Gemeinhin gelten die Deutschen als Aktienmuffel. Während in Ländern wie den USA Wertpapiere ein beliebter Weg sind, um sein Geld anzulegen, scheuen sich viele Bundesbürger davor. Corona könnte das nun geändert haben – ein Stück weit wenigstens. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Anleger deutlich gestiegen. Rund 12,4 Millionen Menschen haben Geld in Aktien, Fonds oder Indexfonds (ETFs) investiert. Das sind 2,7 Millionen mehr als noch 2019, wie aus einer Analyse des Deutschen Aktieninstituts hervorgeht.
Demnach ist auch die Zahl der Anleger in Bremen und Niedersachsen gestiegen. 2020 hatten hier 15,2 Prozent der Bürger Geld in Wertpapiere investiert; ein Jahr zuvor waren es 14,3. Die beiden Länder liegen damit aber unter dem Bundesschnitt von 17,5 Prozent. Am häufigsten legen Menschen aus Baden-Württemberg (23,2 Prozent) ihr Geld auf diese Art an, am seltensten Brandenburger (8,2 Prozent).
Dass die Zahl der Kleinanleger seit Corona steigt, stellen auch die Bremer Banken fest. „Zum Glück“, wie Ulf Brothuhn, Vorstandschef der Bremischen Volksbank, sagt. „Die Leute haben endlich erkannt, dass der Aktienmarkt nichts Böses ist.“ Er glaubt, dass die Menschen in der Pandemie die Zeit genutzt haben, sich mit ihren Finanzen zu beschäftigen. Gleichzeitig sieht er einen weiteren Grund im aktuellen Zinstief. Es sorge dafür, dass klassische Sparprodukte wie Sparbücher oder Festgeldkonten kaum noch verzinst werden. Etliche Banken, darunter auch die Bremische Volksbank und die Oldenburgische Landesbank (OLB), haben bereits Negativzinsen für vermögende Privatkunden eingeführt.
Bei der Volksbank haben laut Brothuhn viele neue Anleger zu Produkten wie Fonds gegriffen. „Dass der klassische Kleinanleger in Einzelaktien investiert, ist eher die Ausnahme“, sagt er. Häufig seien die Geldanlagen auch mit einem Sparplan gekoppelt, in dem regelmäßig Geld eingezahlt werde.
Ähnliche Erfahrungen hat auch die Sparkasse Bremen gemacht. Die Zahl der Depots sei gestiegen, zudem seien die Kunden aktiver an den Kapitalmärkten gewesen. „Besonders deutlich wird dieser Trend, besieht man sich das Anlagevolumen unseres Robo-Advisor Smavesto. Hier konnten wir die Zehn-Millionen-Marke erreichen, das Anlage-Volumen hat sich nahezu verdoppelt“, sagt Sascha Otto, Leiter des Wertpapier- und Portfoliomanagements der Sparkasse.
Richtige Geldanlage als Prophylaxe für Geldverlust
Auch die Verbraucherzentrale Bremen spürt das gestiegene Interesse. Sie berät unter anderem zum Thema Geldanlage. „Als im März 2020 die Kurse stark fielen, hatten vor allem viele Leute Sorge um ihr Geld“, sagt Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale. In Gesprächen sei es daher oft darum gegangen, wie man sich vor Verlusten schützen könne. Als sich die Kurse einige Zeit später wieder erholten, sei es dann häufig um die richtige Geldanlage gegangen.
Bevor man in ETFs oder Aktien investiere, rät Oelmann, solle man sich einen Überblick über die eigene Situation verschaffen: Gibt es eine Haftpflichtversicherung? Bin ich gegen eine Berufsunfähigkeit abgesichert? Gibt es Kredite, die ich vorher abbezahlen kann? Sind diese Fragen geklärt, könne man sich an die eigentliche Geldanlage setzen. In der Regel raten die Verbraucherschützer zu Indexfonds. Diese ETFs bilden ganze Märkte oder sogar die gesamte Weltwirtschaft ab. „Dadurch ist das Geld gestreut und nicht nur auf ein Pferd gesetzt“, sagt Oelmann. Sie macht aber auch deutlich: „Sichere Rendite gibt es nicht mehr.“ Als Faustregel raten die Vorständin und ihre Kollegen: Keine Dinge machen, die man nicht versteht, und das Geld nur so risikoreich anlegen, dass man immer noch gut schlafen kann.
Ein großer Teil, der zur Beratung in Finanzfragen komme, wisse über diese Grundlage schon längst Bescheid. „Das sind häufig Leute, die sich vorher eingelesen haben und einfach noch einmal von jemand unabhängigen hören wollen, ob ihre Strategie sinnvoll ist“, sagt Oelmann. Ein anderer Teil fange jedoch bei null an; vor allem Berufsanfänger nähmen Hilfe in Anspruch, um ihr erstes selbst verdientes Geld anzulegen. Eine dritte Gruppe bilden laut Oelmann Menschen, die einen Vorschlag ihrer Bank bekommen haben und überprüfen wollen, wie gut dieser ist. Oft seien sie nicht ratsam, sagt die Vorständin, da sie entweder zu riskant seien oder zu hohe Kosten hätten, die die Rendite schmälern würden.
Während durch ausgefallene Reisen und Einschränkungen im Privaten etliche Menschen im vergangenen Jahr Geld gespart haben, sieht Oelmann aber auch das andere Extrem – nämlich die Menschen, die finanzielle Einbußen durch die Corona-Pandemie hatten, etwa weil sie in Kurzarbeit waren oder arbeitslos geworden sind. „Augenfällig ist der extreme Anstieg der Beratungen zu Themen aus dem Verbraucherrecht“, sagt die Vorständin. Besonders bei Energiesperren war der Beratungsbedarf enorm. Hier stieg dieses Jahr die Nachfrage um 442 Prozent im Vergleich zum ersten Quartal 2020. Auch für die nächsten Monate erwartet sie, dass der Beratungsbedarf aufgrund finanzieller Probleme steigen wird.
Kosten fürs Depot beachten
Wer in Aktien, aktive Fonds oder ETFs investieren möchte, braucht ein Depot. Das bieten die meisten Banken mit Filialen an, aber auch Direktbanken – also solchen ohne Niederlassungen – und Online-Broker. Hierbei unterscheiden sich die Kosten allerdings stark: Während klassische Banken oft eine jährliche Gebühr fürs Depot verlangen, sind diese bei Direktbanken – also solchen ohne Filialnetz – und Onlinebrokern häufig kostenlos. Hinzu kommen Gebühren, die beim Kauf der Wertpapiere anfallen. Diese fallen bei einigen Onlinebrokern oft weg, wie das Portal Finanztip berichtet. Verbraucher sollten also genau vergleichen.
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