„Grüner Wasserstoff“ ist ein Zauberbegriff der Energiewende. In den Hochöfen des Ruhrgebiets, Niedersachsens und Bremens soll er später dazu dienen, Stahl herzustellen. Ist das überhaupt sinnvoll?
Sarah Maier: Auf jeden Fall. Für die Energiewende ist Wasserstoff unabdingbar. Denn bei manchen Produktionsverfahren beispielsweise in der Metall- oder Chemieindustrie können klimaschädliche Energieträger wie Kohle nicht direkt durch saubere Elektrizität ersetzt werden.
Warum nicht?
Zum Beispiel in Hochöfen braucht man entweder Kohle oder eben Wasserstoff, um Eisenerz zu Stahl zu reduzieren. Mit dem direkten Einsatz von Ökostrom funktioniert das nicht.
Als sogenanntes grünes Gas bezeichnet man Wasserstoff (H2), wenn er mittels Ökostrom aus Wasser gewonnen wird. Dann entstehen keine klimaschädlichen Abgase. Problematisch erscheint doch aber, dass die Energieausbeute auf diesem Weg so gering ist?
Das stimmt – einerseits. Auf diesem Weg geht im Vergleich zur direkten Verwendung des Stroms tatsächlich viel Energie verloren. Aber H2 hat einen entscheidenden Vorteil: Man kann ihn gut speichern und transportieren. So hilft Wasserstoff, beispielsweise Windstrom für windarme Zeiten aufzubewahren.
Wie kann man Wasserstoff als Energieträger grundsätzlich verwenden?
Neben der Industrie geht es vor allem um den Verkehr. In Brennstoffzellen reagieren Wasser- und Sauerstoff miteinander, dabei entsteht Strom, der die Elektromotoren von Fahrzeugen antreibt. Auf dem Weg der doppelten Umwandlung von Ökostrom in Gas und zurück gehen allerdings etwa zwei Drittel der Energie verloren. Effizienter ist es deshalb, den Strom in Batterien zu speichern und direkt im E-Motor einzusetzen. Die Brennstoffzelle eignet sich vor allem für schwere Fahrzeuge wie Lkws und Busse, bei denen Batterien aufgrund des Gewichts und der Reichweite nicht infrage kommen. In Gebäuden sind Brennstoffzellen als Energielieferanten für Heizungen ebenfalls denkbar.
Der Ökostrom reicht bisher kaum aus, um die heimische Industrie, die Haushalte und auch noch den Verkehr mit Energie zu versorgen. Um diesen großen Bedarf zu befriedigen, müssten doch Tausende Windräder zusätzlich errichtet werden?
Ja, die momentane Erzeugung der erneuerbaren Energien ist zu gering, um die Energiewende in allen Sektoren zu schaffen. Dafür müssen viele neue Wind- und Solarkraftwerke hinzugebaut werden. Gleichzeitig wird Deutschland aufgrund der begrenzten Flächenpotenziale nicht umhinkommen, einen großen Teil des zukünftigen Bedarfs an Ökostrom und Wasserstoff zu importieren.
Woher sollen die Lieferungen kommen?
Die Bundesregierung schätzt, dass Deutschland 2030 mehr als zwei Drittel seines H2-Bedarfs aus Weltgegenden deckt, die ein gutes Potenzial für erneuerbare Energien aufweisen. Solarstrom wird beispielsweise in Spanien günstiger produziert als hier, Windstrom in den Anrainerstaaten der Nord- und Ostsee. Auch an die Wüsten Nord- und Südafrikas, Chiles und Australiens wird gedacht.
Bietet der Import eine Chance für Häfen wie Bremerhaven oder Hamburg?
Wasserstoff per Schiff zu transportieren ist noch sehr teuer, weil man das Gas zuvor verflüssigen muss. Wann der Schiffstransport wettbewerbsfähig wird, bleibt abzuwarten. Vorerst erscheint es aussichtsreicher, frei werdende Gas-Pipelines zu nutzen. Auf diese Variante setzen die Niederlande. Mit Strom aus Offshore-Windparks vor ihrer Küste wollen sie Wasserstoff herstellen und diesen durch die bestehenden Erdgasleitungen unter anderem nach Deutschland verkaufen. Künftig entstehen vielleicht auch Pipelines nach Nordafrika.
Die Bundesregierung will nicht nur grünen H2 einsetzen, sondern auch sogenannten blauen. Der stammt aus fossilem Erdgas. Beschleunigt das nicht den Klimawandel?
Bei der Herstellung von Wasserstoff auf Basis von Erdgas entsteht klimaschädliches Kohlendioxid. Wenn man dieses jedoch auffängt, in unterirdischen Gesteinsschichten, beispielsweise erschöpften Erdgasfeldern, lagert oder als Rohstoff in der Chemieindustrie verwendet, lässt sich die klimaschädigende Wirkung reduzieren. Aber selbst dann hat der blaue Wasserstoff eine schlechtere Klimabilanz als grüner – schließlich kommt es unter anderem bei der Förderung des Erdgases zu schädlichen Emissionen.
Das Gespräch führte Hannes Koch.
Sarah Maier
arbeitet als Volkswirtin und Energieexpertin am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln.
Flüssigwasserstoff-Tanker mit Bremer Technik von Saacke
Im weltweit ersten Flüssigwasserstoff-Tanker, der im Dezember 2019 in Japan auf den Namen „Suiso Frontier“ getauft wurde, steckt Technologie des Bremer Unternehmens Saacke Marine Systems. Saacke hatte die sogenannte wasserstoffkompatible Gas Combustion Unit (GCU) und den SSBG-Brenner geliefert. Sie gewährleisten nach Angaben des Herstellers einen ebenso sicheren Seetransport wie es beim flüssigen Erdgas der Fall ist. Betreiber des Schiffes ist die Hydrogen Energy Supply-Chain Technology Research Association, ein Konsortium unter Federführung der Kawasaki Heavy Industries.
Ziel des Pilotprojekts ist es, den Ablauf einer internationalen Wasserstoff-Energieversorgungskette zu demonstrieren. Dabei soll in Australien hergestellter und verflüssigter „blauer“ Wasserstoff (siehe Interview) nach Japan verschifft werden, dessen Industrie auf den Energieträger setzt, um sich unabhängiger von Erdöl und -gas zu machen. Um dieses Vorhaben zu realisieren, muss der Tanker im Hinblick auf Sicherheitsaspekte entsprechend ausgestattet sein. „Flüssigwasserstoff-Tanker sind für den Gastransport mit einer Temperatur von etwa minus 250 Grad, also nahe der Verdampfungstemperatur, ausgelegt“, so Matthias Flies von Saacke Marine Systems. Trotz einer Isolierung der Ladetanks, die den Zutritt von äußerer Wärme begrenzen soll, würden stets geringe Wärmemengen in die Tanks gelangen und zu einer leichten Verdampfung der Gase führen. Dieses sogenannte Boil-Off-Gas sei insbesondere auch bei den Bewegungen auf einem Schiff unvermeidlich und müsse aus den Tanks entfernt werden, um einen unzulässigen Druckanstieg zu verhindern. „Daher verbrennen die GCUs das überschüssige und aufgrund seiner Methanbestandteile klimaschädliche Boil-Off-Gas vollständig und mit höchster Verfügbarkeit.“