Bremen·Hamburg . Der Schiffsplatz Hamburg war, spätestens nach dem Ende des Norddeutschen Lloyds vor 41 Jahren, eigentlich wichtiger als Bremen. Die Reedereien dort sind zahlreicher und größer. Mit bislang einer Ausnahme: An der Weser saß mit der Beluga Shipping der Weltmarktführer im Bereich Schwergut- und Projektladung und der ganze Stolz der hiesigen maritimen Szene. Die wirtschaftliche Schieflage der Reederei aber verschiebt jetzt das Kräfteverhältnis deutlich. Denn 20 Schiffe, die bislang für Beluga auf Fahrt gingen, fahren künftig für die Hammonia Reederei in Hamburg.
Schuld sind die wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei dem einstigen Vorzeigeunternehmen. Erst wurden wochenlang die vereinbarten Charterraten nicht gezahlt, dann verlangte der US-Investor Oaktree, der vor zwei Wochen die Macht bei Beluga übernommen hatte, von den Gläubigern der Reederei weiteren Verzicht. Emissionshäuser wie HCI, die mit dem Geld Tausender privater Anleger die Schiffe finanziert und an Beluga verchartert (vermietet) hatten, sollten sich mindestens die kommenden zwölf Wochen mit deutlich reduzierten Ratenzahlungen in Höhe der reinen Schiffsbetriebskosten begnügen. Dann aber wären eigene Kreditzahlungen ebenso wenig möglich gewesen wie Gewinnausschüttungen an die Anleger, wie sie im Verkaufsprospekt versprochen worden waren.
HCI ist deshalb, wie zuvor auch andere Unternehmen, auf Gegenkurs gegangen und hat die Verträge mit Beluga fristlos gekündigt. 40 von insgesamt 55 Charterschiffen haben nach Recherchen unserer Zeitung die einst mächtigste Schwergutflotte der Welt verlassen oder werden es in den nächsten Tagen noch tun. Einstige Konkurrenten von Beluga profitieren davon.
Briese soll künftig die Frachter der Oltmann-Gruppe bereedern. Mit der Reederei-Tochter BBC Chartering und rund 120 Schiffen ist der Leeraner Reeder Roelf Briese vermutlich die neue Nummer eins der Branche. Eine weitere Top-Adresse dieses Schifffahrtssegments findet sich dank der 20 HCI-Schiffe jetzt in Hamburg. Denn die Hammonia Reederei gehört zur Peter Döhle Schifffahrts-KG. Das vor 55 Jahren gegründete Unternehmen ist mit derzeit rund 350 Schiffen Deutschlands größte Reederei. Vorwiegend verchartert Döhle Containerschiffe. Zur Flotte gehören aber auch gut 40 Mehrzweck- und Schwergutschiffe, die 20 HCI-Schiffe kommen jetzt dazu. Mit dann 60 Frachter hätte Döhle fast die einstige Größe von Beluga erreicht.
Für die Bremer Reederei wird die Situation dagegen immer bedrohlicher. Angesichts zahlloser Verbindlichkeiten, fälliger Kredite, fehlender Aufträge und einer auf knapp 20 Schiffe geschrumpften Flotte führt der Weg nun wohl direkt in die Insolvenz. Branchenkenner rechnen fest damit, vielleicht passiert es schon heute. Für Beluga und die 500 Mitarbeiter in Bremen geht es längst nicht mehr um die Weltrangliste, sondern um die nackte Existenz.
Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+!