Paketärger in Bremen Ein DHL-Zusteller packt aus

Diverse Bremer warten immer noch darauf, dass DHL endlich ihr Weihnachtspaket ausliefert. Ein Zusteller packt aus und verrät, wodurch das Unternehmen in der Hansestadt die größten Probleme hat.
13.01.2018, 06:29 Uhr
Lesedauer: 4 Min
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Ein DHL-Zusteller packt aus
Von Florian Schwiegershausen

Der DHL-Paketärger in Bremen erhitzt weiter die Gemüter aller, die immer noch auf ihr Weihnachtsgeschenk warten. Von der DHL-Pressestelle heißt es, dass in Bremen nun alle Pakete, die vor Weihnachten liegen geblieben sind, ausgeliefert seien. Dem widersprechen diverse Bremer, die immer noch auf ihr Paket warten.

So bestätigt es auch ein DHL-Zusteller, der lieber nicht namentlich genannt werden möchte – aus Angst vor beruflichen Konsequenzen. Was grundsätzlich das Problem ist, und wo es hakt, verriet er dem WESER-KURIER. Er arbeitet schon seit einigen Jahren als Paketzusteller bei dem Unternehmen.

Er sagt: „Ich mache den Job auch wirklich gern. Aber es wird immer schwieriger. Wir haben einfach viel zu wenig Zusteller. Und das Unternehmen hat auch Probleme, neue Zusteller zu bekommen. Für etwa zehn Euro die Stunde will keiner diesen Job machen. Da ist dann immer mal wieder jemand Neues da, aber oft nach ein oder zwei Tagen schon wieder weg, weil denen das zu anstrengend ist.“

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DHL nannte als Ursache für die Probleme den Zusteller-Warnstreik Ende November und Anfang Dezember in Bremen, aber auch den Erpressungsversuch, mit dem das Unternehmen im Dezember konfrontiert war. Das sieht der DHL-Zusteller anders: „Das mit dem Erpressungsversuch und dem vermeintlichen Bombenpaket ist nur ein vorgeschobener Grund. Wir haben schlichtweg zu wenig Leute. Und uns Zustellern hilft es nicht weiter, wenn die DHL-Pressestelle wie vergangene Woche verkündet, bis zum Wochenende seien alle fehlenden Pakete ausgeliefert.“

Es sei klar gewesen, dass auch das wieder nicht zu schaffen gewesen sei. Ein Kunde, der seine Sendung endlich in den Händen halten konnte, berichtete dem WESER-KURIER, dass der DHL-Bote, der es gebracht hatte, eigentlich in Braunschweig arbeitet. Der DHL-Zusteller bestätigt: Um den Paketberg abzuarbeiten, seien auch Kräfte vorübergehend aus Hamburg nach Bremen geholt worden.

Pause wird oft weggelassen

Immer mehr Pakete verschärfen das Problem. „Es sind dieses Jahr vor der Weihnachtszeit einfach so viele gewesen wie noch nie.“ Morgens beginnt der Zusteller seine Arbeit um 7.30 Uhr. Er packt die Pakete ins Auto, startet seine Tour. „Da hast du schon morgens ein ungutes Gefühl. Weil du dann schon weißt, dass die Tour einfach nicht zu schaffen ist.“

200 Pakete pro Tag – das sei möglich. Aber in den Tagen vor Weihnachten sind es laut dem Zusteller 300 bis 400 Pakete gewesen. Der Mann ergänzt: „Jeden Tag bin ich insgesamt zehn Stunden und 45 Minuten unterwegs. Die 45 Minuten sind eigentlich als Pause gedacht. Aber die Pause habe ich oft weggelassen, um möglichst viel zu schaffen. Denn irgendwo hat man auch eine gewisse Zusteller-Ehre und will die Kunden ja auch zufriedenstellen.“

