Die Idee, Kleinraketen von einem Weltraumbahnhof von der Nordsee aus zu starten, gibt es schon seit Monaten. Es soll aber nicht nur bei der Idee bleiben. Was die mögliche Realisierung des Projekts angeht, wurde aus Sicht der German Offshore Spaceport Alliance (GOSA) - das Konsortium besteht aus vier Bremer Unternehmen - an diesem Montag ein Meilenstein erreicht: Im Rahmen der Veranstaltung „Von der Nordsee ins All: Aufbruch in eine neue Ära der europäischen Raumfahrt“ vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) haben vier europäische Raketenhersteller in Berlin ihre Absicht bekräftigt, mit GOSA zusammenzuarbeiten und die Möglichkeit von Starts vom geplanten Spaceport in der Nordsee intensiv zu untersuchen.
Bei den Unternehmen handelt es sich um das britische Raumfahrtunternehmen Skyrora, die niederländische Firma T-Minus, sowie die beiden deutschen Unternehmen Hy-Impulse aus Neuenstadt am Kocher und Rocket Factory Augsburg - Tochterunternehmen des Bremer Technologie- und Raumfahrtkonzern OHB. Laut BDI fiel mit der Unterzeichnung des Memorandums of Understanding der Startschuss für den Bau einer mobilen Raketenplattform für Europa in der deutschen Nordsee. Mit anwesend bei der Veranstaltung waren Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und der Luft- und Raumfahrtkoordinator der Bundesregierung, Thomas Jarzombek.
Potenzial für Start-ups
„Eine Startplattform in der Nordsee ist zentral für eine New-Space-Wertschöpfungskette", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. "Vor allem Start-ups und mittelständische Unternehmen werden von dem vereinfachten und flexiblen Zugang ins All profitieren." Die Startplattform stärke das New-Space-Ökosystem in Deutschland und Europa nachhaltig. Die Industrie habe ihre Hausaufgaben gemacht. "Jetzt liegt es an der Politik, diese einmalige Chance zu ergreifen und Mut und Engagement der Wirtschaft aktiv zu flankieren, besonders durch Aufträge an die Unternehmen.“
Aus Sicht des BDI wird der Bedarf an Mini-Raketen, den sogenannten Microlaunchers, in den nächsten Jahren enorm steigen: Allein bis 2030 würden weltweit knapp 15.200 Satelliten ins All befördert. 90 Prozent dieser Satelliten seien Kleinsatelliten. Diese Entwicklung verändere auch den Bedarf an Trägerraketen. Künftig werde es eine Mischung aus großen, mittleren und kleinen Raketen geben. Dabei gewinne vor allem die Möglichkeit an Bedeutung, kleine Satelliten mit kleinen Trägerraketen einzusetzen.
In der datenbasierten, digital vernetzten Welt sei man darauf angewiesen, über die kritische Infrastruktur im Weltraum jederzeit selbst zu bestimmen, so der BDI. Kleinsatelliten und die durch sie generierten und transferierten Daten seien ein entscheidender Schlüssel zum Erfolg. "Sie bilden die Grundlage für den Breitbandausbau und die weitere Digitalisierung, für die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit und nicht zuletzt für den Umwelt- und Klimaschutz."
Das Konsortium GOSA hatte sich im Dezember gegründet und gleich mit der Arbeit begonnen, die Konzeption des Spaceports weiter zu definieren. "Was von der technischen Seite alles notwendig ist, um das Projekt zu realisieren, damit werden wir 2023 fertig sein und könnten es dann schnell umsetzen", sagte GOSA-Sprecherin Sabine von der Recke auf Nachfrage des WESER-KURIER. Geklärt werden müssten bis dahin rechtliche und regulatorische Fragen einer Startplattform. Als Heimathafen für den mobilen Weltraumbahnhof könnte Bremerhaven fungieren. Der nächste Schritt wird nun eine Machbarkeitsstudie sein, die laut Altmaier zur Hälfte von der Bundesregierung finanziert wird.
Offener Spaceport
Zum GOSA-Konsortium gehören als Mitglieder die Reedereigruppe Harren & Partner, die bereits Erfahrungen im Transport von Trägerraketen gesammelt hat – etwa für Airbus; Media Mobil Communication, ein Bremer Unternehmen, das seit mehr als 25 Jahren Kommunikationssysteme für Offshore-Anwendungen sowie für Schiffe und Standorte an Land entwickelt und betreibt; Tractebel DOC Offshore GmbH, die unter anderem Expertisen für die Umsetzung für Offshore-Windparks erstellt, und OHB. OHB-Chef Marco Fuchs hatte in der Vergangenheit mehrfach betont, dass er von der Idee überzeugt sei und sich deswegen der Betreibergesellschaft GOSA angeschlossen habe. Wichtig sei, dass der Spaceport jedem offenstehe. Ein Flughafen, den nur eine Airline anfliegen dürfe, bringe ja auch nicht so viel.