Am 28. Februar 2011 hat der WESER-KURIER erstmals über beunruhigende Nachrichten von der Bremer Reederei Beluga berichtet. Danach überschlugen sich die Ereignisse. Die Ermittlungen um den Fall dauerten fast fünf Jahre, drei Jahre dauerte der Gerichtsprozess gegen Niels Stolberg und drei seiner früheren Mitarbeiter. Am 15. März fällt das Urteil. Die Chronologie der Beluga-Krise.
Prozess gegen Niels Stolberg nähert sich Ende Chronologie der Krise bei Bremer Reederei Beluga
Am 28. Februar 2011 hat der WESER-KURIER erstmals über beunruhigende Nachrichten von der Bremer Reederei Beluga berichtet. Danach überschlugen sich die Ereignisse. Die Chronologie der Krise.
28. Februar 2011: Unter dem Titel "US-Hedgefond plant Übernahme" erscheint im WESER-KURIER der erste Bericht zur Krise.

Schon im März 2010 hatte Oaktree Capital Management (OCM) Interesse an der Bremer Reederei gezeigt. Der damalige Alleingesellschafter Niels Stolberg brauchte nach der Finanzkrise dringend frisches Kapital und öffnete die Türen. Am 24. Februar 2011 stellt Oaktree beim Bundeskartellamt einen Antrag, die Mehrheit an Beluga zu übernehmen.

1. März 2011: Am Nachmittag wird Niels Stolberg von Oaktree mit massiven Vorwürfen konfrontiert und des Hauses verwiesen.

2. März 2011: Stolberg legt mit sofortiger Wirkung seinen Aufsichtsratssitz bei Werder Bremen nieder. Beluga kündigt an, zum Saisonende vorfristig aus dem Sponsoren-Vertrag auszusteigen.

3. März 2011: Stolberg ist nicht mehr Beluga-Chef. Am Vortag ist bei der Bremer Staatsanwaltschaft Anzeige gegen Stolberg, einen weiteren Geschäftsführer und fünf leitende Angestellte wegen Betrugverdachts erstattet worden. Die ehemalige Beluga-Führungscrew soll seit 2009 Bilanzen gefälscht und in dreistelliger Höhe Umsätze und Liquiditätsrechnungen falsch dargestellt haben.

5. März 2011: Bremen macht sich Sorgen um die Zukunft der zahlreichen Engagements der Reederei in der Stadt. Sind Einrichtungen wie das Beluga College in Gefahr?

6. März 2011: Das Wort Insolvenz taucht erstmals ganz klar in der Berichterstattung auf. Oaktree spricht es als offene Drohung aus.

8. März 2011: Erstmals seit Beginn der Beluga-Krise meldet sich der entmachtete Niels Stolberg zu Wort. Er wolle sich den Vorwürfen stellen, kündigt der einstige Alleingesellschafter der Reederei an.

16. März 2011: Stolberg sagt vor der Staatsanwaltschaft Bremen aus. Einen Tag später erhebt er schwere Vorwürfe gegen Investor Oaktree. Dieser habe die Krise überhaupt erst herbeigeführt.

16. März 2011: Es ist soweit: Die erste Beluga-Sparte meldet Insolvenz an. Die Tochtergesellschaft "Chartering" betreut das Kerngeschäft, das Chartern und Befrachten von Schiffen.

17. bis 29. März: Zehn weitere Insolvenzen folgen. Auch das Maritim-Zentrum in Elsfleth (Foto) ist betroffen, genau wie das Beluga College, die Offshore-Sparte und mehrere Einrichtungen auf der Insel Spiekeroog.

26. März 2011: Gegen Firmengründer Niels Stolberg werden neue Vorwürfe laut. Er soll das Auftragsbuch der Reederei künstlich aufgebläht sowie mit Scheingeschäften und Luftbuchungen Millionenumsätze fingiert haben. Laut "Handelsblatt" geht es dabei um insgesamt 150 Millionen Dollar.

