Die Olivenernte 2014 wird als die schlechteste seit 1950 in die Geschichte der italienischen Landwirtschaft eingehen. Insgesamt ging die Olivenernte in Italien um 35 Prozent zurück. Im schlimmsten Fall könnten Verbraucher auch in Deutschland künftig höhere Preise für geringere Olivenöl-Qualität bezahlen.
Giancarlo Bernardi ist 77 Jahre alt. Aber so etwas hat er noch nicht erlebt. „Ein Desaster“ sei die Olivenernte dieses Jahr gewesen, sagt Bernardi, der einen kleinen Hof in Vinci, 40 Kilometer westlich von Florenz in der Toskana betreibt. Auch der Weinbau lief schlecht in diesem Jahr, aber Oliven konnte er so gut wie keine zur Presse bringen. „Vielleicht bekomme ich so viel Öl, dass meine Familie für kommendes Jahr abgedeckt ist, vielleicht aber auch nicht“, sagt Bernardi. Normalerweise erzielt er mit seinem zwei Hektar großen Olivenhain um die 1000 Liter Öl. Frisch gepresstes Öl aus diesem Jahr zum Verkauf? „Habe ich nicht“, sagt Bernardi.
Die Olivenernte 2014 wird als die schlechteste seit 1950 in die Geschichte der italienischen Landwirtschaft eingehen. Insgesamt ging die Olivenernte in Italien um 35 Prozent zurück, in Ligurien, Umbrien und der Toskana um bis zu 50 Prozent.
Italien gilt als Land, in dem qualitativ besonders hochwertiges Olivenöl, das sogenannte „olio extra vergine“ (aus erster Pressung ohne Temperaturerhöhung) produziert wird. Dieser Mythos hat wegen Betrügereien in den vergangenen Jahren bereits gelitten. Nach der schlechten Ernte in dieser Saison ist der Nimbus zusätzlich gefährdet. Experten befürchten, dass der italienische Markt von minderwertigem, importiertem Olivenöl überschwemmt wird. Im schlimmsten Fall könnten Verbraucher auch in Deutschland dann höhere Preise für geringere Qualität bezahlen.
Italien ist nach Spanien der weltweit zweitgrößte Olivenproduzent. Statt 464 000 Tonnen Olivenöl wie im vergangenen Jahr wurden 2014 nur rund 300 000 Tonnen gepresst. Bereits in der Vergangenheit importierten Firmen in Italien so viel Olivenöl wie keine andere Nation, um es unter dem bei Kunden so beliebten italienischen Etikett weiterzuverkaufen. Nun wird der massenhafte Import noch einmal steigen, anstatt einer Einfuhr von rund 480 000 Tonnen wie 2013 könnten es dieses Jahr um die 700 000 Tonnen sein. Die Folgen sind noch nicht absehbar.
Drei Faktoren haben dieses Szenario verursacht. „Es war viel zu feucht dieses Jahr“, berichtet Bernardi. Die Ölfruchtfliege, die tropisches Klima zur Fortpflanzung bevorzugt, habe ihre Eier in die Früchte gelegt und diese dabei zerstört. Von Ligurien bis Apulien hat die Ölfruchtfliege den Großteil des Ernterückgangs zu verantworten. Extreme Hitzeperioden und wochenlange Regengüsse erschwerten den Pflanzen zusätzlich das Wachstum. „Entweder regnet es gar nicht, oder es hört nicht mehr auf zu gießen“, sagt Bernardi. Der Klimawandel mache den Olivenbauern zu schaffen. Ein weiterer Faktor ist der Diebstahl von Oliven oder Olivenöl, allerdings spielt er mengenmäßig eine untergeordnete Rolle.
Nach Angaben des Bauernverbandes Coldiretti wird das in diesem Jahr erwirtschaftete Olivenöl den Bedarf der knapp 60 Millionen Italiener nur für sechs Monate abdecken. Der Rest muss importiert werden, vor allem aus Griechenland und Tunesien. Auch die Preise vieler Produkte könnten steigen. Coldiretti nannte einen Preisaufschlag von 40 Prozent als möglich. Allerdings können es sich nicht alle Hersteller mit Blick auf die Konkurrenz leisten, die Preise zu erhöhen. „Ich habe Angst, dann Kunden zu verlieren“, sagt der Kleinbauer Giancarlo Bernardi.
Was sich hinter Etiketten auf italienisch daherkommenden Flaschen in deutschen Supermärkten mit dem oft sehr klein gedruckten Hinweis „Mischung aus Olivenölen aus der Gemeinschaft“ verbirgt, könnte am Ende weniger italienisch denn je sein. Zwei von drei in Italien abgefüllten Flaschen enthielten nicht-italienisches Olivenöl, heißt es bei Coldiretti.
Verbraucher sollten die Etiketten daher besonders sorgfältig lesen, mahnt der Landwirtschaftsverband. „Mit dem Einbruch bei der Ernte steigt das Risiko, dass billige Auslandsprodukte unter dem Deckmantel des Made in Italy verkauft werden“, warnte Coldiretti-Präsident Roberto Moncalvo.
Der Olivenkrieg
◼ Das „grüne Gold“ wird Olivenöl zuweilen in Italien genannt. Wegen der schlechten Ernte wird Olivenöl heute zum Teil in Werttransporten befördert. Manche Öltransporter, die von Apulien nach Norditalien auf dem Weg sind, werden mittlerweile von bewaffnetem Sicherheitspersonal bewacht. Der Grund: Wegen der schlechten Ernte haben die Oliven noch einmal an Wert gewonnen. Der Preis für ein Kilo Oliven ist von gut vier auf sieben Euro gestiegen. Diebstähle haben zugenommen. Vor allem in Apulien, wo ein Drittel der italienischen Oliven angebaut wird, werden Szenen wie aus einem Olivenkrieg berichtet. Nach Angaben des Landwirtschaftsverbands Coldiretti machten sich regelrechte Trupps auf fremden Olivenhainen zu schaffen. Im Hinblick auf die Sorge, durch den zusätzlichen Import von Olivenöl könnte die Qualität beeinträchtigt werden, geben die italienischen Ölproduzenten dagegen Entwarnung. Die Hersteller-Verbände Federolio und Assitol weisen auf die intensiven Kontrollen hin. Die Olivenölhersteller seien an extreme Situationen wie die diesjährige schlechte Ernte gewöhnt und hätten über die Jahre hinweg große Erfahrung bei der Auswahl und Zusammensetzung von Ölen gesammelt. Verbraucher könnten auch von neuen EU-Regeln zur Kennzeichnung von Lebensmitteln profitieren, die am 13. Dezember 2014 in Kraft getreten sind. Danach müssen beispielsweise die Herkunftsangaben des Olivenöls auf Etiketten besser lesbar sein.