Herr Fels, Ihr Unternehmen hat eine Zauberformel entwickelt: 3B + 5K = 3P. Was verbirgt sich dahinter?
Bernd Fels: Sonst sind wir nicht gerne im Englischen unterwegs, hier hat es wegen der Buchstaben aber so schön gepasst. Bricks, das sind die Steine, Flächen und Gebäude. Bytes stehen für die Technik. Und Behaviour meint den Menschen, die Arbeitsprozesse, das Verhalten untereinander. Wenn diese drei Aspekte harmonieren, ist die Basis gelegt.
Addiert wird dann was? Die Gleichung soll ja aufgehen.Hinzu kommt die richtige Körnung der 5 K’s für die Bricks, also der Flächen: Kommunikation, formell oder informell. Kollaboration, was so gemeint ist, dass die Menschen ihren Job nicht mehr alleine machen, sondern im Team. Kreativität, um ständig zu hinterfragen und neue Zyklen anzustoßen. Kontemplation in Form von Ruhe und Besinnlichkeit, um auch mal runterzukommen. Und Konzentration, das ist nach unseren Erfahrungen in den Büros die Achillesferse.
Warum?Weil es modern geworden ist, in Open-Spaces zu arbeiten, wie wir das nennen. Große Räume, multifunktional. Das kann gut funktionieren, muss es aber nicht. Wenn Unternehmen so ein Konzept auf Teufel komm raus einführen und falsch planen, sind Gefahren damit verbunden, vor allem der Mangel an Möglichkeiten, sich zu konzentrieren.
Okay, und nun zum Ergebnis. Was meinen Sie mit 3P?Das sind die Arbeitsorte nach der Theorie der Third-Places von Ray Oldenburg. Der zweite Ort, das Büro wird nicht aussterben, denn Menschen benötigen eine Heimat und einen Ort des Zusammenhalts. Die Arbeit von zu Hause (der erste Ort) und sogenannte dritte Orte (Coworking) werden aber zunehmen. Kein Muss, sondern ein Kann für den, der will und für den, der damit seine Work-Life-Integration verbessern kann. Das ist ein Strauß von Optionen, aber wissen Sie was . . .?
. . . es gibt noch mehr Varianten.Genau, ich sage Ihnen ein Beispiel. Meine Kunden fragen mich oft, wie es bei mir ist, wie ich arbeite und wo mein Büro ist. Ich sage Ihnen dann, dass es der eine Quadratmeter im Großraumwagen des ICE ist, dort arbeite ich am meisten – nicht immer gerne. Wir Berater sind ja ständig unterwegs. Das ist, wenn Sie so wollen, der vierte Ort. Wenn die Autos erst einmal autonom fahren können, ist die Frontscheibe ein Monitor, an dem Sie Ihre Aufgaben erledigen können. Der fünfte Ort ist dort, wo es einem gefällt – die Technologie macht es möglich.
Diese radikale Flexibilität, hilft das immer? Arbeit, die weder Ort noch Zeit kennt, sondern nur das Ergebnis? Braucht der Mensch nicht einen Anker, ein soziales Gefüge, das sich unter anderem im Arbeitsumfeld manifestiert?Ja, wie oben schon erwähnt. Deshalb werden die Unternehmen ihre Büros behalten. Sie sind der Nabel, die Heimat, dort wird Gemeinschaft gelebt. Freilich nicht länger so, dass jeder seine Kemenate hat. Diese Ich-Flächen mit ein bisschen Wir, das dreht sich gerade. Weniger Ich in Zukunft, mehr Wir.
Schöne neue Arbeitswelt, wenn man‘s mag, die Kehrseite ist aber doch, dass der Mensch total vereinnahmt wird. Wo er steht und geht, kann er produktiv sein und soll das vielleicht auch. Da steckt bei den Firmen sicherlich auch Kalkül dahinter.Das ist so, da darf man sich nichts vormachen. Unternehmen wie Google oder Apple legen es förmlich darauf an, dass ihre Mitarbeiter sich ganz und gar der Arbeit verschreiben. Ich bin deswegen ein Freund von klaren Regeln zu Arbeitszeit und Arbeitsort, die auf die Gesundheit der Beschäftigten achten. Andererseits sollte man nicht alle Bemühungen, ein angenehmes Arbeitsumfeld zu organisieren, als perfide Art der Ausbeutung denunzieren. Unternehmen müssen sich in Zeiten des Fachkräftemangels am Wohlergehen ihrer Angestellten orientieren. Und hierzu zählt absolut auch ein schönes Arbeitsumfeld.
Der Arbeitgeber auf dem Laufsteg; er muss plötzlich überzeugen, nicht nur seine Kunden, sondern auch die Beschäftigten, die er benötigt.Ja, so könnte man das sagen. Wissen Sie, der Mensch ist Philosoph, er fragt nach dem Warum. Er will eine Geschichte hören, will den Sinn sehen, etwas, was ihm eine Idee von dem Unternehmen vermittelt.
Was spielt das Büro dabei für eine Rolle?Es sollte ein Spiegel der Marke sein für Mitarbeiter, aber auch für Externe. Vermehrt ist es heute so, dass Kunden, Zulieferer, Experten eingeladen werden, um gemeinsam Produkte zu entwickeln, dazu kommen Berater von außen, ein ganzer Trupp manchmal. Auch dieser Klientel müssen Sie beim Arbeiten eine attraktive Umgebung bieten, denn die Gunst um die besten Fachkräfte hört beim eigenen Mitarbeiter nicht auf. Oder laden Sie Nachbarn in Ihr firmeneigenes Coworking ein – heute eine Geste für bessere Nachbarschaft, morgen wertvoller Tippgeber für Produktentwicklungen oder ein neuer Mitarbeiter. Öffnen Sie nicht nur virtuelle Grenzen – früher Intranet heute Social Media –, sondern auch die Unternehmen selbst. Und seien Sie besonders. Kennen Sie die Rutsche von Google?
Nein, nie gehört. Was soll das sein?Google hat in seiner Niederlassung in Zürich eine Rutsche bauen lassen, auf der die Mitarbeiter zur Kantine sausen. Eine Spielerei, gewiss. Aber das sind positive Bilder, die sich einprägen, die Kultur vermitteln.
Wir haben in unserer Serie Büros aus sehr unterschiedlichen Branchen vorgestellt, nach Schema F lassen die sich wahrscheinlich nicht entwickeln, nach einer gemeinsamen Formel auch nicht, oder?Okay, wenn Sie darauf zurückkommen wollen – unsere Formel ist, glaube ich, durchaus allgemein anwendbar. Sie spricht Grundprinzipien an. Ansonsten aber gilt, dass es keine Blaupausen gibt. Man muss sich bei der Planung der neuen Arbeitswelten ganz genau anschauen, was die Anforderungen sind und nichts pauschalisieren. Ganz wichtig ist die Partizipation, etwas drüber zu stülpen, funktioniert nicht. Wir verstehen uns als Moderatoren und Mediatoren, denn die Lösungen werden in den Belegschaften auch in Zukunft immer heiß diskutiert.
Das Gespräch führte Jürgen HinrichsBernd Fels (49)
ist Inhaber von „if5 anders arbeiten“. Das Unternehmen berät bei der Planung, dem Bau und der Einführung von Arbeits- und Büroumfeldern. Sein Leitprinzip: „Frohes Schaffen“.