In der Sondersitzung der Wirtschaftsdeputation haben sich die Bremer Politikerinnen und Politiker ausnahmsweise zunächst ganz zurückgehalten. Denn vor allem sollten in der Videokonferenz am Mittwoch Expertinnen und Experten sprechen, Einblick in ihre jeweilige Branche geben und vor allem Lichtblicke mitbringen. Fünf Minuten bekamen alle dafür Zeit. Deputationssprecher Christoph Weiss (CDU) behielt das als Moderator genau im Blick. Der Austausch soll schließlich Strahlkraft für Bremens Wirtschaft insgesamt haben. „In Wirtschaft und Gesellschaft durchlaufen wir zurzeit ganz außergewöhnliche Härten“, schickte Jutta Günther, Konrektorin der Universität Bremen und zugleich Innovationsökonomin, vorweg. In einer solchen Krise müsse Hilfe sehr schnell auf den Weg gebracht werden. Zugleich müsse der Blick nach vorne gerichtet werden, um positive Entwicklungsdynamiken zu fördern: Innovationen.
Manuela Weichenrieder und Dirk Beckmann, Vorstände des Klub Dialog Bremen, wollen die Netzwerkplattform neu erfinden und daran unter der Überschrift „Klub Labor“ arbeiten. Dabei sollen zum Beispiel Geschäftsmodelle für Kreative überdacht und Formate erprobt werden. Kern des Klub Dialog ist, wie Weichenrieder erklärte, dass Menschen sich niedrigschwellig vernetzen und daraus neue Ideen, Geschäfte und Bekanntschaften entstehen. Schwer in Zeiten der Pandemie, weil Veranstaltungen mit Hunderten Besuchern nicht möglich sind. Hybridformate hätten einen Austausch über Branchengrenzen hinaus immerhin weiter ermöglicht – wenn auch mit deutlich mehr Aufwand. Die klugen Köpfe fragten sich immer: „Was können wir voneinander lernen? Und was rockt?“ Wie das angesichts von Corona funktionieren kann, soll neu gedacht werden.
Die Clubs leiden besonders unter der Pandemie. Seit dem März 2020 sind sie geschlossen. Für die Vorständin des Vereins Clubverstärker Bremen Julia von Wild gibt es nun aber einen Grund zur Freude. Denn Bremen bietet Künstlern mit dem „Club 100“ wieder eine Bühne – ob für Publikum vor Ort oder im Netz als Livestream. „Mitten im Lockdown eröffnen wir einen solidarischen Club. Das ist ein bundesweit einmaliges Programm“, sagte die freie Kulturmanagerin. Es gehe darum, die Spielstätten und Arbeitsplätze zu erhalten. „Hinter einem Konzert steht nicht nur eine Künstlerin oder ein Künstler, sondern eine riesige Wertschöpfungskette.“ 40 Veranstaltungen seien geplant. Für Wild wäre zudem ein entsprechendes Konzept für Open Air im Sommer wichtig. Grundsätzlich gelte, dass es in der Branche Ideen gebe. Doch mit einer Öffnung sei so schnell nicht zu rechnen und deshalb verlässliche Hilfe nötig: „Allein schaffen wir es nicht.“
Die Veranstaltungsbranche setzte mit der Aktion „Alarmstufe Rot“ ein deutliches Zeichen, in welch schwieriger Situation sie sich befindet. Daran erinnerte Christian Seidenstücker, Vorstand und Gründer der internationalen Eventagentur Joke, beim Austausch per Videoschalte. In wenigen Wochen gebe es eine Art Jahrestag – im schlechten Sinne: Im Frühjahr 2020 sei wegen Corona nämlich die „große Stornowelle“ losgegangen. In seinem Unternehmen sei der Umsatz 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 70 Prozent zurückgegangen. In einigen Bereichen sei die Hilfe für die Branche schon großzügig, aber trotzdem müsse noch nachjustiert werden. „Wir müssen ganz dringend an die Solo-Selbstständigen denken“, sagte der Agenturchef. Der Unternehmerlohn werde bei 1178 Euro angesetzt. „Ich glaube, davon kann man nicht gut leben.“ Seidenstücker hat zusammen mit dem Unternehmer Kurt Zech eine Initiative zum Impfen in Bremen auf den Weg gebracht – auch um Beschäftigten gerade aus dem Gastgewerbe oder der Veranstaltungsbranche wieder eine Aufgabe zu geben. „Da würde ich mich über weitere Unterstützung freuen.“
