Arbeit der Zukunft Basteln an der Zukunft

Im Innolab von Mercedes sollen Doktoranden erforschen, wie die Arbeit der Zukunft aussieht. Vorher mussten die Wissenschaftler aber ihr Büro in der Überseestadt selbst bauen – ganz bewusst.
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Basteln an der Zukunft
Von Lisa Schröder

Im Besprechungsraum herrscht ein wenig Chaos: Laptops und Zettel liegen zerstreut auf dem großen Tisch, auf dem Boden Taschen und Kartons, den Durchgang zur Küchennische schmückt eine bunte Girlande, die Fensterfront des Raums gibt den Blick auf eine Baustelle frei. Auf der ganzen Etage sägt, schleift und hämmert es. Die Arbeit an der Zukunft ist staubig und laut.

Mitten im Chaos arbeitet Simona Popisti. Die Aufbruchsstimmung passt. Denn hier im vierten Stock des Bürohauses in der Bremer Überseestadt entsteht ein Experimentierfeld für Daimler – ein „Innolab“. Popisti hatte die Idee dazu. Wie werden sich Menschen in Zukunft organisieren und arbeiten? Was bedeutet die Digitalisierung für ihren Alltag? Um diese Fragen geht es der Psychologin. Mercedes will im Innovationslabor mit sechs Doktoranden Antworten finden: „Das hier ist super experimentell.“

Arbeitsumgebung soll Anstöße geben

Schon die Stellenausschreibung für die Forscher war außergewöhnlich – im wahrsten Sinne abgespaced: Das Mercedes-Werk in Bremen suche Doktoranden für die Marsbesiedelung. „Trendscouts, Veränderungsarchitekten und Business-Astronauten“ sollen dabei ein Team bilden. „Ich habe überlegt, wie wir üblicherweise an ein neues Projekt herangehen würden und gedacht, wir drehen alles andersherum.“

Bereits die Arbeitsumgebung soll Anstöße geben. Darum hat das Büro der Zukunft keine Standardeinrichtung, sondern wird von den Forschern selbst gebaut. „Üblicherweise würde es ein Budget geben, von dem wir dann zügig Einrichtung kaufen, um möglichst schnell arbeitsfähig zu sein. Das ist zwar sehr effizient, es ist aber nicht besonders erkenntnisorientiert“, sagt die 41-Jährige. Ziel sei es, die Organisationsentwicklung dann in Zukunftsfragen zu unterstützen.

"Das ist Teambuilding"

„Wie ist das mit diesen Megatrends? Was bedeuten sie für die Menschen konkret? Wir haben das Gefühl, dass das Fragen sind, um die wir uns kümmern müssen.“ Ganz selbstverständlich steht nun ein Mann mit seiner Kettensäge in der Tür und hat eine Frage. Es ist André Abend. Der Programmierer arbeitet für die Hamburger Agentur Assassin Design, die das Innolab in dieser Phase unterstützt: „Ich bin hier, damit alle ihre zehn Finger behalten.“

Vorbei an der Blumenerde, den Sitzsäcken und einem Bündel aus Seilen – hier arbeitet Organisationspsychologin Celeste Valentino. Sie ist eine der Doktoranden, die hier im Innolab forschen. „Das ist das erste große gemeinsame Projekt, das wir haben. Das ist Teambuilding“, sagt die 23-Jährige aus Italien zur Baustelle. Was die Doktoranden für ihr Büro mit Blick auf den Europahafen auswählen, hat eine Bedeutung.

Das Thema agiles Arbeiten spiegelt sich bereits in den Möbeln wider. Die haben größtenteils Rollen, sodass das Büro jeden Tag neu eingerichtet werden kann. Partner für die Doktoranden aus Deutschland, Namibia oder Amerika ist die RWTH Aachen. Zusammen mit Professoren setzen sie Forschungsschwerpunkte.

Von der ersten Sekunde an mitgestalten

In der Organisationsentwicklung für Mercedes-Benz Cars begleitet Popisti Veränderungen im Unternehmen. Nun gehe es darum, zu experimentieren, bevor Ideen im großen Stil umgesetzt werden. Jede Zielgruppe – vom Band bis zur Führung – kann am Ende Kunde des Innolabs werden. Dass das Labor in Bremen entsteht, liegt daran, dass Initiatorin Popisti hier lebt.

„Ich empfinde die Lebensqualität in Bremen als sehr hoch. Ich komme nicht von hier, aber habe mich in die Stadt reinadoptiert.“ Seit 2013 arbeitet sie für das Werk in der Hansestadt. Davor war sie in allen deutschen Stammwerken im Einsatz. Um die Sitzhocker kümmern sich gerade die Doktorandinnen Elisabeth Burkhart und Korinna Ringendahl.

„Ich finde es toll, dass wir von der ersten Sekunde an etwas mitgestalten. Das ist genau das, was ich gesucht habe“, sagt Burkhart. Ringendahl ist ebenfalls überzeugt: „Ich denke, ich bin hier richtig.“ Die Sehnsucht nach den unendlichen Weiten kennt sie: „Als Kind wollte ich Astronautin werden.“

Mentor für das Projekt

Die Bremerin hat Kommunikationsmanagement studiert, machte Station in Dänemark oder in Vanuatu in der Südsee. Vor allem die Interaktion zwischen Mensch und Maschine interessiert die 28-Jährige. Nun geht es, statt um Künstliche Intelligenz, erst einmal darum, wo im Büro ein Trampolin und eine Hängematte untergebracht werden können.

Christo Papanouskas von der Agentur Assassin Design hat für Daimler bereits die Suche nach Mitarbeitern begleitet und ist Mentor für das Projekt. „Das war ein untypischer und sehr schneller Bewerbungsprozess. Es ging um die Frage, wie sich die Bewerber in der Gruppe verhalten. Denn in diesem Fall wurde ein Team gesucht.“

Der 26-jährige Hamburger ist sich sicher: Autohersteller, Banken, Versicherungen und Energieversorger müssen sich derzeit neu aufstellen und experimentieren, um Trends nicht zu verpassen. Die Vorstellungskraft zu weiten, sei dabei entscheidend: „Denn was herauskommt, das kennen wir noch nicht.“

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