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Doch im Gegenteil: Von einigen Empfängern ist der Bote angeschrien worden. Und von oben wachse der Druck auch. Wo der Zusteller allerdings die Bremer lobt: „In der Weihnachtszeit haben viele wirklich gut Trinkgeld gegeben – eine schöne Anerkennung.“

Was er sich von den Kunden erhofft: „Ich wünsche mir einfach mehr Verständnis für unseren Job. Es gibt ja immer wieder diese Berichte, dass die Kunden im Briefkasten nur eine Karte vom Zusteller finden, obwohl die Kunden Zuhause waren. Das soll so eigentlich nicht sein, aber einige Kollegen sparen auf diese Weise wohl Zeit.“ Außerdem könnten die Kunden ihr eigenes Konsumverhalten überdenken: „Da bestellen die im Internet zehn Kleidungsstücke und senden hinterher neun davon wieder zurück, weil sie ihnen nicht passen oder ihnen die Farbe nicht gefällt. Muss das sein?“

Neue Sortieranlage im Güterverkehrszentrum

Thomas Warner von der Gewerkschaft Verdi kann vieles, was der Zusteller beschreibt, bestätigen. Was dazukommt: „Die Zusteller in Bremen erhalten weniger Geld als die Kollegen in Bayern oder Baden-Württemberg.“ Auch hier laufen die Tarifverhandlungen. Für Warner ist sicher: „Bis zur nächsten Verhandlungsrunde werden wir wieder zum Warnstreik aufrufen.“ Dieser nächste Termin ist in gut zwei Wochen.

Zurück zum Paketärger: Ein wartender Bremer Kunde mutmaßte, dass die Pakete der Internethändler bevorzugt ausgeliefert werden. Da widerspricht der ungenannte Zusteller: „Das wäre viel zu aufwendig, die ganzen Sendungen aus all den Paketen herauszufischen.“ Was die Arbeit zwischen Weihnachten und Neujahr auch nicht einfacher gemacht habe: Im Güterverkehrszentrum erhält DHL eine neue Sortieranlage. Daher wurden die Zusteller von dort auf die anderen Paketzentren in und um Bremen verteilt.

Die neue Anlage sei noch schneller, bedeute für die Arbeit der Zusteller aber wenig Erleichterung: „Ich selbst arbeite ja nicht schneller. Es werden womöglich nur noch mehr Pakete.“ In der Adventszeit sei es auch keine Erleichterung, sich die Sendungen an eine DHL-Packstation liefern zu lassen.

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„Außerhalb der Weihnachtszeit sparen wir dadurch schon Zeit. Aber in den Wochen vor dem Fest sind die meisten Stationen voll.“ Und beim Ausliefern der bis jetzt liegengebliebenen Weihnachtssendungen ist das Motto offensichtlich: „Hauptsache ausgeliefert.“ Das hat Sabine Köhler in den vergangenen Tagen erfahren.

Statt in ihrer Wunsch-Packstation in Findorff landete die Pakete in Stationen quer durch Bremen verteilt. So fuhr sie am Freitag eine Stunde durch die ganze Stadt: nach Gröpelingen, Walle, Schwachhausen, in die Vahr und an die Uni. Sie fragt sich: „Was machen da Leute ohne Auto?“ Und der Weg zur Postfiliale in Walle war vergebens. Das Paket fehlte trotz Ankündigung.

Rüdiger Schneider wartet weiter aufs Weihnachtsgeschenk, aufgegeben am 15. Dezember in Berlin: „Per Sendungsverfolgung sehe ich, dass das es im Paketzentrum ist aber nicht bewegt wird.“ Am DHL-Kundentelefon sei er aus der Leitung geworfen worden: „Das ist wirklich das Allerletzte!“ Das Personalproblem gibt DHL zu: 40 Zusteller werden dringend gesucht für Bremen. Interessenten können ihre Bewerbung per E-Mail an postjobs-bremen@deutschepost.de senden.

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