Lebenserwartung hängt vom Wohnort ab Wo Bremer früher sterben

Einmal von Ost nach West, einmal quer durch alle sozialen Milieus – so fährt in Bremen die Straßenbahnlinie 1. Die Diakonie nutzt diese Straßenbahnroute, um Armutsfaktoren aufzuzeigen.
20.01.2016, 00:00 Uhr
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Wo Bremer früher sterben
Von Antje Stürmann

Einmal von Ost nach West, einmal quer durch alle sozialen Milieus – so fährt in Bremen die Straßenbahnlinie 1. Die Diakonie nutzt diese Straßenbahnroute, um Armutsfaktoren aufzuzeigen.

„Wir haben die Linie 1 nachgezeichnet und wollen so deutlich machen, was für soziale Unterschiede es gibt.“ Mit diesen Worten hat Landesdiakoniepastor Manfred Meyer am Dienstag die Kampagne „Extreme Unterschiede“ vorgestellt. Mit Hilfe einer Grafik in Postkartengröße will die Diakonie zur Diskussion anregen. Anlass ist die am 9. Februar stattfindende 2. Armutskonferenz.

Grundlage für die Grafik ist die unterschiedlich hohe Lebenserwartung der Menschen in den Stadtteilen, die wiederum aus unterschiedlichen Lebensstilen herrühre, wie Professor Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (Bips) sagt. So werden Männer in Huchting im Durchschnitt 77,7 Jahre alt (Frauen 83,2). In Richtung Schwachhausen steige die Lebenserwartung deutlich auf 81 (85,2); sie falle wenig später in der Vahr auf 77 (82,9) ab, um dann in Tenever mit 73 (78,5) ihren Tiefpunkt zu erreichen.

Sozialen Umstände haben Einfluss auf die Lebenserwartung

Einfluss auf die Lebenserwartung haben laut Zeeb vor allem die sozialen Umstände. „Arbeitslosigkeit übt einen extremen Einfluss auf die Gesundheit aus“, sagt Zeeb. „Migration spielt eine große Rolle.“ Soziale Benachteiligung habe Auswirkungen auf die Lebensqualität und darauf, ob jemand zum Beispiel Angebote der Gesundheitsvorsorge in Anspruch nehme. Immer mehr Bremer sehen sich laut Zeeb gezwungen abzuwägen, ob sie sich Untersuchungen oder Medikamente leisten könnten.

Vom sozialen Umfeld hänge auch ab, ob jemand weiß, wie er seine Gesundheit schützen kann. Als Beispiele nennt Zeeb das Rauchen. In Bremen gebe es überdurchschnittlich viele Menschen, die in Armut lebten, und eine sehr hohe Raucherquote, so Zeeb. Rauchen verursache Krebs- sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das senke die Lebenserwartung. „Solche Unterschiede im Gesundheitsverhalten zwischen Arm und Reich sind in Bremen fast zementiert“, weiß Zeeb. Und sie sind in den vergangenen Jahrzehnten größer geworden. „Uns als Forscher interessiert nun, welche Dinge man am einfachsten ändern kann, um diesen Trend zu stoppen.“

Faire Teilhabe am gesellschaftlichen Leben

Ziel müsse es sein, die Gesundheitsversorgung, den Wohnraum und die Bildungsangebote in benachteiligten Stadtteilen deutlich zu verbessern, fordert der Geschäftsführer des Diakonischen Werks, Manfred Meyer. „Wir als Diakonie geben uns nicht zufrieden mit diesem festen sozialen Gefüge und wie es um die Gesundheit vieler Bremer steht.“

Gemeinsam mit anderen Initiativen und kirchlichen Einrichtungen will sich der Verband gegen die soziale Ausgrenzung und für bessere Bildungschancen von Familien in schwierigen sozialen Milieus einsetzen – und auch für ihre faire Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Karte mit der Straßenbahnlinie 1 soll dazu anregen. „Wir wollen, dass das soziale Miteinander gepflegt wird und es nicht zu Sprengsätzen kommt“, warnt Meyer, ohne Beispiele zu nennen. Bislang habe man Auswüchse sozialer Ungleichheit in den Griff bekommen, sagt Jürgen Stein vom Diakonischen Werk: „Wir müssen mit Projekten dafür sorgen, dass sich die Dinge nicht weiter verfestigen.“

Verteilung von Vermögen

So setze sich die Diakonie Bremen weiter für den sozialen Wohnungsbau ein. Meyer schätzt: „In den nächsten drei Jahren werden Bremen und Bremerhaven um insgesamt 30 000 Einwohner wachsen. Diese Menschen müssen zeitnah mit Wohnraum versorgt werden.“ Sie sollten darin – egal ob von Hartz IV oder kleiner Rente – angemessen leben können.

Wichtig ist Meyer auch, dass die Politiker über die Verteilung von Vermögen nachdenken. Stichwort Finanztransaktionssteuer: „Bremen muss innerhalb des Bundes intensiver dafür eintreten, dass diese lange diskutierte Steuer europaweit eingeführt wird.“ Auf Bundesebene müsse durch eine Vermögenssteuer und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes mehr Gerechtigkeit hergestellt werden. Meyer: „Vermögende müssen stärker verpflichtet werden, zur sozialen Gerechtigkeit beizutragen.“ Es müssten Projekte wie das Kinder- und Jugendzentrum in Huchting, die Beratung für Zuwanderer im Stadtteil Tenever und die Krippe „Vahrfalla“ kontinuierlich Unterstützung erhalten.

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