Bremen. Wind- und Sonnenenergie verdrängen immer mehr die herkömmliche Stromerzeugung. Mit konventionellen Gas- und Steinkohlekraftwerken sei kaum noch Geld zu verdienen, klagen die Stromkonzerne. Ein Problem auch für den Bremer Versorger SWB. Deutschlandweit könnten Dutzende Kohle- und Gaskraftwerke schon bald vorübergehend oder dauerhaft vom Netz genommen werden.
Die beiden größten deutschen Energiekonzerne RWE und Eon bestätigten am Dienstag, dass sie die Stilllegung vor allem alter Kohle- und Gaskraftwerke prüfen. Nach Medienberichten könnten von etwa 90000 Megawatt konventioneller Erzeugungskapazität bis zu 20 Prozent vorzeitig vom Netz gehen – darunter auch Atomkraftwerke. Bisher jedoch liegen der Bundesnetzagentur erst rund 15 Anträge vor. "Die Versorgungssicherheit ist nicht gefährdet", betonte eine Behördensprecherin. Fachleute halten allerdings Probleme im Netz vor allem in Süddeutschland für möglich, weil dort Atommeiler abgeschaltet wurden und noch kein ausreichender Ersatz, insbesondere durch Windstrom, da ist.
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace warf den Konzernen gestern "Panikmache" vor. "Um Druck für neue Subventionen zu erzeugen, malen die Stromkonzerne wieder mal den Teufel Blackout an die Wand", kritisierte Greenpeace-Energieexperte Andree Böhling. Es gebe in Deutschland "kein Kapazitätsproblem", sondern höchstens regionale Engpässe.
Weil immer mehr Wind- und Solarenergie erzeugt wird, sind die Strompreise an der Börse abgestürzt, gleichzeitig werden konventionelle Kraftwerke immer seltener gebraucht, um die Stromerzeugung zu stützen. Das schlägt sich auch in den Unternehmensbilanzen nieder. Nach einer Erhebung des Verbandes der kommunalen Unternehmen (VKU) hat sich bei fast drei Viertel der insgesamt 700 befragten Versorger die Wirtschaftlichkeit ihrer Anlagen seit 2011 verschlechtert. Mehr als die Hälfte der Betreiber habe ihre Pläne für Kraftwerksneubauten zurückgestellt oder gar ganz aufgegeben.
Flexible Produktion als Ziel
Auch die SWB erzielt nach eigenen Angaben mit Strom aus ihren konventionellen Kraftwerken längst keinen Gewinn mehr. Als Konsequenz werden zwei Kraftwerksblöcke in Hastedt und am Standort Hafen zum Jahresende außer Betrieb genommen. Andererseits wird eine weitere Anlage am Hafen aber auch gerade modernisiert und auf Flexibilität getrimmt. Um die wetterabhängigen erneuerbaren Energien optimal ergänzen zu können, bestehe ein großer Bedarf an flexiblen Produktionskapazitäten, erklärte SWB-Vorstand Torsten Köhne.
Passgenau hat die SWB deshalb gemeinsam mit Partnern rund 450 Millionen Euro in ein hocheffizientes, umweltschonendes Gas-Dampf-Turbinenkraftwerk investiert, das 2014 ans Netz gehen soll. Unter den jetzigen Bedingungen sieht der SWB-Chef jedoch auch dessen Wirtschaftlichkeit in Frage gestellt. Um Gaskraftwerke rentabel betreiben zu können, brauche es eine Reform der Marktstrukturen. Gebe es hier keine Veränderungen, müsse es für die konventionellen Stromerzeuger einen finanziellen Ausgleich geben, fordert Köhne. "Wenn die Politik will, dass die Kraftwerksbetreiber Reserveleistung vorhalten, muss sie Anreize schaffen."
Der Bundesverband für Erneuerbare Energien (BEE) sieht bei der Bundesregierung "eine erhebliche Mitschuld, dass sich hocheffiziente Gaskraftwerke derzeit nicht rechnen und sich stattdessen ausgerechnet die schmutzigste aller Erzeugungsarten, nämlich die Verstromung von Braunkohle, wieder richtig lohnt". Die schwarz-gelbe Koalition habe die Reform des Emissionshandels blockiert. Mit der Folge, "dass CO2-Zertifikate praktisch zum Schnäppchenpreis zu haben sind," erklärte BEE-Präsident Dietmar Schütz gegenüber dem WESER-KURIER.