31. März 2011: Schließlich meldet auch das renommierte Restaurant "Outer Roads" im Beluga-Gebäude auf dem Teerhof Insolvenz an.

31. März 2011: Werder Bremen kündigt den Sponsorenvertrag mit Beluga.

1. April 2011: Insolvenzverwalter Edgar Grönda kündigt für den 4. April 2011 einen Neustart bei Beluga an. Mit deutlich verkleinerter Flotte soll das operative Geschäft wieder aufgenommen werden.

4. April 2011: Niels Stolberg meldet Privatinsolvenz beim Amtsgericht Aurich an.

19. April 2011: Die neue Firma "Hansa Heavy Lift GmbH" bezieht ihr neues Domizil in der Martinistraße 1.

23. Mai 2011: Nun ist es amtlich. Insolvenzverwalter Edgar Grönda verkündet auf einer Pressekonferenz das endgültige Aus für die einstige Bremer Erfolgsreederei Beluga.

28. Oktober 2012: Beluga-Schiffe sollen Waffen von der Ukraine in die Demokratische Republik Kongo und nach Birma transportiert haben, obwohl für beide Staaten internationale Waffenembargos gelten. Das berichtet der NDR. Demnach hat die Bremer Staatsanwaltschaft gegen drei Personen ermittelt, darunter Niels Stolberg. Die Bremer Staatsanwaltschaft hat den Fall an die Generalbundesanwaltschaft (das Foto zeigt den damaligen Generalbundesanwalt Harald Range) übergeben. In der Causa Beluga-Pleite ermittelt die Bremer Staatsanwaltschaft weiterhin wegen Verdachts auf Kreditbetrug, Bilanzfälschung und Veruntreuung von Spendengeldern.

23. November 2012: Die Oldenburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den ehemaligen Reeder der Bremer Beluga-Reederei Niels Stolberg und gegen zwei seiner Anwälte. Der Vorwurf: Stolberg soll seine Motorjacht für eine knappe halbe Million Euro verkauft haben, als bereits klar war, dass er zahlungsunfähig sein würde und nur drei Wochen, bevor er Privatinsolvenz angemeldet hat.

31. Januar 2013: Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen Kreditbetrugs gegen Stolberg erhoben. Zu den Geschädigten sollen Banken gehören, die Belugaschiffe finanziert haben. Es soll Nebenabsprachen mit einer niederländischen Werft gegeben haben, von denen die Banken nichts wussten.

19. April 2013: Die Staatsanwaltschaft erhebt die zweite Anklage gegen Niels Stolberg. Der Hauptvorwurf, Stolberg habe den Investor Oaktree durch Täuschung geschädigt, wurde fallen gelassen.

10. Dezember 2013: Die Walflosse ist längst Geschichte. Das Unternehmen ist abgewickelt. Gegen 30 Personen wird mittlerweile ermittelt.

13. Dezember 2013: In das Gebäude der Beluga-Reederei sind mittlerweile einige neue Mieter eingezogen. Eine Immobilientochter der Landesbank (BLB Immobilien) hat das Haus gekauft. Doch die Vermietung der Luxus-Immobilie gestaltet sich schwierig.

12. März 2014: Das Künstlerhaus Spiekeroog wird versteigert. Das 2007 errichtete Haus gehörte der Reederei und floss in die Insolvenzmasse. Im August 2014 wird auch ein privates Wohnhaus von Niels Stolberg zwangsversteigert.

5. November 2015: Es wird bekannt, dass das Verfahren gegen den mittlerweile in Privatinsolvenz lebenden Niels Stolberg im Januar 2016 eröffnet wird. Stolberg ist froh darüber, dass das Warten ein Ende hat. Sein Abstieg ist drastisch. Das Bild zeigt ihn im Jahr 2006, da war er zum Unternehmer des Jahres in Bremen gewählt worden.

