Statt im Wettbewerb wollen die Bremer Lürssen-Gruppe und German Naval Yards Kiel künftig gemeinsam im Marineschiffbau tätig werden. Das gaben beide Unternehmen in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag bekannt. Die bisherigen Aktivitäten im militärischen und behördlichen Überwasserschiffbau sollen künftig in ein gemeinsames Unternehmen unter Führung der Bremer Lürssen-Gruppe eingebracht werden. Ziel sei eine Verbesserung der nationalen Industriestruktur sowie eine Stärkung der Effizienz und Nachhaltigkeit. Damit hat Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) zu diesem Zeitpunkt das Nachsehen. Vor vier Wochen hieß es noch von allen drei Großwerften, dass ein gemeinsamer Weg des Trios durchaus sinnvoll sei.
Der Maritime Koordinator der Bundesregierung, Norbert Brackmann, begrüßt den Zusammenschluss im Marineschiffbau. Als Moderator hatte er nach eigenen Angaben zuvor die Gespräche zwischen den Unternehmen eng begleitet. Brackmann: „Ich begrüße sehr, dass sich die beiden Werften auf eine noch engere und konsolidierte Zusammenarbeit im Bereich des Marine-Überwasserschiffbaus geeinigt haben.“ Der Zusammenschluss stärke den maritimen Standort Deutschland insgesamt, er sei ein gutes Signal für Arbeitsplätze und technologische Innovationen. „Ich hoffe sehr, dass mit der Entscheidung jetzt auch der Bau des Mehrzweckkampfschiffs 180 zeitnah starten kann.“ Damit könnte der avisierte Zeitplan für die Schiffe im Großen und Ganzen realisierbar sein. „Das wäre vor allem für unsere Marine eine gute Nachricht, da man dort auf die Schiffe wartet.“
Streit um Ausschreibung
In der Vergangenheit gab es Ärger um die Ausschreibungsmodalitäten für das Mehrzweckkampfschiff. Der jüngste Großauftrag der Bundesmarine war nicht komplett in Deutschland geblieben. So hatte Anfang dieses Jahres ein niederländisch geführtes Konsortium unter maßgeblicher Beteiligung der Lürssen-Gruppe den Zuschlag für den Bau der vier deutschen Kampfschiffe MKS 180 erhalten. Europaweit hätte das Verteidigungsministerium diesen 5,3-Milliarden-Euro-Auftrag gar nicht ausschreiben müssen, denn bei Rüstungsgütern reicht laut Regeln der Europäischen Union die nationale Ausschreibung. Bislang haben es auch andere europäische Staaten so gehandhabt.
Um den Auftrag hatte sich anfangs Lürssen zusammen mit dem Wettbewerber Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) beworben, doch die beiden Unternehmen waren als Erste aus dem Rennen. Es bildeten sich auch neue Allianzen: German Naval Yards ging in dem Bieterverfahren eine Kooperation mit TKMS ein. Außerdem war noch die niederländische Werft Damen im Rennen, die zusammen mit der Lürssen-Gruppe schließlich den Zuschlag erhielt.
Der Bau konnte trotzdem bislang nicht starten: Im Streit um die Vergabe des Milliardenauftrags für das deutsche Kampfschiff hatte die Kieler Werft im März einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Bundes eingereicht. Das Unternehmen hatte mitgeteilt, dass es die Entscheidung des Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr weiter für nicht rechtmäßig halte.
Bereits vor vier Wochen hatten sich die Werften zu einem Zusammenschluss positiv geäußert. Es hatte auch bereits Sondierungsgespräche über ein solches Vorhaben gegeben. Die Bundesregierung unterstützte das Vorhaben und fungierte dabei als Moderator. Daran beteiligt war auch TKMS – das dritte Schwergewicht unter den auf Rüstungsaufträge für die Marine spezialisierten deutschen Werften. Weshalb es nun nicht zum Zusammenschluss dieses Werften-Trios gekommen ist, das in der Vergangenheit immer mal wieder in verschiedenen Konstellationen bei Rüstungsaufträgen kooperiert hatte, lässt Raum für Spekulationen. In Branchenkreisen ist zu hören, dass TKMS von der Unternehmensstruktur nicht so zu Lürssen und German Naval Yards passen würde. TKMS ist ein Konzern, die beiden anderen Werften sind familiengeführt.
Offenbar hat TKMS mit diesem Schritt aber kein Problem: „Wir begrüßen diese Entwicklung als einen ersten Schritt hin zu einer Konsolidierung der fragmentierten Werften-Landschaft in Deutschland“, sagte ein Sprecher dem WESER-KURIER. Ist der zweite Schritt vielleicht doch die Bildung des Werften-Trios? Das wird sich sicherlich in den nächsten Wochen zeigen. Parallel soll TKMS auch mit der italienischen Werft Fincantieri über eine Kooperation im Marineschiffbau verhandeln, heißt es aus dem Umfeld des Unternehmens.
