Bremen. Beck's-Bier und Bremen - nach dem Flaschenetikett gehört das untrennbar zusammen. Doch Beck's kommt längst nicht mehr nur aus Bremen, sondern aus etlichen Brauereien weltweit. Heute ist Beck & Co nur noch einer von vielen Betrieben der belgischen InBev-Gruppe und Teil des multinationalen Bierkonzerns Anheuser Busch-InBev (ABI). In diesem Konzern, so bemerkte der Beck's-Betriebsrat angesichts des kürzlich angekündigten Stellenabbaus am Standort Bremen, hat Bier keine Heimat mehr. Die Ortsangabe Bremen auf der Flasche ist anscheinend unverbindlich geworden.
Der Konsumforscher Günter Birnbaum sieht darin kein Problem. 'Beck's ist keine Lokal-, sondern eine internationale Marke, die weltweit getrunken und beworben wird. Deshalb ist für diese Marke und ihren Verkaufserfolg der Braustandort nicht entscheidend', meint der Verantwortliche für den Getränkesektor bei der Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg. Da spiele allenfalls noch das Thema Deutschland mit seinem Reinheitsgebot eine Rolle, 'aber bestimmt nicht Bremen'.
So entschieden will das Unternehmenssprecher Oliver von Oehsen nicht formulieren. Es sei dem Konzern bei weitem nicht völlig egal, wo Beck's gebraut wird, beteuert er. Mehr als 80 Prozent von Beck's würden immer noch in Bremen gebraut und abgefüllt. 'Wir sind ganz klar die Heimatbrauerei von Beck's.' Und mit einem Anteil von 20 Prozent an den deutschen Bierausfuhren mit Abstand die größte Exportbrauerei im Lande. 'Deshalb bekommen wir die Weltwirtschaftskrise eben auch besonders zu spüren.'
Die Kosten entscheiden
Schon seit ein paar Jahren wird Beck's auch an den InBev-Standorten im westfälischen Issum sowie in München abgefüllt. Eigene Braustätten gibt es zudem in China und Russland. Um Transportkosten und Zeit zu sparen, lässt die der Konzern Beck's-Bier - 'strengstens nach unseren Qualitätsvorgaben' - in mehreren Ländern auch von Lizenznehmern produzieren. Unter anderem in Australien, Algerien und Neuseeland. Was die konkreten Absatzmengen betrifft, hält sich das Unternehmen bedeckt. Publiziert wird lediglich der Gesamtausstoß von InBev-Deutschland. Der lag im vergangenen Jahr bei neun Millionen Hektolitern - verteilt auf alle Produkte und die vier deutschen Standorte der InBev-Gruppe.
'Welche Sorte wo produziert wird, wird zunehmend unter Kostengesichtspunkten entschieden', sagt Marc-Oliver Huhnholz, Sprecher des Deutschen Brauer-Bundes. 'Wichtig ist doch vor allem, wie das Produkt schmeckt. Und wenn das Brauunternehmen garantieren kann, dass das an anderen Standorten hergestellte Produkt genauso schmeckt, wie das am Stammsitz, dann dürfte der Konsument ja nichts dagegen haben', glaubt Huhnholz.
Doch der Geschmack steht für den Verkaufserfolg eines Bieres gar nicht an erster Stelle, weiß Konsumforscher Birnbaum. Viel wichtiger sei das Image, das 'Lebensgefühl', das mit der Biermarke vermittelt werde. Und da müsse Beck's als globale Marke, die den Massengeschmack von Millionen Konsumenten weltweit treffen soll, eben auch eine international passende Ansprache finden.
Bedeutung der Heimat
'Klar, Tradition ist ein wichtiger Wert', räumt Oliver Bartelt, Marketingmann bei InBev in Bremen ein. Aber Heimatverbundenheit und Tradition, das klinge eben schnell ein bisschen 'angestaubt'. Dass beides keine Verkaufswerte für sich sind, beweise die Entwicklung der InBev-eigenen Regionalmarken wie Diebels oder Löwenbräu. 'Beides Marken, die eher mit traditionellem Heimataspekt daherkommen. Gerade die haben Probleme', sagt Bartelt. Beck's als 'moderne Marke, die eine weltoffene, aktive Zielgruppe anspricht', habe dagegen im vergangenen Jahr erstmals und auch nur 'marginal' verloren - nach einem Plus von fünf Prozent im Vorjahr. 'Das zeigt doch, dass unser Konzept funktioniert.'
Nach wie vor ziert das Motiv des Bremer Schlüssels das Etikett auf den grünen Flaschen. 'Aber die Ansprache erfolgt über andere Bilder' betont Bartelt. In den vergangenen Jahren war es der Dreimaster 'Alexander von Humboldt', unter dessen grünen Segeln junge, ausgelassene Menschen fröhlich ihrer Freiheit auf den Meeren zuprosteten. Heute sind es die Lifestyle-Themen Mode, Design und Musik, mit denen die Marke Beck's bei den Konsumenten punkten soll. So werden etwa Nachwuchstalente gefördert und Musik- und Modefestivals gesponsert. 'Beck's steht für Freiheit, für Individualität und Internationalität', formuliert es Bartelt. Darin unterscheide sich ein Premiumprodukt auch von Billigbieren - oder Preis-Einstiegs-Bieren, wie sie in Brauerkreisen genannt werden. 'Die haben diese Emotionen nicht. Da ist der Preis das einzig Entscheidende', sagt Bartelt. 'Ein Beck's-Käufer dagegen will ein Produkt haben, mit dem er gleichzeitig auch ein Lebensgefühl einkauft, mit dem er sich wohlfühlen kann und mit dem er sich identifiziert.'
