Bremen. Gerda Behrmann liebt ihr Zuhause. Seit 1949 lebt die Bremerin in einem sogenannten Kaisenhaus im Dauerkleingartengebiet "In den Hufen". Die Parzellenlandschaft bildet die grüne Grenze zwischen den Stadtteilen Walle und Findorff. In den vergangenen Jahren hat sich die beschauliche Nachbarschaft allerdings stark verändert. Immer häufiger stellt Gerda Behrmann fest, dass Gärten nicht gepflegt werden und Gebäude verfallen.
Diesen Eindruck bestätigen auch jüngste Erkenntnisse des Bremer Gutachterausschusses für Grundstückswerte. Die unabhängige Expertenrunde, die aus zwei Dutzend Fachleuten besteht, hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Bremer Immobilienmarkt für die Öffentlichkeit transparent darzustellen. Jetzt hat das Gremium erstmals die Preisentwicklung in mehreren Dauerkleingartengebieten der Stadt untersucht. Der Ausschuss wertete ausschließlich Kaufverträge von Parzellen aus, die sich in privater Hand befinden. Gepachtete Grundstücke waren nicht Teil der Erhebung. Das Ergebnis ist eindeutig: "Das Interesse an Kleingärten geht zurück", sagt Ernst Dautert, ehrenamtlicher Vorsitzender des Gutachterausschusses. Das gelte besonders für Gebiete in Bremens Randbereichen.
Zu den am stärksten betroffenen Gegenden zählt das Kleingartengebiet "Hohweg". Dort waren im vergangenen Jahrzehnt Preisstürze bis zu 70 Prozent zu verzeichnen. Interessenten mussten zuletzt nur rund 3200 Euro berappen, wenn sie sich dort ihren Traum vom eigenen Gartengrundstück erfüllen wollten. Das zentrumsnahe Areal "Im Suhrfelde", das an Osterdeich und Erdbeerbrücke grenzt, hatte dagegen nur einen Preisverfall von 20 Prozent zu verkraften. Dort wechselt ein Garten im Schnitt für 9200 Euro den Besitzer. Im Kleingartengebiet "In den Hufen", wo Gerda Behrmann zu Hause ist, liegt der Preis für eine Parzelle in etwa bei 5100 Euro - ebenfalls bei fallender Tendenz. Zum Teil sind es bürokratische Vorgaben, die viele Menschen vor dem Kauf eines Grundstücks zurückschrecken lassen, glaubt die Rentnerin. Die 77-Jährige bewohnt ein sogenanntes Kaisenhaus, von denen es auf dem Areal Dutzende gibt. Diese Art von Behausung geht zurück auf den Bremer Nachkriegsbürgermeister Wilhelm Kaisen. Um die
Wohnungsnot im ausgebombten Bremen zu lindern, erließ er eine Notverordnung. Fast ohne Rücksicht auf bürokratische Vorgaben, sollte jeder ein Haus bauen, der es könne. Hunderte kleiner Wohngebäude entstanden daraufhin in Bremer Kleingartenkolonien. Zehntausende Menschen lebten in der Nachkriegszeit in solchen Kaisenhäusern. Heute ist das Wohnen in Kleingartengebieten weitgehend verboten. Kaisenhäuser bilden keine Ausnahme. Angestammte Bewohner wie Gerda Behrmann haben jedoch das Recht, weiter in den Gebäuden zu leben.
"Wenn ich das Grundstück verkaufen oder vererben würde, müsste das Haus allerdings abgerissen werden", erklärt sie. In den meisten Fällen übernimmt die Stadtgemeinde Bremen diese Aufgabe. Allerdings kann es mitunter dauern, bis die Behörden aktiv werden. Man habe "im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel" zu agieren, heißt es in einer Dienstanweisung des Bauressorts. Auch einen Rechtsanspruch auf die Übernahme der Abbrucharbeiten durch die Stadt gibt es nicht. Solchen Unwägbarkeiten wollen sich viele potenzielle Käufer nicht aussetzen, glaubt Gerda Behrmann.
Heinz-Günther Urban, Vorsitzender des Kleingartenvereins "Hufe" e.V., hat noch eine weitere Theorie für den schleppenden Verkauf der Gartengrundstücke. Mancher Besitzer spekuliere womöglich darauf, dass das Gebiet, auf dem sich seine Parzelle befindet, irgendwann zu Bauland umgewidmet wird. Damit würde sich der Grundstückspreis schlagartig erhöhen. "Besonders wahrscheinlich ist dieses Szenario in den meisten Fällen allerdings nicht", glaubt Urban.
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