Seit Oktober 2020 ist Claudia Bitti Citymanagerin in Bremerhaven – ein Anfang mitten in der Krise. Seither hat sie vor allem für Austausch gesorgt. Für die Händler gibt es nun eine gemeinsame Gruppe bei Whatsapp, um Ideen oder Fragen zu teilen. Vorher habe es kaum Zusammenhalt gegeben, konstatierte Bitti. Die Citymanagerin lobte: In Bremerhaven sei ein toller Lieferservice entstanden. Studenten fahren Bestellungen für die Händler an die Kunden aus. Auch für die Seestadt gibt es zudem ein Aktionsprogramm und Geld für die City. Die Gestaltung der Innenstadt zu einem Ort zum Verweilen müsse nachhaltig gedacht werden – auch für die Zeit nach Corona, forderte Bitti. Das schaffe die nötige Akzeptanz. Es müsse etwas initiiert werden, was Bestand habe, „was den Bürgern und Händlern zugute kommt und auch als sinnvoll erachtet wird“. Daneben gehe es um die „virtuelle Innenstadt“: die Darstellung der Geschäfte im Netz.
Oliver Trey und Thorsten Lieder von der Bremer Gastro Gemeinschaft sehen eine Perspektive durch die Bremer Kampagne „Gastronomie aber sicher“. Die soll den Gästen, wenn der Lockdown vorbei ist, wieder Mut machen, die Lokale, Restaurants und Kneipen zu besuchen. Hygieneexperten überprüfen die Lokale unangemeldet, achten dabei etwa auf die Einhaltung von Abstand, Desinfektion, Kontaktnachverfolgung oder das Lüften. Dafür gibt es – bei gutem Ausgang – eine für Gäste erkennbare Auszeichnung. „Wir versuchen, den Standard der Sicherheit nach oben zu bringen“, sagte Lieder. Daneben wies Trey auf Innovationen in der Branche hin: Die Gastronomen hätten teils Supermärkte gegründet oder Onlineshops mit Spezialitäten aufgebaut.
Detlef Pauls, Geschäftsführer unter anderem des Hotel Munte am Stadtwald und Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands für Bremen kritisierte zunächst die aus seiner Sicht unzureichenden Hilfen für die Wirtschaft und wies auf die Existenzängste in der Branche hin. Eine positive Entwicklung: In Bremen werde im Moment ein einheitliches Mehrwegkonzept für Außer-Haus-Geschirr aufgebaut. Ein solches Pfandsystem solle „die ganzen Müllberge beseitigen“. Außerdem soll zusammen mit Partnern eine Ausbildungsakademie entstehen. Viele Betriebe hätten derzeit Schwierigkeiten, den Ausbildungszielen gerecht zu werden. Pauls plädierte zudem für mehr Werbung für Bremen. Das Marketing müsse gerade jetzt intensiviert werden.
Von verheerenden Umsatzeinbrüchen wusste auch Moritz Stich, Geschäftsführer der Wäscherei Max Stich, zu berichten. Sein Unternehmen arbeite besonders viel für Hotels. Das Geschäftsmodell lasse sich aufgrund der Maschinen auch nicht einfach umstellen. 28 Tonnen Wäsche pro Tag könnten die sonst verarbeiten. Im ganzen April 2020 waren es dagegen 14 Tonnen. Die Wäscherei hat heute deutlich weniger Mitarbeiter, weil etwa Verträge wegen der Situation nicht verlängert werden konnten oder Mitarbeiter Alternativen fanden. Die Kurzarbeit habe aber geholfen, Arbeitsplätze zu retten. „Die Kurzarbeit hat sensationell gut funktioniert“, sagte Unternehmer Stich. Ein „Silberstreif am Horizont“ seien die Impfungen.