Für Konsumforscher Birnbaum ein wesentlicher Grund dafür, warum viele Markenprodukte auch in der Krise nichts eingebüßt haben. 'Wir haben gesehen, dass Marken, die einen bestimmten Mehrwert vermitteln und kommunizieren, in der Krise sogar profitiert haben.' Der Verbraucher habe in der Vergangenheit viele Dinge gekauft, die billig aber unnütz waren. 'Heute kauft er bewusster. Und davon profitieren Marken.'
Das gelte auch für den Biermarkt. Der Siegeszug des Billigbieres vor einigen Jahren sei jedenfalls nicht zu Lasten der Premium-Marken gegangen. Bier für maximal fünf Euro pro Kiste macht laut Birnbaum mengenmäßig derzeit etwa 30 Prozent aus. Der Gesamtmarkt für das Billigbier stagniere aber seit zwei, drei Jahren. Einen Austausch gebe es allerdings auf Seiten der Akteure. Oettinger, der deutsche Riese im Niedrig-Preis-Segment, verliere zur Zeit wieder. Stattdessen gebe es immer mehr Handelsmarken, die diese Lücke füllen. Dass dabei zum Teil auch die Markenbrauereien mitmischen, ist kein Geheimnis. Einige verdingen sich als Lohnabfüller für große Discounter und produzieren unter einem Decknamen auch günstigere Handelsware, weiß Huhnholz. Technisch sei das kein Problem: 'Es gibt einige Brauereien, die sechs Marken in zwei Sudhäusern produzieren.' Andere steigen mit eigenem Namen offensiv ins Billigbier-Geschäft ein und versuchen auf diese Weise, der Konkurrenz Marktanteile abzujagen.
'Das ist ein reiner Verdrängungswettbewerb', sagt Verbandssprecher Huhnholz. Vor gut 30 Jahren lag der Pro-Kopf-Konsum hierzulande noch bei 150 Litern Bier im Jahr. Heute sind es nur 110 Liter. Damit liegt Deutschland im weltweiten Vergleich immer noch auf Platz drei, hinter Tschechien und Österreich. Aber kein Land verfügt zugleich über eine so hohe Dichte von Braustätten. Immerhin 1319 Brauereien - von der Wirtshausbrauerei bis zum industriellen Groß-Produzenten - ringen um eine immer kleiner werdende Konsumentenschar.
Mittlere Preisklassen verlieren
Während sich Billigbiere und Premiummarken dabei behaupten können, sind es vor allem die mittleren Preisklassen von bis zu zehn Euro pro Kasten, die verlieren. 'Die Mitte wird zerquetscht', überspitzt es GfK-Experte Birnbaum. 'Viele wurden schon von einem Billighersteller aufgesaugt oder sind ganz vom Markt verschwunden.'
Zu den Verlierern gehört auch die Gastronomie. 'Die Leute kaufen sich ihr Bier oder ihren Wein im Laden und trinken zu Hause auf dem Sofa', sagt Birnbaum. Wissenschaftler nennen das 'Homing-Trend', die Rückbesinnung auf die eigenen vier Wände. 'Diese Verlagerung des Außer-Haus-Konsums nach Hause hat das ohnehin rückläufige Geschäft der Gastronomie noch mal zusätzlich belastet', sagt Birnbaum. So sei der gesamte Getränkeumsatz allein im vergangenen Jahr um 13 Prozent zurückgegangen. Nur noch 30 bis 35 Prozent der Bieres werden heute noch außer Haus getrunken.
Um so stärker wächst die Marktmacht des Handels. Das bekommen auch Markenhersteller wie Beck's zu spüren. So beklagte Brauerei-Chef Jens Hösel in einem Interview unserer Zeitung einen 'nie dagewesenen Preiskampf beim Bier im Handel, der insbesondere uns als Markenhersteller unter Druck setzt'. Konsumforscher Birnbaum hat vor allem eine größere Differenz zwischen Normal- und Aktionspreis festgestellt - das gelte auch für Beck's. Hier sieht der Konsumexperte das eigentliche Risiko für die Marke. Denn wenn der Unterschied zu groß wird, frage sich der Verbraucher doch, warum er das Bier überhaupt noch teuer zum Normalpreis kaufen soll und wartet lieber auf die nächste Aktion. 'Langfristig führt das zu einer Markenerosion', glaubt Birnbaum. 'Die Marke läuft Gefahr, unglaubwürdig zu werden' - ganz egal, wo sie hergestellt wird.