Dass die Tür für TKMS nicht ganz zu ist, das deutet Lürssen-Sprecher Oliver Grün an: „Grundsätzlich sind wir für Gespräche zu einer weiteren Konsolidierung im Überwasser-Marineschiffbau offen.“ Nicht verhandelbar sei dabei der Führungsanspruch der Lürssen-Gruppe, sagte Grün dieser Zeitung.
Verbesserung der Industriestruktur
In der gemeinsamen Mitteilung von Lürssen und German Naval Yards heißt es: Die bisherigen Aktivitäten im militärischen und behördlichen Überwasserschiffbau sollen künftig in ein gemeinsames Unternehmen unter Führung der Bremer Lürssen-Gruppe eingebracht werden. Ziel sei eine Verbesserung der nationalen Industriestruktur sowie eine Stärkung der Effizienz und Nachhaltigkeit. Der Zusammenschluss folge den Forderungen des öffentlichen Auftraggebers, leistungsfähige Industriestrukturen in nationaler verlässlicher Verfügbarkeit und effizienter Kostenstruktur gewährleistet zu sehen. Eine Unterstützung
hatte diese Forderung in den jüngsten Beschlüssen der Bundesregierung zur Neufassung des „Strategiepapiers zur Stärkung der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie“ mit der Zuordnung des gesamten Marineschiffbaus als deutsche „Schlüsseltechnologie“ erfahren. Die Stärkung des nationalen Marineschiffbaus durch eine Gemeinschaftsunternehmung entspreche diesen Zielvorgaben und stärke zugleich die internationale Wettbewerbsposition norddeutscher Werften und der nationalen maritimen Zulieferindustrie.
„Die Konsolidierung in Deutschland ist längst überfällig. Deutschland verfügt über erstklassige Marinewerften und exzellente Technologien“, so Iskandar Safa, Vorstand der Privinvest Holding SAL, der obersten Konzerngesellschaft der German Naval Yards Kiel GmbH. „Aber unsere Kunden brauchen Partner, die über die Größe und die Fähigkeit verfügen, umfangreiche, strategisch wichtige Aufträge zu erfüllen.“ Das lasse sich besser erreichen, wenn inländische Akteure sich zusammenschließen.
Friedrich Lürßen, Gesellschafter der Lürssen-Gruppe, sieht in der unternehmerischen Übereinkunft zugleich eine Stärkung der Attraktivität des nationalen maritimen Standortes: „Wir sind davon überzeugt, dass eine Konsolidierung unserer Werften im Marineschiffbau sinnvoll und förderlich ist, um dadurch deren Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken.“ Mit diesem strategischen Zusammenschluss wolle man auch dazu beitragen, die Auswirkungen der durch die gegenwärtige Corona-Pandemie entstandenen Herausforderungen im Schiffbau gemeinsam zu meistern und Arbeitsplätze und Technologiefähigkeit für den nationalen Standort langfristig zu sichern. „Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit und sind zuversichtlich, noch vor uns liegende Hürden in der Umsetzung unserer Konsolidierungsstrategie nehmen zu können.“
In dem Zusammenschluss der beiden Unternehmen sieht die Gewerkschaft IG Metall Küste zwar eine Stärkung des Marine-Überwasserschiffbaus in Deutschland, aber die Fusion von Lürssen und German Naval Yards könne nur ein erster Schritt sein, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. Bei der weiteren Konsolidierung müsse auch TKMS einbezogen werden. „Es braucht eine Gesamtlösung für Unter- und Überwasserschiffbau in Deutschland, um dann eine europäische Strategie zu entwickeln.“
Die IG Metall Küste fordert, die Sicherung der Arbeitsplätze und Standorte bei der Konsolidierung im Marineschiffbau in den Mittelpunkt zu stellen. „Wir brauchen mehr Informationen über die Struktur der geplanten Fusion von Lürssen und German Naval Yards“, so Friedrich. „Wir erwarten verbindliche Zusagen zur Sicherung der Standorte und Arbeitsplätze.“ Die Tarifverträge müssten bei der Fusion erhalten bleiben. Außerdem müsse das neue Unternehmen klare Strukturen haben, die die Mitbestimmung der Arbeitnehmervertreter garantiere.
Die Gewerkschaft kritisiert das Verfahren, wie diese Fusion vorangetrieben worden ist. „Weder die Belegschaft noch die Arbeitnehmervertreter waren einbezogen. So etwas aus der Presse oder kurzen Gesprächen zu erfahren, ist kein guter Start für die neue Gesellschaft“, erklärte Friedrich.