Spülschwämmen. „Ab und zu geht etwas kaputt, wie die Dichtung einer Kohlensäureflasche. Das bringt uns in Verzug.“
Eine Frau im Bierwagen drückt ihm eine Liste in die Hand. Er eilt zurück zum eingezäunten Lager und schließt die Tür zum Kühlwagen auf. Cola, Mineralwasser und Apfelsaft stehen auf dem Einkaufszettel. Johannes türmt die Kisten auf die Sackkarre. Der menschliche Hindernisparcours zwischen ihm und dem Getränkewagen zeigt sich größtenteils kooperativ und macht den Weg bereitwillig frei. Die Selbstvergessenen werden von ihren Freunden zur Seite gezogen, wenn sie Johannes im Weg stehen und trotz höflicher Aufforderung keinen Platz machen. Die Mitarbeiter am Getränkewagen nehmen die Neuware dankbar entgegen und tauschen die vollen Kästen gegen leere.
Am Tag gibt es zwei große Versorgungstouren: morgens ab 8 und abends gegen 18 Uhr. Dazwischen läuft Johannes von Wagen zu Wagen und versichert sich, dass in seinem Gebiet niemand auf dem Trockenen sitzt. „Im Team arbeiten knapp 100 Leute“, sagt Harald Siegel, Geschäftsführer der Breminale GmbH. Der Job sei sehr anspruchsvoll, besonders bei den Temperaturen: Ein Fass brauche etwa 20 Stunden, um durchzukühlen. „Warm wird es aber sehr viel schneller.“