Bremen. Gutes Geld verdienen und obendrein die Welt ein bisschen besser machen. Beim sozialen Unternehmertum, neudeutsch auch „Social Entrepreneurship“ genannt, bröckelt der alte Dualismus zwischen ökonomischem und sozialem Handeln, zwischen Ertrag und Engagement. Ob Umweltschutz, Entwicklungshilfe, Bildung, Arbeitsmarktintegration oder Familienarbeit – die klassischen Aufgaben des Staates und der etablierten Wohlfahrtsverbände werden von diesen nur noch unzureichend bewältigt. Sozialunternehmer sollen helfen, gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern, sie sind die neuen Lieblinge von Politik und Wirtschaft, gefördert aus millionenschweren Finanztöpfen der Europäischen Union und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Auch in einem kleinen Büro unter dem Dach der Alten Schnapsfabrik in der Bremer Neustadt arbeitet man an der Verbindung von Ökonomie und Idealismus. Vom großen Geld kann hier allerdings nicht die Rede sein. Das 2014 gegründete Unternehmen Hilfswerft hat den Status der Gemeinnützigkeit, man will soziales Engagement durch Unternehmertum fördern, indem man die entsprechenden Akteure aus Unternehmen, Universitäten und Stiftungen vernetzt und weiterbildet. „Wir zahlen uns monatlich 440 Euro aus“, sagen Sönke Burkert und Carsten Lessmann, Mitte und Ende 30, neben Nils Dreyer Gründungsgesellschafter der Hilfswerft. Teilzeitjobs für die gute Sache, Burkert arbeitet noch als Unternehmensberater, Lessmann bei einer Bausparkasse. Bei der Hilfswerft sind sie „Konstrukteure“, sagt die Visitenkarte.
Kleines Geld also für große Ziele. Auf dem Besprechungstisch liegt ein Blatt mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der UN – von der Armuts- und Hungerbekämpfung über gute Arbeitsbedingungen bis zu verantwortungsvollem Konsum. „Herausforderungen, die auch auf kleinem Level umgesetzt werden können“, sagt Carsten Lessmann. Es gehe nicht darum, morgen den Hunger in Afrika zu beenden, sondern zum Beispiel mit dem Bremer Magazin „Zeitschrift der Straße“ möglichst viele wohnungslose Menschen in den Verkauf zu bekommen und so deren Leben zu stabilisieren.
Ein wichtiges Ziel der Hilfswerft ist es, soziales Unternehmertum bis 2025 an allen deutschen Universitäten im Lehrplan zu etablieren. Schon jetzt richtet man mehrtägige Camps an den Unis aus, bei denen das Hilfswerft-Team und Gastreferenten von sozialen, aber auch „normalen“ Unternehmen, so genannte „Social Business Angel“, zeigen, wie man gesellschaftliche Probleme unternehmerisch angehen kann.
Jakob Berndt war schon dabei, Mitbegründer des erfolgreichen Hamburger Fair Trade-Unternehmens Lemonaid. „Man muss früh an die Unis, um den Studenten zu zeigen, dass es schon lange nicht mehr nur die Wahl zwischen Geld oder Leben gibt“, sagt Carsten Lessmann, der die Offenheit für alternative Geschäftsmodelle während seines BWL-Studiums vermisst hat. „Von Nobelpreisträger Muhammad Yunus, dem Erfinder der Mikrokredite, habe ich erst nach meinem Abschluss gehört“.
Bei der Hilfswerft geht es aber nicht nur darum, Beratung bei der Gründung eines sozialen Unternehmens zu bekommen, sondern auch um „Social Intrapreneurship“, also Projekte für das Gemeinwohl in bereits etablierten Firmen oder Organisationen. Ob aus einem Sinn für Gerechtigkeit heraus oder um sich als Arbeitgeber für Führungskräfte interessanter zu machen. „Ökopapier und Ökostrom zu nutzen, reicht heute nicht mehr. Viele junge Arbeitnehmer fragen schon beim Bewerbungsgespräch nach dem gesellschaftlichen Engagement eines Unternehmens“, berichtet Konstrukteur Carsten Lessmann, der es aber spannender findet, wenn das „soziale Gewissen eines Betriebes zu dessen Geschäftsmodell gehört.“ Die Firma Lemonaid wäre hier sicher ein gutes Beispiel.
Letztlich seien die Herausforderungen für ein soziales oder normales gewinnorientiertes Unternehmen gleich, erklärt sein Kollege Burkert. „Wie mache ich Marketing? Wie finde ich meine Mitarbeiter und kriege ein gutes Produkt hin?“ Marketing sei einfacher für soziale Unternehmen, sagt er, da sich die gute Sache besser medial verkaufen lasse. „Wäre die Hilfswerft eine normale Unternehmensberatung, würden wir hier vielleicht gar nicht zusammensitzen“, sagt Burkert über den Termin mit dem Reporter. Bei den Produkten wiederum ist für ein sozial fokussiertes Unternehmen oft schwieriger, da es höhere ethische Ansprüche an Mitarbeiter und Zulieferer hat.
Auch mit kleineren Bremer Unternehmen hat die Hilfswerft schon zusammengearbeitet. Utamtsi zum Beispiel, ein Hersteller von fair gehandeltem Bio-Kaffee aus Kamerun oder mit dem Coworking-Space „Weserworks“, das von Menschen mit Behinderung gemanagt wird.
Wer sich dort zum Arbeiten einmietet, kann sicher die Welt ein bisschen besser machen.