Am 20. Januar 2016 beginnt der Prozess gegen Niels Stolberg (Mitte) und drei weitere Angeklagte. 42 Ordner mit mehr als 10.000 Seiten Ermittlungsakten und Hunderte Ordner mit Beweismaterial lagen dem Verfahren zugrunde. Das Landgericht stellte drei Richter eineinhalb Jahre frei, damit diese über die Eröffnung der Hauptverhandlung entscheiden konnten. Die Wirtschaftsstrafkammer hat mehr als 50 Verhandlungstage bis Ende Oktober 2016 angesetzt.

Januar 2016: Am zweiten Verhandlungstag legt Stolberg ein Teilgeständnis ab. Er habe „schwere Fehler gemacht und Rechtsverletzungen begangen“, sagte der damals 55-Jährige vor dem Landgericht Bremen. Vor dem Einstieg des US-Investors Oaktree im Jahr 2010 habe seine Schwergutreederei in großem Umfang erfundene Umsätze verbucht, sagte Stolberg. Er habe den Eindruck erwecken wollen, dass seine Geschäfte trotz Krise in der Schifffahrtsbranche noch gut liefen. Persönlich bereichert habe er sich nie. Er trage aber die volle Verantwortung. „Ich stand als Kapitän auf der Brücke von Beluga.“

Juni 2016: Nach 32 Verhandlungstagen geht der Prozess vorerst in die Sommerpause. Für alle Beteiligten ist der Prozess bis dahin gemischt gelaufen.
Vor dem Einstieg des US-Investors Oaktree im Jahr 2010 habe seine Schwergutreederei in großem Umfang erfundene Umsätze verbucht, sagte Stolberg. Er habe den Eindruck erwecken wollen, dass seine Geschäfte trotz Krise in der Schifffahrtsbranche noch gut liefen. Persönlich bereichert habe er sich nie. Er trage aber die volle Verantwortung. „Ich stand als Kapitän auf der Brücke von Beluga.“

Ein Jahr nach Prozessbeginn scheint im Januar 2017 noch vieles unklar zu sein - zum Beispiel auch die Rolle, die Stolbergs Steuerberater, ein Reeder aus Hamburg und ein Manager von Oaktree spielten.

Im Februar 2017 wird der Prozess unterbrochen: Stolberg ist schwer erkrankt, er hat Magenkrebs. Das gefährdet die Hauptverhandlung, denn die müsste nach einer langen Unterbrechung neu aufgerollt werden. Im März erreicht Stolberg einen kleinen Punktesieg: Das Gericht schwächt die Anklage ab.

Nach sechs Wochen Unterbrechung wird der Prozess im Mai 2017 fortgesetzt. Ein Amtsarzt hatte ihn für verhandlungsfähig erklärt. Mehr als eine Stunde pro Sitzung durfte ihm nicht zugemutet werden, unterbrochen von einer längeren Pause.

Im Mai 2017 stellt die Staatsanwaltschaft ein Strafmaß vor: Sie fordert fünf Jahre Haft für den ehemaligen Reeder.

Im dritten Jahr des Prozesses kommt ein Ende in Sicht: Im Februar 2018 ist die Beweisaufnahme im Strafprozess gegen Niels Stolberg abgeschlossen und ein Termin für die Plädoyers der Staatsanwaltschaft angekündigt.

Niels Stolberg hat im März 2018 vor dem Urteil das letzte Wort: "Ich habe die Hoffnung, dass das Gericht eine Bewährungsstrafe für angemessen hält“, sagte er vor Gericht. Er sprach wie ein gebrochener Mann. „Ich habe alles verloren“, erklärte Stolberg mit gepresster Stimme, „mein Ansehen, mein Lebenswerk, mein Unternehmen und meine Gesundheit.“

Am 15. März fällt das Urteil gegen Ex-Reeder Niels Stolberg: Er muss für dreieinhalb Jahre in Haft, die anderen Angeklagten zu Bewährungsstrafen.