Die Digitalisierung erfasst auch die Verwaltung: Bund und Länder arbeiten daran, viele Behördengänge ins Internet zu verlegen. Ein Workshop, der vor Kurzem in Bremen stattgefunden hat, zeigt jedoch: So einfach ist das nicht.
Schon seit einiger Zeit beschäftigt sich die Hansestadt mit der Entwicklung des sogenannten Unternehmenskontos. Das ist eine Internetplattform, bei der Firmen verschiedene Dienstleistungen beantragen können – digital, anstatt Formulare auf Papier auszufüllen und per Post zu verschicken. Damit die Verwaltung aber auch nur das entwickelt, was die Wirtschaft wirklich braucht, sind etliche Bremer Unternehmen, Verbände und Behörden auf Einladung von Henning Lühr, Bremer Finanzstaatsrat und Vorsitzender des IT-Planungsrates, zusammengekommen. Eine Erkenntnis des Treffens von vor wenigen Wochen: „Der Teufel steckt im Detail“, so Lühr.
Eine Herausforderung, vor der Teilnehmer des Workshops standen: Das geplante Portal muss für jede Art Unternehmen nutzbar sein – vom selbstständigen Handwerker bis zum internationalen Konzern. Deswegen haben die Teilnehmer zwei fiktive Unternehmer entworfen: einen Gerüstbauer, der sich gerade selbstständig macht, und einen Spediteur. Die erdachten Personen haben unterschiedliche Anforderungen an die Verwaltung: Behördengänge, die mit der Gründung eines Unternehmens zusammenhängen, Genehmigung von Schwerlasttransporten oder etwa die Meldung an die Verwaltung, dass eine Mitarbeiterin schwanger ist.
Dabei geht es nicht nur darum, dass alle Leistungen über das Portal abgewickelt werden können. „Wir müssen uns auch die Frage stellen, wie wir den Dialog zwischen Wirtschaft und Verwaltung benutzerfreundlich machen“, sagt Rainer Heldt, Referatsleiter im Finanzressort. Denn bei der Bedienung würden sich viele an den großen Portalen wie Amazon oder Google orientieren.
Zufriedenheit mit der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft
Mit der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist Heldt zufrieden: „Die Unternehmen waren am Ende des Workshops sehr angetan.“ Mit bei den Workshops vertreten waren etwa die BLG, die BSAG und die Sparkasse Bremen. Im Sommer soll das Projekt vom IT-Planungsrat beschlossen werden, im nächsten Jahr könnte dann das Konzept für die Ausschreibung fertig sein. Dass Bremen so eine führende Rolle in der Digitalisierung der Verwaltung hat, liegt auch an den guten Erfahrungen mit der elektronischen Rechnung. So hat die Hansestadt bereits im vergangenen Jahr eine Möglichkeit entwickelt, mit der Unternehmen, die für die Stadt gearbeitet haben, ihre Rechnung elektronisch über das Internet und damit papierlos einreichen können.
Wie wichtig dieses Thema ist, haben auch Bremer Unternehmen erkannt. Sechs von ihnen haben sich zur Initiative „E-Government Made in Bremen“ zusammengeschlossen. „E-Government hat eine große Bedeutung für Bremen“, sagt Karen Lahmann von der Unternehmensberatung Lava, die den Zusammenschluss angestoßen hat. Er soll der Verwaltung helfen, die Digitalisierung voranzutreiben. Denn die Unternehmen würden sich seit vielen Jahren mit der Digitalisierung beschäftigen.
Dabei gehe es nicht nur darum, Formulare online anzubieten. „Digitalisierung heißt auch, dass die Arbeitsprozesse in der Verwaltung geändert werden müssen“, sagt Bülent Uzuner von Uzuner Consulting. Dass sich Bremer Firmen jetzt zusammengetan haben, ist für ihn ein Vorteil: „Wenn die Verwaltung Projekte ausschreibt, sind sie häufig sehr groß. Kleine und mittelständische Unternehmen kommen daher kaum zum Zug.“ Der Zusammenschluss könne das nun aber ändern.
Experten: Digitalisierung der Verwaltung bis 2022 gefährdet (Montag, 27.05)
Berlin (dpa) - Die Bundesbürger müssen sich möglicherweise darauf einstellen, dass die Digitalisierung der Verwaltungsdienstleistungen länger als geplant dauert. Experten sehen das Ziel 2022 gefährdet. Grund ist nach Angaben der Zeitung „Handelsblatt“ (Montag) Personalmangel. Von rund 40 zusätzlichen Stellen im Bundesinnenministerium sei erst eine besetzt. „Wir sind noch nicht an dem Punkt, sagen zu können, dass das Ziel sicher erreicht wird“, sagte Johannes Ludewig, Chef des Nationalen Normenkontrollrates - eines beim Bundeskanzleramt eingerichteten Beratungsgremiums der Bundesregierung -, der Zeitung.
Bund, Länder und Kommunen wollen den Bürgern bis spätestens Ende 2022 Verwaltungsdienstleistungen digital anbieten. Für viele Anliegen müssten die Menschen dann nicht mehr zum Bürgeramt, könnten beispielsweise ihr Auto von zuhause ummelden oder Bafög vom Sofa aus beantragen. Die Bundesregierung will vorangehen und bis Ende 2020 ihre Verwaltungsleistungen digitalisieren. Länder und Kommunen bekommen etwas länger Zeit.
Es stehe viel auf dem Spiel, sagte Ludewig mit Blick auf die zwischen Bund, Ländern und Kommunen vereinbarte Arbeitsteilung. „Die föderale Staatsform hat viele Vorteile, aber jetzt muss unter Beweis gestellt werden, dass die Aufgabenteilung der Leistungsfähigkeit nicht entgegensteht.“
Ein anderer Experte zeigte sich noch skeptischer. Martin Schallbruch, stellvertretender Direktor des Digital Society Instituts der Berliner Managementhochschule ESMT und bis 2016 Abteilungsleiter für Informationstechnik im Bundesinnenministerium, sagte dem „Handelsblatt“: „Es ist einfach nicht zu schaffen.“
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