Seit dem Jahr 2016 zeigt die Bremer Politik ganz offiziell und öffentlich sichtbar ihre Solidarität mit den Saharauis, der ursprünglichen Bevölkerung in der von Marokko seit über 40 Jahren völkerrechtswidrig besetzten Westsahara. In einem fraktionsübergreifenden Beschluss hat sich die Bremische Bürgerschaft für die Durchführung des UN-Referendums zum Selbstbestimmungsrecht der Saharauis ausgesprochen. So weit, so gut. Denn bei der Umsetzung internationaler Rechtssprechung, auch zum Schutz vor wirtschaftlicher Ausbeutung durch Marokko und andere Länder, muss sich Bremen offenbar erst noch beweisen.
Am Donnerstagmorgen ging das Handelsschiff „Bente“ am Terminal der Firma Köster Marine Protein GmbH mit Sitz in Hamburg im Holzhafen vor Anker. Laut Informationen der norwegischen Nichtregierungsorganisation Western Sahara Ressource Watch hatte das Schiff, das unter niederländischer Flagge fährt und aus der Hafenstadt El Aaiun in der Westsahara kam, etwa 3000 Tonnen offenbar unerlaubt importiertes Fischmehl an Bord, die jetzt entladen wurden.
„Wenn diese Anschuldigungen bestätigt werden, wäre das ein direkter Verstoß gegen EU-Rechtssprechung“, heißt es in einem Schreiben von europäischen Parlamentariern an die EU-Kommission, das auch die Bremer EU-Parlamentarierin Helga Trüpel unterschrieben hat. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom Dezember 2016. Dort heißt es, dass das Assoziierungsabkommen zwischen Marokko und der Europäischen Union, zu dem auch ein Fischereiabkommen gehört, nicht für das Gebiet der Westsahara anzuwenden ist.
Zumindest nicht solange, bis die politischen Vertreter der Saharauis ihr Einverständnis über den Handel mit den natürlichen Ressourcen des Landes, zu denen auch große Phosphatvorkommen gehören, gegeben haben. „Daraus folgt, dass Importe aus der besetzten Westsahara in die EU keine legale Basis haben“, schreiben die EU-Abgeordneten. „Leider hat aber auch Deutschland die EU-Kommission ermächtigt, in den aktuell laufenden Verhandlungen die Urteile zu umgehen“, beklagt Bürgerschaftspräsident Christian Weber, der auch Schirmherr des Kuratoriums des Bremer Vereins „Freiheit für die Westsahara“ ist.
"Skandal mit europäischer Dimension"
Noch deutlicher wird dessen Vorsitzende Tanja Brodtmann: „Eine Schiffsladung von Fischmehl aus der Westsahara im Hafen von Bremen ist ein Skandal mit europäischer Dimension“, sagt die Aktivistin. Der Verein hat ein Schreiben an die Bremer Zollbehörden gerichtet und auf die EU-Rechtslage aufmerksam gemacht, nach der bei Zweifeln an der Herkunft aus Marokko der Ursprung der Ware überprüft werden müsse. „Ware aus der Westsahara muss als solche gekennzeichnet werden“, erklärt Tanja Brodtmann.
Volker von Maurich, Pressesprecher des Bremer Hauptzollamtes, will sich zu dem konkreten Fall nicht äußern. „Das fällt unter das Steuergeheimnis“, sagt er. Auch die Frage, ob der hiesige Zoll in der Vergangenheit bei berechtigten Zweifeln an der Herkunft – wie im EuGH-Urteil vorgesehen – die Zusammenarbeit mit den marokkanischen Behörden gesucht habe, bleibt unbeantwortet. „Die Problematik ist uns aber schon bekannt. Generell würden wir bei Verdachtsmomenten den Ursprung der Ware überprüfen.“
Laut Western Sahara Ressource Watch ist der Hersteller des in Bremen entladenen Fischmehls die Firma Laayoune Proteine Sarl aus der Westsahara, die auf ihrer Homepage auch die Zusammenarbeit mit Köster Marine Protein angibt. Die Geschäftsleitung des Hamburger Importeurs war am Donnerstag nicht erreichbar.